Es war das letzte Mal, dass der wohl größte Wrestling-Star aller Zeiten in einem Hauptkampf auf großer Bühne zu sehen war. Und definitiv Hulk Hogans letztes Match, das wirklich denkwürdig war - wenn auch nicht nur aus den richtigen Gründen.
Hulk Hogans lächerliches WWE-Finale
Heute vor 17 Jahren startete die größte Fehde des damaligen WWE-Sommers: „The Immortal“ Hulk Hogan kreuzte die Klingen mit Ausnahme-Performer „Heartbreak Kid“ Shawn Michaels. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
Die beim SummerSlam 2005 gipfelnde Rivalität lief unter dem Label „Legend vs. Icon“, es war ein „Dream Match“ zweier Generationen, das spät zustande kam, nachdem die beiden sehr unterschiedlichen Topstars lange nie zur selben Zeit am selben Ort aktiv waren.
Was am Ende herauskam, war ein sehr eigenwilliges Spektakel, das von realen Misstönen geprägt war - die darin gipfelten, dass Michaels Hogan der Lächerlichkeit preisgab.
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Hulk Hogan - Shawn Michaels: Ein spätes, unverhofftes Traumduell
Die Story wurde eingeleitet am 4. Juli 2005, zu einem Zeitpunkt, als die Karriere beider Stars eigentlich schon beendet schien.
Die frühere Skandalnudel Michaels war im Jahr 1998 wegen einer schweren Rückenverletzung aus dem Ring zurückgetreten, Hogan schien fertig, als sein zweiter Frühling bei WWE-Konkurrent WCW Mitte der Neunziger an Fahrt verlor - und der damalige WCW-Verantwortliche Vince Russo ihn im Jahr 2000 öffentlich als intrigantes „Stück Sch***e“ beschimpfte und unter nebulösen Umständen abservierte.
Im Jahr 2002 feierten sowohl Hogan als auch Michaels unverhoffte WWE-Comebacks: Hogan wurde nach dem Untergang von WCW nochmal heimgeholt und verblüffte mit einem atmosphärisch einzigartigen WrestleMania-Duell mit „The Rock“ Dwayne Johnson. Ein genesener und auch menschlich zur Ruhe gekommener Michaels knüpfte ab Sommer 2002 mit einer großen Fehde gegen Triple H wieder an seine besten Zeiten an.
Hogans Comeback-Engagement beim alten Boss Vince McMahon endete im Jahr darauf zwar mit einer erneuten Trennung im Streit - zwei Jahre danach aber fanden die alten Weggefährten wieder zusammen. Und ein Match gegen Michaels wurde als tragendes Element des Sommer-Höhepunkts in Washington verabredet.
Erst Partner, dann Feinde
Michaels und Hogan traten zunächst als Partner an, besiegten beim Event Backlash im Mai gemeinsam die inzwischen von WWE totgeschwiegene Skandalfigur Muhammad Hassan und dessen Partner Daivari. Bei der TV-Show RAW taten sie sich mit John Cena - dem aufstrebenden jungen Star der neuen Ära - zusammen und bezwangen dessen Titelrivalen Chris Jericho, Christian und Tyson Tomko.
Ein weiterer gemeinsamer Sieg über Kurt Angle und Carlito sollte folgen - dann jedoch der Schockmoment: Michaels überraschte Hogan mit seinem Gesichtstritt Sweet Chin Music und stellte sich mit verfinsterter Miene über den ausgeknockten Altstar.
Als Motiv für Michaels‘ Attacke wurde in den Wochen darauf offene Verbitterung dargestellt, dass Hogan sich als Held geriere, aber unmoralisch und scheinheilig sei: Hogan ruhe sich auf alten Lorbeeren aus, schimpfte Michaels, der „Hulkster“ ziehe seit Jahrzehnten immer dieselbe, leidenschaftslose Show ab, während Michaels sich Woche für Woche für die Fans zerreiße.
Gekonnte Rückgriffe auf den Eklat im Bret Hart
Auch die realen Vorwürfe, dass Hogan immer wieder egoistische „Backstage-Politik“ auf Kosten von Kollegen betrieben hätte, machte Michaels zum Thema. Hogans Konter in einem als Debatte inszenierten Rededuell: Beim Thema Michaels und Backstage-Politik könne man ja ein gewissen Bret Hart zu seinen Erfahrungen befragen - eine Anspielung auf Michaels‘ Rolle im berühmt-berüchtigten Montreal Screwjob 1997.
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Ein weiterer Rückgriff auf diese Geschehnisse bei einer RAW-Ausgabe in ebenjenem Montreal wurde dann zum absoluten Highlight der Fehde.
