Seine Einführung war ein dreistes Täuschungsmanöver, das Wrestling-Ligen von heute sich kaum mehr trauen würden.
Hogans Flop-Erbe mit tragischem Ende
Sein Charakter war eine 1:1-Kopie eines berühmteren Kollegen - so offensichtlich, dass sein Scheitern quasi vorprogrammiert war. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
Dennoch trat Megastar Hulk Hogan in den Neunzigern vor die TV-Kamera des damaligen WWE-Rivalen WCW und verstieg sich in die Behauptung, dass der junge Wrestler Renegade der Mann sein würde, „der Hulkamania ins 21. Jahrhundert tragen wird“. Seine persönliche Erfolgsstory also, die die bis dahin größte Erfolgsstory im Wrestling überhaupt war.
Es kam nicht dazu. Stattdessen endete die Geschichte des Mannes, den WCW als eigene Version von Hogans altem WWE-Rivalen The Ultimate Warrior verkaufen wollte, als Riesenflop - und als private Tragödie.
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Geplatzter WCW-Deal mit Ultimate Warrior führte zur Idee „Renegade“
Es war das Jahr 1995, einige Monate nach Hogans fürstlich vergütetem Wechsel von der damaligen WWF zur Liga von Milliardär Ted Turner.
Im Zusammenspiel mit Hogan versuchte WCW damals auch, neben dem ebenfalls übergelaufenen „Macho Man“ Randy Savage den drei Jahre zuvor von WWE im Streit geschiedenen Warrior für sich zu gewinnen - was aus ähnlichen Gründen scheiterte, die den Warrior schon bei WWE ins Abseits gebracht hatten: Der Warrior wollte ebenfalls reich entlohnt werden, seine für damalige Verhältnisse horrende Gehaltsforderung von angeblich 2,5 Millionen Dollar pro Jahr schreckte auch WCW ab.
Auf den Plan B, auf den Hogan und WCW dann kamen stieß sie ein Mann mit dem Namen Wendell Weatherbee, der einstige Chauffeur des Warrior: Er bekam Wind von den geplatzten Verhandlungen und empfahl einen jungen Kollegen als Alternative, der in der regionalen Independent-Szene durch seine optische Ähnlichkeit mit dem Warrior aufgefallen war.
Vom Stripper zur Wrestling-Hoffnung
Rick Wilson hieß der heute vor 56 Jahren geborene, damals 29-Jährige aus der Stadt Marietta in Georgia, drei Jahre zuvor in einem Nachtclub im Raum Boston fürs Wrestling entdeckt - Wilson war Mitglied einer männlichen Stripper-Gruppe.
Die Idee, ihn im Ring als Warrior-Double auftreten zu lassen, gab es frühzeitig, sein damaliges Umfeld redete es ihm aber aus: zu billig, würde nur nach hinten losgehen.
Wilson verdiente sich stattdessen erste Sporen als Tarzan-artiger „Rio, Lord of the Jungle“, der bei Gastspielen für die Japan-Liga WAR auch schon auf bekannte Szenegrößen wie „Earthquake“ John Tenta, Ultimo Dragon und den jungen Lionheart alias Chris Jericho getroffen war.
Wer war der wahre Warrior? Verwirrung gab‘s immer wieder
WCW engagierte Wilson - und presste ihn in genau die Rolle, vor der er vorher gewarnt worden war: die eines schamlosen Warrior-Ripoffs. Die Ligaführung um Eric Bischoff hatte anscheinend das Gefühl, dass es funktionieren könnte. Womöglich auch mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass es um die Identität des Warriors auch zu WWF-Zeiten schon immer wieder Verwirrung und (falsche) Gerüchte gab, er sei umbesetzt worden.
Wilson bekam ein ähnliches Outfit, Gesichtsbemalung, wurde aufgefordert, Mimik und Gestik des Warrior zu kopieren, Hogans Manager Jimmy Hart komponierte ihm auch eine an die des Warrior angelehnte Einzugsmusik an der Grenze zum Eigenplagiat (Hart war auch der Mann hinter den WWF-Themes der Achtziger und frühen Neunziger).
