Der Vater jung verstorben, die Mutter auf sich gestellt bei der Erziehung und Versorgung ihrer sechs Kinder.
WWE-Star antwortet auf Buhrufe
Gionna Jene Daddio hatte kein leichtes Leben, als sie ein junges Mädchen in der Kleinstadt Elmwood Park bei New York war. Aber sie hatte einen großen Traum: ein Star im Wrestling sein, so wie ihr großes Vorbild Lita. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
Zwei Jahrzehnte später hat die kleine Gionna Jane sich ihren großen Traum erfüllt: Unter ihrem Künstlernamen Liv Morgan ist sie nun selbst erstmals Damenchampion bei WWE. In der Nacht zum Sonntag verteidigt die 28-Jährige den Gürtel des SmackDown-Kaders gegen UFC Hall of Famerin und Ex-Titelträgerin Ronda Rousey.
Im SPORT1-Interview (geführt vor dem tragischen Tod ihrer früheren WWE-Kollegin Sara Lee am Donnerstag) spricht Morgan über ihren emotionalen Weg an die WWE-Spitze, Vorurteile wegen ihres Aussehens und ihrer Vergangenheit als aufreizend gekleidete Kellnerin der Restaurant-Kette „Hooters“ und ihren Umgang mit den Buhrufen, die sie zuletzt teils kassiert hatte. Dazu geht es auch um das Verletzungsrisiko bei WWE, die um ihre Karriere bangenden Randy Orton und Big E - und die anstehende Deutschland-Tour durch Stuttgart und Dortmund.
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SPORT1: Liv Morgan, Ihr „Extreme Rules Match“ gegen Ronda Rousey - einem Star, dem bei WWE nicht viele auf Augenhöhe begegnen dürfen - ist das bis jetzt wohl größte Ihrer Karriere. Verspüren Sie besonderen Druck, dem im Ring gerecht zu werden?
Liv Morgan: Tatsächlich bin ich in einer gewissen, seltsamen Weise grad weniger nervös als sonst. Als Fan habe ich Extreme Rules und die dahinter stehende Idee geliebt, ich war ein Riesenfan der TLC-, der Hell-in-a-Cell-Matches, von allem, was „extrem“ war. Und hier stehe ich jetzt 17 Jahre später in meinem ersten Extreme Rules Match und erfülle mir einen weiteren Lebenstraum. Einen Lebenstraum, bei dem ich mir wehtun werde (lacht). Und ich freue mich darauf, den letzten „Naysayern“, den letzten Zweiflern zu zeigen, was wirklich in mir steckt.
SPORT1: Ihr Traum, Ihren WWE-Idolen von einst nachzueifern, reicht zurück bis in Ihre früheste Kindheit ...
Morgan: Ja, meine Liebe zu WWE war eine Fluchtmöglichkeit aus den chaotischen Verhältnissen, in denen ich aufgewachsen war. Wann immer ich den Fernseher eingeschaltet habe, war ich gefesselt von dieser besonderen Welt mit ihren besonderen Charakteren und ihrer besonderen Dramatik. Ich habe mein ganzes Leben dafür gearbeitet, selbst ein WWE-Superstar zu werden und es ist ein großes Glück und ein großer Segen, dass dieser Traum wahr geworden ist.
SPORT1: Ihr vor diesem Hintergrund besonders emotionaler Titelgewinn gegen Rousey bei Money in the Bank war umjubelt, nach dem kontrovers inszenierten Rematch beim SummerSlam gab es für Sie aber schnell Buhrufe, auch bei der SmackDown-Show danach. Woran lag‘s? Schlechtes Timing, weil Rousey mit Ihrer neuen, rebellischeren Einstellung besser ankommt bei den Fans?
Morgan: Nein, ich glaube nicht, dass es an Ronda liegt, ich denke, es geht da schon um mich. Das Ende des SummerSlam-Matches hat sich für die Fans nicht gut angefühlt, es hat sich für sie so angefühlt, als hätte ich aufgegeben und sie im Stich gelassen. Da hat sich etwas entkoppelt in der Verbindung zwischen mir und den Fans - und ich tue nun einfach mein Bestes, das geradezurücken und sicherzustellen, dass ich nicht noch einmal aufgeben werde.