Michaels - in der kanadischen Heimat des alten Rivalen Hart damals immer noch absolute Hassfigur - reizte das wütende Publikum mit einer bitterbösen Promo-Ansprache genüsslich (“Who‘s your Daddy, Montreal?“) und kündigte an, dass er Hogans Karriere beim SummerSlam ebenso begraben werde, wie er es mit der von Bret getan hätte. Als weiterer Stich ins Herz der kanadischen Fans wurde während des Segments Brets Musik eingespielt und deutete einen Überraschungsauftritt an - was sich dann als Streich des hämisch grinsenden Michaels entpuppte.
Später trieb er die Sache auf die Spitze, als er Hogan attackierte und in den Aufgabegriff Sharpshooter nahm, Bret Harts altes Spezialmanöver.
Realer Knatsch hinter den Kulissen
Parallel zu dem clever erzählten Drehbuchgeschehen spielte sich zwischen Hogan und Michaels ein realer Konflikt hinter den Kulissen ab: Bei der Frage nach Ausgang und Gestaltung ihres Aufeinandertreffens waren sich die beiden uneins.
Michaels wollte, dass es zwei Matches oder drei Matches geben sollte, mit einem Sieg für ihn und einem für Hogan. Hogan wollte einen zweiten Kampf nur unter einer Bedingung - dass er beide Matches gewinnen durfte.
Hogans Standpunkt hatte eine gewisse Logik, schließlich ging er offiziell als „Guter“ in die Fehde und ein klarer Sieg statt eines Unentschiedens war da in gewisser Weise folgerichtig. Sein Beharren ließ aber auch die Interpretation zu, dass Hogan keine Zweifel aufkommen lassen wollte, die größere Legende als Michaels zu sein.
Michaels‘ Problem: Sein Gegner saß am längeren Hebel. Hogan hatte damals keinen festen Vertrag mit WWE, hatte also die Möglichkeit, das Match abzublasen, wenn er seine Bedingungen nicht diktieren konnte. Michaels musste sich fügen und besiegen lassen - ließ es sich aber nicht nehmen, sich auf seine Weise zu rächen.
SummerSlam-Duell: Michaels‘ „Oversell“ entblößt Hogan
Das eigentliche Match am 21. August 2005 war gehandicapt davon, dass Hogan zu diesem Zeitpunkt schon 52 war, eine künstliche Hüfte, Knie- und Konditionsprobleme hatte. Die Qualität des Kampfs stand und fiel also mit dem Einsatz des 12 Jahre jüngeren Michaels.
Der „Showstopper“ zeigte diesen Einsatz in rauen Mengen, flog, fiel und „bumpte“ wie ein Weltmeister für den Oldie, der am Ende blutig geprügelt mit seiner bekannten Aktionsfolge aus Big Boot und Legdrop den Sieg holte.
Michaels vollführte einen „Oversell“, überdrehte das Verkaufen von Hogans Aktionen in derart absurder Weise, dass es Hogan nicht mehr gut, sondern lächerlich aussehen ließ und dessen Hüftsteife entblößte, statt sie zu maskieren.
Michaels zeigt Hogan bei RAW sarkastisch den Stinkefinger
Den Eindruck, dass er das mit voller Absicht getan hatte, bestätigte Michaels durch seinen Auftritt bei RAW einen Tag danach.
In einer von Sarkasmus triefenden Ansprache gab sich Michaels nur zum Schein als guter Verlierer. Seine Lobpreisung für Hulk Hogans „tolle, unglaubliche“ Performance, dessen „katzenhafte Agilität“ und „pfeilschnellen Catch-as-catch-can-Stil“ war leicht als „Leck mich“ zu entschlüsseln.
Michaels gab später offen zu, dass er sich als Revanche für Hogans „Rückzieher“ aus einem weiteren Match „unprofessionell“ und „zu meinem eigenen Amüsement“ verhalten hätte. Der nicht als zuverlässiger Erzähler bekannte Hogan wiederum leugnete Michaels‘ - auch von anderen Quellen gestützte - Version der Geschichte und behauptete, dass er für einen Rückkampf offen gewesen wäre und diesen erst hinterher als erboste Reaktion auf Michaels‘ Verhalten abgelehnt hätte.
Michaels porträtierte nach der Hogan-Fehde für den Rest seiner 2010 beendeten Karriere wieder den Publikumsliebling. Hogan hatte 2006 noch ein ähnlich gestaltetes Match mit dem damaligen Jungstar Randy Orton, das sich als Schlusspunkt seiner WWE-Ringkarriere herausstellen sollte.