Das größte WWE-Wochenende des Jahres steht an - und ein deutsch-italienisches Duo spielt eine nicht unwesentliche Rolle dabei.
WWE-Aufreger: Duo bricht Schweigen
Der deutsche Wrestler Marcel Barthel und Fabian Aichner aus Südtirol sind amtierende Champions im NXT-Kader der weltgrößten Wrestling-Liga. Im Vorprogramm der Megashow WrestleMania 38 in Dallas bestreiten die beiden ihr größtes Match seit langem. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
Am frühen Samstagabend deutscher Zeit setzen die beiden Mitglieder der Gruppierung Imperium ihre Titel im American Airlines Center aufs Spiel - wo einst Dirk Nowitzki mit den Dallas Mavericks in der NBA auf Korbjagd ging.
Bei der Spezialveranstaltung „NXT Stand and Deliver 2022″ treffen der 31 Jahre alte Pinneberger Barthel und sein gleichaltiger Partner Aichner auf das Highflyer-Duo MSK und die Creed Brothers, die als kommende Stars hoch gehandelt werden - wobei auch Barthel und Aichner an der Seite des österreichischen Schwergewichts-Phänomens Gunther (ehemals: WALTER) eine vielversprechende Zukunft bei den Hauptshows RAW und SmackDown winkt.
Im SPORT1-Interview sprechen Barthel und Aichner über den Kampf - und reden auch erstmals über den großen Wirbel um den kontroversen Namenswechsel ihres Partners. Dazu geht es um ihren persönlichen Bezug zu der verstorbenen Legende „Razor Ramon“ Scott Hall, Barthels Wunsch nach etwas mehr Unterstützung aus der deutschen Heimat - und warum er glaubt, dass auch die Fußball-Nationalmannschaft bald wieder einen Titel bejubeln darf.
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SPORT1: Marcel Barthel, die Vorfreude auf WrestleMania 38 ist vor zwei Wochen getrübt worden durch den tragischen Tod der WWE-Legende „Razor Ramon“ Scott Hall. Sie hatten einen persönlichen Bezug zu ihm, nicht wahr?
Marcel Barthel: Ja, mein Vater Axel Dieter hat zu seiner Zeit noch gegen ihn gerungen, als er vor seiner WWE-Zeit in Deutschland aktiv war. Meine Mutter hat damals Scott Halls Frau ins Krankenhaus gefahren, weil sie ihr Kind in Deutschland bekommen hat. Sie kannten sich also, recht gut sogar. Vor einigen Jahren war Scott im WWE Performance Center in Orlando, und da haben wir auch darüber geredet. Er war immer supernett und cool - und eine Rieseninspiration.
SPORT1: Wie hat er Sie als Wrestler beeinflusst?
Barthel: Ich fand Razor Ramon schon immer unendlich cool. Er war wirklich der „Bad Guy“, strahlte das aus, was ich mit dem verbinde, was ich schon immer machen wollte. So Leute wie Mr. Perfect - leider ja auch früh verstorben - und Razor Ramon, das waren meine Helden. Wenn man sich alte Fotos von Scott anschaut: Er hatte alles. Was für ein großer, gutaussehender und charismatischer Mann. Wahrscheinlich einer der Besten, die es jemals gemacht haben und nie einen World-Titel gehalten haben - und im realen Leben ein entspannter, cooler und netter Kerl.
Fabian Aichner: Absolut. Immer, wenn wir persönlich mit ihm reden konnten, war er korrekt und hat uns weitergeholfen. Und als Wrestler: Wenn ich an WrestleMania 10 denke, das Leitermatch gegen Shawn Michaels: pure Gänsehaut!
Barthel: Es bricht mir das Herz, dass Scott nicht mehr unter uns ist. Er ist oben im großen Turnier, in dem wir alle mal antreten müssen. Der Himmel hat einen ganz großen Superstar bekommen.
SPORT1: Fabian Aichner, Ihr Partner hat bei uns seine besondere Geschichte als Sohn des deutschen Profiringer-Pioniers Axel Dieter schon ausführlich erzählt. Wie war das bei Ihnen? Wer hat Ihren Weg als Wrestler geprägt?
Aichner: Also an erster Stelle, als ich aufgewachsen bin, lagen Shawn Michaels und Kurt Angle - und sie sind auch bis heute meine Nummer 1 geblieben. Gemeinsam, ich kann mich nie für einen alleine entscheiden (lacht). Angefangen hat aber alles mit Brock Lesnar, dem Undertaker und Big Show. Das waren die ersten Wrestler, die ich je gesehen habe. Ich hab beim Fernsehen durch die Kanäle geschaltet und bin auf einen Kampf der drei gestoßen, die letzten fünf Minuten bei SmackDown, im Sommer 2003. Das war für mich das Coolste, was ich je gesehen hatte.
