Ein neues Comeback eines alten Bekannten hat er diesmal nicht aus dem Hut gezaubert. Aber dieser Moment hat trotzdem mehr denn je verdeutlicht, dass unter „Triple H“ Paul Levesque eine neue Ära bei WWE angebrochen ist.
Hier beerdigt WWE ein Tabu
Mit einem spektakulären verbalen Schlagabtausch bei der TV-Show Monday Night RAW haben die früheren WWE-Champions Drew McIntyre und Kevin Owens für jede Menge Aufhorchen gesorgt - und unterstrichen, dass nach dem Aus des langjährigen Bosses Vince McMahon eine wegweisende Richtungsänderung im Gange ist. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
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Drew McInytre und Kevin Owens mit heißem Schlagabtausch
McIntyre, bei der Europa-Megashow Clash at the Castle am 3. September Herausforderer von WWE Universal Champion Roman Reigns, wandte sich bei RAW zu Beginn der zweiten Sendungsstunde ans Publikum.
Der Schotte erklärte, dass die Gerüchte stimmen würde, dass er derzeit von einer Rückenverletzung zurückgeworfen sei. Sie käme wohl davon, dass er bei WWE seit drei Jahren die Last von 20 Männern trage, im Ring und außerhalb - was aber für ihn kein Problem sei, er tue das gerne, denn er lebe bei WWE seinen Traum.
McIntyre führte aus, dass er Reigns beim Clash entthronen werde und dass er bei RAW schon mal potenzielle Herausforderer für die Zeit nach seinem Titelgewinn scoute. Das rief „K.O.“ auf den Plan - dessen Namen McIntyre dabei zunächst nicht nannte.
„K.O.“ will wieder der Alte sein - und zitiert Owen Hart
Owens erklärte, dass McIntyre und viele andere in den vergangenen Jahren vermutlich vergessen hätten, wer er sei. Vor sechs Jahren hätte er bei Battleground 2016 in Washington, in derselben Arena, in der die RAW-Ausgabe am Montag stattfand, ein Match gegen Sami Zayn hingelegt, von dem die Fans noch heute sprechen würden.
Er habe diese Seite an sich, die des „Prizefighter“, lange nicht mehr gezeigt und es sei vielleicht der Grund, dass er seit fünf Jahren bei WWE keinen Titel mehr gehalten hätte, aber damit werde nun bald Schluss sein. Mit den Worten „Enough is enough - and it‘s time for a change“ zitierte Owens dabei sein tragisch verstorbenes Idol Owen Hart.
Owens, der schon mit seiner brutalen Demontage des bisherigen Rivalen Ezekiel eine Rückkehr zu seinen Wurzeln signalisierte, kündigte an, dass er den Sieger des Titelmatches beim Clash herausfordern und entthronen werde - und dass McIntyre mit seiner „lustigen Harter-Typ-Stimme“ und dem Kilt und dem Schwert, das er manchmal trage, ihn davon nicht abhalten werde.
McIntyres Antwort trieb die Angelegenheit dann auf die Spitze.
„We‘re wrestlers in a wrestling ring“
Der „Scottish Warrior“ meinte, dass Owens wohl auch ihn falsch einschätze, so wie auch einige andere. In Anspielung auf eine Ansprache des frisch zurückgekehrten Karrion Kross erklärte McIntyre, dass er jüngst als „Chosen One“ bezeichnet wurde, als von der Chefetage protegierter Auserwählter.
McIntyre kommentierte das mit den Worten, dass diese Zeit 15 Jahre her sei: Er erinnerte an seinen tiefen Fall und seine Entlassung - und wie er sich seitdem seinen „A***h abgearbeitet“ hätte, um seinen Job zurückzubekommen und wieder neu durchstarten zu können. Er habe seitdem bei WWE von Bill Goldberg über Brock Lesnar bis Randy Orton jeden besiegt, der ihm im Weg gewesen sei und damit werde er nicht aufhören.
An Owens gewandt schloss McIntyre mit den Worten, dass genug geredet sei: „I don‘t care if you‘re a prize fighter, a sports entertainer, a superstar, we‘re wrestlers in a wrestling ring, so let‘s just frickin‘ wrestle.“
Es folgte ein sehenswertes Match der beiden, das nach 15 Minuten mit einer Disqualifikation Owens‘ endete, als Reigns‘ Neffen Jimmy und Jey Uso McIntyre attackierten - von diesem aber abgewehrt wurden.
Für Vince McMahon war „Wrestling“ tabu
Das Segment mit McIntyres letzten Worten an Owens war bei Twitter die RAW-Szene, die am meisten viral ging, denn sie unterstrich die Neuausrichtung bei WWE unter Triple H.
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Die Worte „Wrestling“ und „Wrestler“ waren unter Vorgänger McMahon skurrilerweise für die Stars verboten - aus Vermarktungsgründen achtete er streng auf seine Sprachregelung „Sports Entertainment“ und „Superstars“, um sein Produkt von den vermeintlich einengenden Labels abzuheben und den Anspruch zu betonen, eine über das Wrestling hinausreichender Entertainment-Riese zu sein.
Die Geschichte des gespaltenen Verhältnisses von WWE zum Wort „Wrestling“ reicht zurück bis in die achtziger und neunziger Jahre, in denen McMahon sich von seiner Hochburg New York aus als Modernisierer des traditionellen „Wrasslin‘“ südstaatlich-regionaler Prägung präsentierte. „Du bist im Wrestling-Geschäft, ich im Entertainment-Geschäft“, soll Vince McMahon einst seinem alten Rivalen Ted Turner gesagt haben, nachdem der Milliardär den früheren WWE-Konkurrenten WCW gekauft hatte, der vom Süden aus operierte.
