Der gestürzte Wrestling-Mogul Vince McMahon bringt seine Erben bei WWE auch Wochen nach seinem Rücktritt wegen seines Sex- und Schweigegeldskandals noch in weitere Erklärungsnot - ist der Grund aber womöglich ein anderer, als es zunächst den Anschein hatte?
WWE-Skandal: Führt Spur zu Trump?
Wie das Unternehmen am Dienstag selbst einräumte, hatte McMahon WWE auch zum Zeitpunkt seines Abgangs noch nicht über das volle Ausmaß anrüchiger Geldflüsse ins Bild gesetzt. In einer öffentlichen Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC legte WWE in dieser Woche zwei weitere, bislang unbekannte Zahlungen McMahons offen, die der Ex-Boss an den Bilanzen vorbeigeschleust hätte - die das Gesamtvolumen von 14,6 auf 19,6 Millionen US-Dollar erhöhen. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
Die allgemeine Auffassung lautete zunächst, dass es sich um weitere Schweigegeld-Zahlungen handeln müsse, womöglich liegt der Fall aber auch ganz anders.
US-Medien lenken inzwischen den Blick darauf, dass die Spur des Geldes in diesem Fall in eine andere Richtung führen könnte - die des Ex-US-Präsidenten Donald Trump.
Vince McMahons Zahlungen: Führt die Spur zu Trump?
WWE habe „festgestellt, dass zwei weitere, insgesamt 5 Millionen Dollar hohe Zahlungen, die McMahon 2007 und 2009 vorgenommen hat und die nicht verbunden waren mit den Zahlungen, die zu den Ermittlungen des Sonderkomitees geführt haben, in den Unternehmensbilanzen vermerkt hätten werden sollen“, schrieb das Unternehmen am Dienstag an die SEC, unter dem Druck von Untersuchungen sowohl dieser Behörde als auch staatlicher Ermittler.
Auffällig: Summe und Zeitraum der genannten Zahlungen decken sich mit zwei Transaktionen, die schon vor einigen Jahren für Wirbel gesorgt hatten. Es geht um Spenden aus dem McMahon-Reich zu Gunsten der Trump Foundation seines langjährigen Geschäftsfreunds Donald Trump - der als Präsident McMahons Frau Linda in sein Kabinett berufen hatte.
Verdacht der Steuerhinterziehung steht im Raum
In den öffentlichen Steuerbescheiden der Trump Foundation ist vermerkt, dass die Stiftung 2007 4 Millionen und 2009 eine weitere Millionen aus der Kasse der McMahons erhielt. Das Brisante daran: In den besagten beiden Jahren hatte Trump große Auftritte für WWE (der „Battle of the Billionaires“ bei WrestleMania 2007 und sein inszenierter „Kauf“ der TV-Show RAW 2009). Der von Finanz-Experten in US-Medien schon vielfach geäußerte Verdacht: Die Überweisungen an die Stiftung könnten die Bezahlung für Trumps Auftritte gewesen sein, als steuerlich günstig absetzbare Spende verschleiert und damit wohl illegal.
WWE hatte entsprechende Vorwürfe stets zurückgewiesen und erklärt, dass Trumps Auftritte bei WWE separat abgerechnet worden wären und die Zahlungen der McMahons als deren Privatsache dargestellt.
Nun lässt die gegenläufige WWE-Mitteilung zu den sich ähnelnden Zahlungen aufhorchen, auch wegen der zeitlichen Nähe zu der FBI-Razzia in Trumps Mar-a-Lago-Resort am Montag, einen Tag vor der WWE-Mitteilung an die Börsenaufsicht. Eine Anfrage des Portals Wrestlenomics, dem der potenzielle Zusammenhang auffiel, blieb von WWE bislang unbeantwortet.
Reporter des WWE-Skandals brachte auch Trump schon in Not
Vor McMahons Rücktritt war eine Summe von 12 Millionen Dollar im Raum gestanden, die McMahon in den vergangenen 16 Jahren an vier frühere weibliche Untergebene gezahlt haben soll, um Affären und auch sexuelle Übergriffe zu vertuschen. Der schwerste Vorwurf: ein angeblicher sexueller Übergriff gegen eine Wrestlerin im Jahr 2005, die er zu Oralsex gezwungen haben soll. 2018, dem Jahr nach der Enthüllung des Harvey-Weinstein-Skandals in Hollywood und der Entstehung der #MeToo-Bewegung, soll McMahon der Wrestlerin 7,5 Millionen Dollar dafür gezahlt haben, nicht mit den Vorwürfen an die Öffentlichkeit zu gehen.
Die Zahlungen leistete McMahon zwar aus seinem Privatvermögen, WWE kam in internen Ermittlungen jedoch zu dem für den Ex-Boss verhängnisvollen Schluss, dass er sie - theoretisch - in den Firmenbilanzen hätte auftauchen lassen müssen, weil sie nicht von seiner Funktion als Unternehmensboss zu trennen gewesen wären.
Der WWE-Skandal kam ins Rollen durch eine Enthüllungsserie des Reporter-Duos Ted Mann und Joe Palozzolo für das Wall Street Journal. Palozzolo gewann 2019 den Pulitzer-Preis, nachdem er und sein Team mit einer ähnlichen Investigativserie den ähnlich gearteten Schweigegegeld-Skandal um Trumps Affäre mit der Pornodarstellerin Stormy Daniels aufdeckten.
In der jüngsten Mitteilung bestätigte WWE auch beiläufig die Berichte, dass Ex-Talentvorstand John Laurinaitis, zweite Hauptperson des Skandals, entlassen worden ist. Laurinaitis sei „nicht mehr in der Firma“.
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Vince McMahon ist nach seinem Rücktritt von einer Doppelspitze aus Tochter Stephanie McMahon und dem bisherigen Finanzvorstand Nick Khan beerbt worden. Den Kreativbereich, den Vince auch nach den Skandal-Enthüllungen bis zuletzt geleitet hatte, übernahm sein Schwiegersohn „Triple H“ Paul Levesque, der das Produkt seitdem schon stark umgekrempelt hat.