Kurz danach habe ich dann die DVD von Rey Mysterio gesehen, die damals als TV-Special in Deutschland ausgestrahlt wurde. Als ich seine Geschichte gesehen habe, wie er angefangen hat zu trainieren, das hat den Funken in mir entfacht.
Wissenswertes zum Thema Wrestling:
SPORT1: Aus der Heimat Südtirol hat es Sie dann nach Nürnberg verschlagen, in die Schule von Alex Wright, dem größten deutschen Wrestling-Star der Neunziger beim damaligen WWE-Rivalen WCW. Ein weiter Weg ...
Aichner: Ich habe versucht, eine gute Wrestlingschule zu finden - und die sind in Italien ein bisschen dünn gesät. Ich bin nach dieser Erkenntnis recht zufällig auf die Internetseite der Wrestlingschule von Alex Wright gestoßen, habe ihn angeschrieben - und er hat gesagt, dass ich kommen soll. Alex war immer super zu mir und hat mir super Tipps gegeben - sei es beim Verhalten im Ring oder außerhalb. Wir hatten eine sehr gute Beziehung zueinander. Er hat mir sehr oft weitergeholfen. Ich bin ihm sehr dankbar. Ich glaube, es war die richtige Entscheidung, wenn man zurückblickt und denkt: Ich würde alles noch einmal genauso machen. Jetzt aber sind wir hier: Marcel und ich, zusammen mit Gunther, wir rocken das Ding. Alles geht in die richtige Richtung.
SPORT1: Gunther hieß bis vor kurzem WALTER, um den Namenswechsel gab es massive Irritationen - weil WWE ursprünglich ein Trademark auf einen Namen angemeldet hatte, der auch der eines U-Boot-Kommandanten aus der Nazi-Zeit war, aber auch generell, weil der Name WALTER schon vielen Fans am Herzen lag. Hat ihm der Namenswechsel da nicht geschadet?
Barthel: Ich glaube, dass die ganze Namensthematik nicht den Mann an sich definiert. Eine der größten Stärken von Walter (bürgerlich: Walter Hahn, d. Red.) war es schon immer, dass man ganz genau weiß, was man von einem Match mit ihm zu erwarten hat und das liefert er jedesmal ab. Das Thema bewegt die Fans erstmal sehr, aber in zwei bis drei Jahren wird niemand mehr darüber sprechen, unter welchem Namen Walter seine großartigen Performances auf die Beine stellt. Es hat alles seine Gründe und das ist auch gut so. Sicher ist: Imperium wird weiter sein, was Imperium ist. Wir stehen für die gleichen Sachen, für die wir immer gestanden haben und es ist dabei vollkommen egal, ob ich anders heiße, er anders heißt oder wir alle anders heißen. What you see is what you get.
Aichner: Ich kann‘s nicht besser ausdrücken.
SPORT1: Im Vergleich zu Ihrer ersten Titelregentschaft bei WWE fallen einige Unterschiede auf, vor allem auch Ihre körperliche Weiterentwicklung ...
Aichner: Marcel und ich haben wirklich sehr viel Arbeit reingesteckt, im Ring und außerhalb. Das tun andere auch, aber im letzten Jahr haben wir es auf eine neue Ebene hochgeschraubt. Es war nicht immer einfach, bei weitem nicht. Aber wir haben auf die Zähne gebissen, uns gegenseitig gepusht und haben an uns selbst geglaubt. Natürlich ist der erste Titelgewinn immer etwas Besonderes, aber der Zweite hat sich wirklich wie eine Belohnung angefühlt. Wir haben es verdient und es hat sich richtig gut angefühlt, als es passiert ist.
Barthel: Man hat auch gemerkt, dass die Leute vor Ort in Orlando uns das auch wirklich gegönnt haben. Die kennen uns jetzt seit einigen Jahren, haben all unsere Höhen und Tiefen gesehen und ich glaube, dass die Leute sich - unabhängig von dem, was wir darstellen - von Herzen für uns gefreut haben. Die Standing Ovations, die Rufe „You deserve it“: Das war eine schöne Belohnung für die Arbeit, die hinter dem Moment steckte. Und es war sehr viel Arbeit und ist es auch jetzt noch. Ich würde sagen, wir outworken jeden Einzelnen, den ich kenne und von dem ich das beurteilen kann. Den Titelgewinn haben wir uns mehr als verdient.
Mich freut auch, dass wir etwas beitragen zu einer Tag-Team-Division, die bei WWE allgemein und bei NXT speziell gerade wieder aufblüht. Unsere Gegner bei Stand & Deliver zum Beispiel: Die Creed Brothers sind absolut krasse Athleten. Von MSK sind wir nicht die größten Fans, aber auch sie haben viel zu bieten - und werden bei Stand & Deliver ihre Packung bekommen. Wir haben bei NXT starke Konkurrenz, aber ich bin ich sehr guter Dinge, dass wir weiterhin ein Stück besser sind und härter arbeiten als die anderen - und dass wir die Titel deswegen auch erfolgreich verteidigen können werden.