Bei McMahon stand sogar das Wort „belt“ (“Gürtel“) für seine Titel auf dem Index: Auch dieser Begriff soll ihm zu altmodisch und südstaatlich geklungen haben (Chronologie des WWE-Skandals: Dieses Doppelleben brachte Vince McMahon zu Fall).
Wissenswertes zum Thema Wrestling:
Unter Triple H ist das oft kritisierte Tabu gefallen, was schon in den vergangenen Wochen aufgefallen war - unter anderem auch in Social-Media-Posts von Österreich-Star Gunther, der unter Triple H nach angeblichen Degradierungs-Plänen der alten Führung wieder Aufwind verspürt.
Owens und McIntyre erfinden sich neu
Der Auftritt von Owens und McIntyre war die endgültige Beerdigung und es war zu spüren, dass die beiden Beteiligten es als Befreiung empfanden.
Owens erinnert nun wieder stark an die Version seines Charakters, als die er unter Triple H Champion und Aushängeschild des NXT-Kaders war und auch im Hauptkader anfänglich groß einschlug. Dass es zuletzt weniger gut lief, schien Owens im vergangenen Jahr zu einem Flirt mit Konkurrent AEW zu veranlassen - dass er doch bei WWE blieb, soll am finanziell deutlich besseren Angebot des aktuellen Arbeitgebers gelegen haben, was Owens auch selbst durchblicken ließ.
Auch an McIntyres Charakter wurde seit McMahons Abgang etwas gedreht, weg von eher oberflächlichen Schottland-Elementen wie seinem Claymore-Schwert, das seit einigen Wochen nicht mehr zu sehen war, mehr Fokus auf das, was ihn im Ring ausmacht.
Man darf gespannt sein, ob der neu erfundene McIntyre tatsächlich derjenige sein darf, der Reigns‘ historische, mittlerweile über 700-tägige Regentschaft beenden darf.
Die weiteren Highlights:
- RAW wurde eröffnet von Judgment Day, die auf das Match von Damian Priest gegen Edge kommende Woche einstimmten. Edges Partner Rey Mysterio attackierte das Bündnis mit einem Stuhl - aus Rache dafür, dass es vergangene Woche seinen Sohn Dominik blutig geprügelt zu haben schien. Der Angriff ging nach hinten los, als sich Rhea Ripley Rey in den Weg stellte - und der übermannt wurde, weil er zögerte, gegen eine Frau handgreiflich zu werden.
- Die früheren Damenchampions Asuka und Alexa Bliss rückten mit einem Sieg über Nikki ASH und Doudrop ins Halbfinale des Turniers um die vakanten Tag-Team-Titel vor - sie treffen dort auf ihre Rivalinnen Iyo Sky und Dakota Kai.
- Der von Seth Rollins zuletzt mehrfach attackierte und vermeintlich ausgeschaltete Riddle meldete sich mit einer Attacke auf den „Visionary“ zurück - das Match der beiden für Clash at the Castle ist offiziell.
- Ansonsten wurde der Fokus bei RAW noch einmal etwas mehr auf starke Ring-Action gelegt: Sie wurde geboten im Main Event, in dem Money-in-the-Bank-Sieger Theory den frisch zurückgekehrten Dolph Ziggler besiegte - womit sich zeigte, dass er auch Triple H ihn weiter fördern wird.
Einen guten Auftritt durften auch die unter McMahon eher erfolglosen Cedric Alexander und Mustafa Ali hinlegen, die nun als Tag Team zwar eine Niederlage gegen The Miz und Ciampa kassierten, aber dabei viel zeigen durften.
Ein weiteres sehenswertes Duell boten die früheren WWE-Champions AJ Styles und Bobby Lashley, der erfolgreich seinen US Title verteidigte. Für Ablenkung sorgte erneut der von Triple H wiedereingestellte Dexter Lumis, der sich wie bei seiner Rückkehr vorige Woche ins Publikum schmuggelte und von Securitys abgeführt wurde.
- Erwähenswerte Randnotiz: Trotz der Zerstörung durch Owens lässt Triple H auch die Comedy-Story um Ezekiel - den angeblichen kleinen Bruder von Elias - offenbar nicht fallen. Bei RAW wurde ein Foto gezeigt, wie Ezekiel im Krankenhaus von Elias und dem Rest seiner Familie umgeben war - eine Montage, in denen Elias alle Rollen spielte, inklusive des kleinen Kindes. Es gab dann noch ein Videosegment, in dem Elias‘ und Ezekiels „Vater“ Ernie Jr. zu Wort kam und Owens Rache drohte.
Insider-Gag dabei: Auch „Jr.“ war unter McMahon ein verbotenes Wort - er war wegen seines Vaters mit demselben Vornamen selbst ein „Vince jr.“ und hasste es.
Die Ergebnisse von WWE Monday Night RAW am 15. August 2022:
WWE Women‘s Tag Team Title First Round Match: Alexa Bliss & Asuka besiegen Nikki ASH & Doudrop
Ciampa & The Miz besiegen Cedric Alexander & Mustafa Ali
Drew McIntyre besiegt Kevin Owens durch Disqualifikation
Veer Mahaan besiegt Breaux Keller
WWE United States Title Match: Bobby Lashley (c) besiegt AJ Styles
Dakota Kai besiegt Dana Brooke
Theory besiegt Dolph Ziggler