Statt nur Renegade - angelehnt an die damals populäre TV-Serie mit Lorenzo Lamas - sollte Wilson auch eigentlich „Renegade Warrior“ heißen. Die Rechtsabteilung von WWE intervenierte.
Hulk Hogan versprach „ultimative“ Überraschung
WCW scheute sich dennoch nicht, offensiv mit der Idee zu spielen, dass Renegade und der Original-Warrior Jim Hellwig ein und dieselbe Person sein könnten.
Renegades Debüt beim Pay Per View Uncensored im März 1995 - als Unterstützung Hogans für ein Titelmatch gegen den legendären Koloss Vader - wurde von Hogan als „ultimative Überraschung“ für Vader und dessen Verbündeten Ric Flair angekündigt.
Als Renegade dann zum Ring kam, gab es auch riesigen Jubel der Fans, die offensichtlich unter dem Eindruck standen, den echten Warrior mit neuem Namen zu erleben. Hogan hatte in einem Videoeinspieler zuvor zwar doch noch klargestellt, dass Renegade nicht der Warrior war - laut Berichten aus der Arena war die Audioqualität vor Ort aber so schlecht, dass es kaum einer mitbekam.
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Schlechte Leistungen, Buhrufe - und ein schnelles Scheitern
Die anfängliche Euphorie um Renegade verkehrte sich dann schnell ins Gegenteil: Als klar war, dass er nur eine Kopie war, die eigenes Profil vermissen ließ, erwies sich der Versuch, ihn ähnlich groß herauszubringen, schnell als aussichtslos.
Renegade wurde mit ähnlichen Mitteln wie einst der echte Warrior - schnelle und eindeutige Siege - als Macht inszeniert, gewann den für aufstrebende Talente konzipierte Television Title und durfte auf seinem Weg nach oben etablierte Veteranen wie Arn Anderson und Hogans 2021 verstorbenen Weggefährten Paul Orndorff besiegen.
Den Großteil der Fans konnte Renegade aber nicht für sich gewinnen, bei seiner Titelverteidigung gegen Orndorff beim Bash at the Beach 1995 wurde er von der Bühne gebuht. Zwei Monate später verlor der in längeren Matches überfordert wirkende Renegade den Titel wieder an Diamond Dallas Page und war danach nur noch einer unter Vielen.
WCW behielt Renegade noch drei Jahre unter Vertrag, er agierte 1998 auch als Double für den echten Warrior, als der doch noch zu WCW kam. Der 2014 unter schockierenden Umständen verstorbene Warrior nahm seinem Wiedergänger (und dem Ex-Chauffeur) angeblich trotzdem persönlich bis zum Ende übel, was drei Jahre zuvor passiert war.
Rick Wilson beging kurz nach WCW-Aus Suizid
Die vage Hoffnung, dass sich Wilson mit mehr Zeit und Training doch noch von seinem Flop-Start emanzipieren würde, erfüllte sich nicht. Wie der Wrestling Observer berichtete, fiel er schließlich auch durch einen Steroid-Test - und verlor noch mehr an Boden, als er ohne die illegalen Muskelmittel auch körperlich außer Form geriet.
Renegade bestritt sein letztes Match im Dezember 1998 und wurde dann gefeuert. Wenige Wochen später endete sein Leben tragisch: Am 23. Februar 1999 erschoss er sich während eines Streits mit seiner Freundin.
Vertraute berichteten, dass Wilson nach seinem WCW-Aus Anzeichen einer Depression gezeigt hätte. Sowohl persönlicher Frust und Scham über sein berufliches Scheitern als auch Sorgen um seine finanzielle Existenz nach dem Jobverlust hätten wohl eine Rolle gespielt.
Rick Wilson, der Mann, der nicht der Ultimate Warrior war und vielleicht auch besser zu Renegade geworden wäre, wurde nur 33 Jahre alt.
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Anmerkung der Redaktion: Wenn Sie sich selbst von Depressionen und Suizidgedanken betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (http://www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in zahlreichen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.
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