SPORT1: Im Wrestling gibt es das geflügelte Wort „The money is in the chase“ - will sagen: Der Star, der nach oben strebt, hat es leichter, die Sympathie der Fans zu gewinnen als der, der oben ist. Ist das jetzt eine neue Herausforderung, damit klarzukommen?
Morgan: Sicher - aber ich tue letztlich ja auch jetzt dasselbe, was ich meine ganze Karriere, mein ganzes Leben über getan habe. Ich stelle mich der Herausforderung und werde sie überwinden. Natürlich ist es leichter, sich mit jemandem zu identifizieren, der einem großen Ziel nachjagt - denn genau das ist, das was die meisten Menschen selbst tun. Aber jetzt bin ich nun mal oben am Gipfel und freue mich jetzt auch darauf, diese Position zu verteidigen.
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SPORT1: Ihr großes Kindheitsidol war Lita - warum genau sie? Und wer hat Sie sonst noch beeinflusst?
Morgan: Ich habe Lita geliebt, weil sie genau das war, was ich sein wollte: Eine coole Frau, die Baggy Pants trug, mit Jungs rumgehangen ist und auch gegen sie gewrestlet hat, die ein „Tomboy“-Typ und kein Klischee-Mädchen war. Ich muss aber auch sagen: Durch meinen eigenen Lebensweg habe ich mich im Nachhinein nochmal stärker mit Litas großer Rivalin und guter Freundin Trish Stratus identifiziert. Sie war ein blondes Model, das zu Beginn nicht für voll genommen wurde - just a pretty face. Dann aber hat sie unfassbar hart gearbeitet, um all ihren Kritikern das Gegenteil zu beweisen und eine der Größten aller Zeiten zu werden. Ich kann mich damit identifizieren, wegen meines Aussehens und meiner Vergangenheit gab es auch viele Vorurteile. Ich war eine Bedienung bei Hooters, habe für die Firma auch gemodelt und viele haben mir den Weg nicht zugetraut, den ich bei WWE gegangen bin. Aber ich arbeite genauso hart daran, es all diesen Leuten zu zeigen. (HINTERGRUND: Das wurde aus Trish Stratus - und das aus Lita)
SPORT1: Die Arbeit im WWE-Ring ist mit einem körperlichen Preis verbunden, der von Ihnen verehrte TLC-Pionier Edge weiß ein Lied davon zu singen, ebenso wie Big E und Randy Orton, die wegen schwerer Verletzungen gerade um die Fortsetzung Ihrer Karrieren bangen. Wie gehen Sie mit dem Risiko um, das im Wrestling jeder auf sich nimmt?
Morgan: Es gibt im Wrestling definitiv klügere und weniger kluge Dinge, die man mit Blick auf sein körperliches Wohlergehen tun kann, aber man muss eines immer bedenken: In dieser Branche kannst du dich immer verletzen, bei jeder Aktion. Es geht darum, Risiken zu minimieren, indem man so sicher wie möglich performt, ausschließen kann man aber nie etwas. Wrestling ist nicht Ballett und dessen muss man sich immer sehr bewusst sein. Das Schicksal von Edge mit seinem frühen Karriere-Ende hat die Gefahren anschaulich gezeigt - umso schöner, dass er doch nochmal zurückkommen konnte. Ich hoffe, dass es für Big E und Randy Orton auch ein Happy End gibt. Wir alle denken positiv und wünschen Ihnen das Beste.
SPORT1: Einige Wochen nach Extreme Rules sind Sie erstmals seit vier Jahren wieder mit WWE auf Deutschland-Tour ...
Morgan: Oh ja, und ich bin schon aufgeregt (lacht).
SPORT1: Was verbinden Sie mit Deutschland?
Morgan: Ich habe ein bisschen deutsches Blut, ich hab da mal Stammbaumforschung betrieben. Ansonsten muss ich Deutschland erst noch etwas besser kennenlernen und freue mich über jeden Tipp. Ich weiß aber, dass ich in Deutschland viele tolle Fans habe und viel Zuspruch über Instagram und Co. bekomme, wenn ich hier ein Interview gebe oder andere Promo-Aktionen mache - darum freue ich mich, endlich bald wieder live vor Ort zu sein.