Der Skandal, der WWE-Boss Vince McMahon nach 39 Jahren zu Fall gebracht hat, hat noch größere Ausmaße als bislang bekannt.
WWE gibt zu: Skandal noch größer
Wie das Wrestling-Imperium selbst am Montag in einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC eingeräumt hat, hat McMahon mit der Verheimlichung „bestimmter Zahlungen“ über insgesamt 14,6 Millionen Dollar - eine größere Summe, als bisher im Raum stand - nach Einschätzung der Firma gegen Bilanzregeln verstoßen. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
Es ist ein Eingeständnis von massiver Tragweite, das McMahons Rücktritt - von diesem öffentlich als „Gang in den Ruhestand“ verkauft - am Freitag besiegelt haben dürfte.
Parallel zu der Bekanntgabe hat WWE auch weitere Details zur Nachfolgeregelung McMahons bekanntgegeben, die die neue Hierarche im Unternehmen klarer machen.
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WWE: Vince McMahon verstieß gegen Bilanzregeln
Es wird angenommen - wenngleich es nicht ausbuchstabiert ist -, dass es bei den „bestimmten Zahlungen“ um die Schweigegeld-Zahlungen geht, mit denen McMahon Affären mit Untergebenen und angeblich auch sexuelle Belästigung und Übergriffe vertuscht haben soll. Das Wall Street Journal, das die Vorgänge enthüllt hatte, hatte zuletzt berichtet, dass sich die Zahlungen auf 12 Millonen summieren. Es sieht nun so aus, als wären sie noch höher gewesen.
„Die Firma ist vorläufig zum Schluss gekommen, dass bestimmte Zahlungen, in die Vince McMahon zwischen 2006 und 2022 eingewilligt hat (darunter Beträge, die in der Zukunft gezahlt werden und gezahlt werden sollen) und die nicht in den Konzernabschlüssen deklariert worden sind, als Ausgaben hätten deklariert werden müssen, in den Quartalen, in denen die Vereinbarungen getroffen worden sind“, heißt es im Kernsatz der öffentlichen Mitteilung.
Mit anderen Worten: WWE muss wegen McMahons Zahlungen seine Bilanzen korrigieren - ein vertrackter, folgenschwerer und für das Unternehmen auch peinlicher Vorgang. Der springende Punkt dabei: Obwohl es weiter heißt, dass McMahon die Zahlungen „persönlich beglichen hat oder begleichen wird“ - also mit Privatvermögen statt Firmengeld -, waren sie von seiner Rolle als WWE-Boss offenbar nicht zu trennen.
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„Die interne Kontrolle war nicht effektiv“
Die über die Jahre angehäufte Höhe der verborgenen Zahlungen spielte dabei offenbar eine Schlüsselrolle: Laut WWE wären die Zahlungen im Einzelnen in den jeweiligen Quartalen „nicht materiell“ gewesen, „in der Summe wären sie aber materiell gewesen, wenn sie im zweiten Quartal 2022 deklariert worden wären“.
Das letztlich vernichtende, vorläufige Fazit der internen Aufarbeitung: „Die interne Kontrolle über das Finanz-Reporting war nicht effektiv als Folge einer oder mehrerer Schwächen.“ Daran versuche man fortan zu arbeiten.
WWE teilte auch mit, dass die internen Ermittlungen der nicht-exekutiven Mitglieder des Board of Directors - dem Aufsichtsrat der Firma - weiter andauern würden.
Stephanie steht über Nick Khan, Triple H wird Kreativchef
Vince McMahon wird von einer Doppelspitze beerbt, bestehend aus Tochter Stephanie McMahon und dem bisherigen Firmenpräsidenten und -finanzchef Nick Khan.
Stephanie - erst kürzlich im Zentrum von rätselhaften Irritationen um ihre eigene Zukunft im Unternehmen - steht dabei in der Rangfolge etwas höher, wie nun klar geworden ist: Zwar teilen sich Stephanie und Khan den Titel als CEO (Chief Executive Officer), Stephanie übernimmt aber als „Chairwoman“ den Vorsitz des Board of Directors, in dem Khan einfaches Mitglied bleibt.
Eine weitere Neuigkeit: Der am Freitag schon offiziell in den alten Job als Talentchef zurückgekehrte Vorstand „Triple H“ Paul Levesque - Stephanies Ehemann - wird Vince auch als Verantwortlicher des Kreativbereichs beerben.
Levesque - der ein dramatisches Jahr 2021 mit einer Teil-Entmachtung und einer lebensgefährlichen Herzerkrankung hat - ist damit nun zum Lenker des WWE-Programms aufgestiegen, der bei der Zusammensetzung von Shows, Matches und Segmenten das letzte Wort hat.
Für viele überraschend reagierte die Börse nach ihrer Wiedereröffnung positiv auf das Beben: Die WWE-Aktie stieg, statt zu fallen. Offensichtlich sehen die Anleger die Zukunftsaussichten von WWE ohne McMahon verbessert statt verschlechtert - eine Rolle dürfte dabei auch spielen, dass McMahons Rücktritt die seit Jahren anhaltenden Spekulationen über einen Verkauf des Milliarden-Unternehmens weiter befeuert hat.