Ein Sex-Skandal mit beträchtlicher Sprengkraft erschüttert das Showkampf-Imperium WWE.
Neue Details im WWE-Sex-Skandal
Ein Aufsehen erregender Bericht des Wall Street Journal hat enthüllt, dass die weltgrößte Wrestling-Liga dem Vorwurf nachgeht, dass ihr Boss Vince McMahon ein fragwürdiges Verhältnis mit einer ehemaligen Angestellten eingegangen ist - und dass der 76-Jährige dies durch eine millionenschwere Schweigegeld-Zahlung zu vertuschen versucht hätte. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
WWE und McMahon-Anwalt Jerry McDevitt haben den Vorgang bestätigt, der angeblich auch kein Einzelfall sein soll. Die heiklen Offenbarungen treffen die Liga in einem Moment, in dem die Führungsetage des Milliarden-Unternehmens ohnehin mit inneren Machtkämpfen und einer uns Ungewissen gerückten Erbfolge-Frage beschäftigt ist. (WWE-Boss Vince McMahon: Sein eiskalter Aufstieg, sein Vermögen, seine Skandale)
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Vince McMahon soll anrüchiges Verhältnis vertuscht haben
Dem WSJ zufolge untersucht das Board of Directors von WWE - das Organ, das eine Mischung aus den hierzulande üblichen Gremien Vorstand und Aufsichtsrat darstellt - die Vorwürfe seit April diesen Jahres. Anonyme E-Mails einer Person, die sich als mit der Ex-Angestellten befreundet darstellt, hätten ihm ab dem 30. März die Vorwürfe und auch eine Kopie der Schweigevereinbarung übermittelt.
Die gegen McMahon vorgebrachte Anschuldigung: Der langjährige Lenker von Stars wie Hulk Hogan, Dwayne „The Rock“ Johnson, John Cena und Roman Reigns soll die 41 Jahre alte Frau 2019 für ein Jahresgehalt von 100.000 Dollar als Assistentin in der Rechtsabteilung angestellt haben - das dann verdoppelt worden sei, nachdem sie eine sexuelle Beziehung mit ihm eingegangen wäre.
In einer der Mails heiße es außerdem, dass McMahon die Frau „wie ein Spielzeug“ an den Talentdirektor und Ex-Wrestler John Laurinaitis „weitergegeben“ hätte, sie sei dann 2021 in eine Assistentenrolle für diesen versetzt worden.
Die Schweigevereinbarung soll im Januar diesen Jahres geschlossen worden sein, mit einer Einmalzahlung von einer Millionen Dollar und der Aussicht auf weitere zwei Millionen in den kommenden Jahren. Die Angestellte hätte schließlich aber gekündigt, weil sie „verängstigt“ gewesen sei.
Das WWE-Direktorium soll zudem mittlerweile auf weitere Schweigevereinbarungen mit Millionen-Volumen gestoßen sein, unter Beteiligung von sowohl McMahon als auch Laurinaitis - bekannt auch für seine Auftritte vor der WWE-Kamera und als Stiefvater der mittlerweile über WWE hinaus berühmten Zwillinge Nikki und Brie Bella.
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McMahon verstieß gegen selbst auferlegte WWE-Richtlinien
WWE hat mittlerweile mit einem Statement auf den Bericht reagiert und die wesentlichen Punkte bestätigt: Man nehme die Vorwürfe „ernst“ und „wir kooperieren vollumfänglich mit der unabhängigen Untersuchung, das unser Board of Directors eingeleitet hat“.
Die Untersuchung wird geleitet von Board-Mitglied Man Jit Singh, einem früheren Sony-Manager. Die aktiven Ermittlungen übernimmt New Yorker Anwaltskanzlei Simpson Thatcher & Bartlett, die auch „die Firmenkultur von WWE“ generell unter die Lupe nehmen soll.
McMahons Anwalt McDevitt - der McMahon auch schon in dem Steroid-Prozess Anfang der Neunziger und im Rechtsstreit um den Todessturz von Owen Hart 1999 vertreten - wird schon im Artikel mit der Klarstellung zitiert, dass die Frau „keine Missbrauchsvorwürfe“ gegen McMahon erhebe, plus dass bei den Schweigevereinbarung „kein Firmengeld“ im Spiel gewesen sei. Auch ein WWE-Sprecher betont, dass von einer „einvernehmlichen“ Sexualbeziehung die Rede sei.
Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wäre McMahons Verhalten dennoch unethisch, weil die Einvernehmlichkeit durch das Abhängigkeitsverhältnis und Machtgefälle zwischen Chef und Angestellter relativiert wird.
Der Wortlaut des öffentlich nachlesbaren „Code of Business Conduct“, den WWE sich für ein „belästigungsfreies Arbeitsumfeld“ selbst auferlegt hat, verbietet den Verantwortlichen, „die Zubilligung oder das Angebot eines Arbeitsverhältnisses als Gegenleistung für persönliche Intimität“. Eine Gehaltsverdopplung unter denselben Umständen verstößt also eindeutig gegen den Geist der eigenen Firmenrichtlinien.