SPORT1: Nach den Abgängen von Alexander Wolfe / Axel Tischer Jahr und nun von Cesaro, sind Sie und Gunther die letzte deutschsprachige Bastion unter den WWE-Stars in Übersee. Bedeutet Ihnen das etwas?
Marcel Barthel: Ja, das ist schon etwas Besonderes, wenn man darüber nachdenkt. Im Alltag beschäftigt es einen nicht so sehr - wir haben so viel Leute aus so vielen verschiedenen Teilen der Erde und wir drei sind sehr fokussiert auf das, was wir machen. Mein persönlicher Antrieb ist auch immer eher gewesen: Ich mache das für mich, für meinen Vater und für das, wofür ich persönlich stehe. Aber meine Heimatliebe spielt schon auch eine Rolle. Es ist schön, Feedback von zu Hause zu bekommen - gerade auch von Leuten, die nicht gedacht hätten, in welche Richtung sich das noch entwickeln würde. Und es ist für mich schon auch irgendwo krass, hier der einzige Deutsche zu sein und das Land, in dem meine Familie und meine Freunde leben, so zu repräsentieren wie wir das gerade tun. Sehr gut und auf sehr hohem Niveau, würde ich schon mal sagen. Das macht mich schon stolz und berührt mich auch ein bisschen.
SPORT1: Wie ist denn im Vergleich dazu die Wahrnehmung in Italien?
Aichner: Also speziell, als wir jetzt zum zweiten Mal den Titel gewonnen haben, da waren die Italiener schon sehr stolz. Ich habe wirklich den Eindruck bekommen, dass das viele Menschen dort nochmal ein bisschen glücklicher gemacht hat, ein paar Monate nach dem Gewinn der Fußball-EM.
SPORT1: Es hat größere Wellen geschlagen?
Aichner: Ja, das Ausmaß hat mich - ich würde nicht sagen überrascht - aber doch ein bisschen überwältigt. Ich weiß ja, die Italiener sind sehr patriotisch und sie sind stolz, dass es einer von ihnen schafft. Deswegen bin ich froh und stolz, derjenige zu sein, als erster Wrestler nach Bruno Sammartino, der wirklich aus Italien kommt, bei WWE einen Titel zu halten und das Land zu repräsentieren - und das Erbe von Bruno Sammartino, der in der Geschichte von WWE ja eine sehr große Rolle gespielt hat.
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Barthel: Ich muss da übrigens auch sagen, dass ich ein bisschen neidisch drauf bin, wie leidenschaftlich die Italiener Fabian feiern und was er geschafft hat. Deutschland ist da leider immer ein bisschen am Zweifeln. Das ist ein wenig die deutsche Mentalität. Immer erst zweifeln. Dann muss man es beweisen und dann noch 20 Mal. Danach sagen sie: Ja, aber du bist doch erst da und du musst doch noch dies. In Italien wird das abgefeiert, das ist einfach richtig verrückt. Ich finde das so geil. Die feiern das, weil es einer von Ihnen geschafft hat, während die Deutschen eher sagen: Ja gut, da wollen wir mal schauen. Da würde ich mir mehr Unterstützung aus Deutschland wünschen.
Barthel: Nicht falsch verstehen: Natürlich sind wir froh über unsere Fans hier und die ein bis zwei Medien, in denen sich wiederfindet, was wir tun - SPORT1 ist darunter. Aber alles in allem würde ich mir ein bisschen mehr Herzblut und ein bisschen mehr Feuer aus Deutschland wünschen.
SPORT1: Wo wir gerade beim Thema sind: Wie sieht Ihr Verhältnis aus, wenn ein wichtiges Fußballspiel zwischen Italien und Deutschland stattfindet?
Barthel: Jetzt erzähl mal, Fabi. Da bin ich gespannt.
Aichner: Wir schauen die Spiele natürlich gerne zusammen, jeder fiebert mit seinem Land und wir haben dabei eine freundliche Rivalität. Es ist lustig.
Barthel: Ich muss an der Stelle auch ehrlich sagen, dass ich schon nach dem ersten Spiel der EM wusste, dass Italien das Turnier gewinnt.
Aichner: Stimmt, das hast du damals schon gesagt.
Barthel: Italien hatte einfach ein anderes Level. Bei aller Heimatliebe hat man ja trotzdem ein Auge dafür, wer objektiv besser ist und das war im Fußball einfach nicht unser Jahr. Ich bin jetzt mit Hansi Flick aber sehr guter Hoffnung und sage es hier offiziell: Mit Hansi Flick holen wir einen Titel. Hundert Prozent!