Vince gab Affären zu - es gab aber auch weitergehende Vorwürfe
McMahon, der die von seinem Vater Vince Sr. gegründete Liga seit Anfang der Achtziger führt, ist nicht das erste Mal wegen seines Sexuallebens in den Schlagzeilen.
Seinen Hang zu außerehelichen Affären hatte McMahon schon 2001 in einem Interview mit dem Playboy offen eingeräumt, McMahon ist seit 1966 mit seiner früheren Geschäftspartnerin Linda McMahon verheiratet, die sich zuletzt auf eine politische Karriere im Umfeld von Ex-Präsident Donald Trump konzentriert hat.
Sein lüsternes Image hat Vince McMahon auch in seinem eigenen TV-Produkt immer wieder transportiert, es gab allerdings auch schon mehrfach Anschuldigungen, dass er es zu weit getrieben hätte, zuletzt 2006, als ihm eine Mitarbeiterin eines Sonnenstudios sexuelle Belästigung vorwarf.
Berühmter ist der Fall der früheren Ringrichterin Rita Chatterton, die McMahon 1992 in einer TV-Show der Vergewaltigung bezichtigte. McMahon sprach von einer einvernehmlichen Affäre und erhob über seine Anwälte den Gegenvorwurf der üblen Nachrede. Er behauptete, dass Chatterton sich mit dem von ihm entlassenen Skandal-Wrestler „Dr. D“ David Schultz gegen ihn verschworen hätte.
Der bekannte Wrestling-Journalist Dave Meltzer (Wrestling Observer) berichtet in zwischen in seiner aktuellen Radioshow, dass Chattertons Darstellung auch von unbeteiligten Beobachtern widersprochen worden sei. Er zitiert den 2017 verstorbenen Ex-WWE-Wrestler Tom Zenk - der kein gutes Verhältnis zu den McMahons gehabt haben soll -, dass Chatterton ihm die Situation damals anders dargestellt hätte.
Vor Gericht landeten beide Fälle nicht.
Der langjährige Wrestling-Patriarch ist trotz dieser und anderer Skandal-Vorwürfe im Lauf der Jahrzehnte innerhalb seiner Firma allmächtig geblieben. Wie die jetzige Angelegenheit für ihn ausgeht - in einer Zeit, in der WWE stärker im Licht der Medienöffentlichkeit und in Abhängigkeitsverhältnissen mit großen Geschäftspartnern steht -, ist schwerer abzusehen.
Sicher ist: McMahon könnte nur unter Druck gesetzt werden, selbst abzudanken, in seiner börsennotierten Firma gibt es keine Abwahlmechanismen.
Kronprinz Triple H wurde 2021 entmachtet
Spannend ist auch, wie sich die Offenbarung von McMahons anrüchigem Verhalten auf die inneren Machtkämpfe und die inneren Macht- und offenen Zukunftsfragen der Firma auswirkt: In den vergangenen beiden Jahren hat Vince seinen eigentlich als sicher geltenden Entschluss revidiert, WWE in die Hände seiner Tochter Stephanie und ihres Ehemanns „Triple H“ Paul Levesque zu legen.
Kronprinz Levesque wurde im vergangenen Jahr schrittweise entmachtet (unter anderem zu Gunsten von Laurinaitis, der Teile seines Aufgabengebiets übernahm), ein Prozess, der noch vor seinen schweren Herzproblemen im Sommer begann. Nach Einschätzung von Branchenbeobachtern zog Vince McMahon damit die Konsequenz daraus, dass Levesque die intern an ihn vergebene Mission nicht erfüllt hat, den aufstrebenden Konkurrenten AEW kleinzuhalten.
Erst vor kurzem sorgte auch der Umgang mit Stephanie für Aufsehen, die im vergangenen Monat - nach Beginn der internen Untersuchung - eine Auszeit aus familiären Gründen angekündigt hat.
Erst kürzlich Wirbel um Tochter Stephanie McMahon
Anfang des Monats stellte ein Bericht des Business Insider die Auszeit unter Berufung auf hochrangige Firmeninsider stattdessen als unfreiwilligen Abgang dar - mehrere mit den Vorgängen vertraute Medien berichten inzwischen, dass das falsch sei und der Bericht eine offensichtliche Intrige aus dem WWE-Inneren gegen Stephanie.
Gewiss ist: McMahons Erbengeneration verliert bei WWE an Einfluss, Vince selbst nahm die Fäden wieder verstärkt in die Hand, dazu gewann zuletzt der familienexterne Firmenpräsident Nick Khan an Macht - ehemaliger Sportmedienagent und profiliert als Verhandler milliardenschwerer TV- und Streaming-Verträge. Nicht zuletzt Khans Rolle bei WWE hat zuletzt Spekulationen über einen Verkauf von WWE an einen großen Medienkonzern immer lauter werden lassen.
Vor all diesen Hintergründen ist die interne Untersuchung gegen Vince und ihre Öffentlichwerdung nun auf vielen Ebenen brisant.
Im Board of Directors, das den Fall nun untersucht, sitzen sowohl Khan als auch immer noch Levesque und Stephanie. Weil letztere persönlich befangen sind, sind sie bei der Untersuchung offiziell allerdings ebenso außen vor wie der Vorsitzende des Gremiums: Vincent Kennedy McMahon.