Trauer um eine wegweisende Figur der modernen Wrestling-Geschichte: WWE Hall of Famer Scott Hall, bekannt geworden als Razor Ramon, ist tot.
WWE-Ikone tot: Hulk Hogan trauert
WWE bestätigte die Nachricht in der Nacht zu Beginn der TV-Show Monday Night RAW, die im Zeichen von Hall stand: Unter anderem eröffnete Kevin Owens sie als Tribut mit den Worten „Hey yo“, einst Halls Markenzeichen. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
Hall, der 63 Jahre alt geworden war, war nach einer Serie von drei Herzinfarkten an lebensverlängernde Maßnahmen angeschlossen. Er hatte bei einer Hüft-OP in Marietta, Georgia lebensgefährliche Komplikationen mit einem Blutgerinnsel erlitten.
Kevin „Diesel“ Nash, WWE- und WCW-Weggefährte und guter Freund Halls, hatte schon in der Nacht zuvor berichtet, dass Hall nur noch am Leben erhalten werde, damit sich seine Familie von ihm verabschieden könne.
„Ich werde den einen Menschen auf diesem Planeten verlieren, mit dem ich mehr Zeit verbracht habe als mit jedem anderen“, schrieb der auch als Schauspieler („Magic Mike“) bekannte Nash - mit Hall und Hulk Hogan Gründungsmitglied der legendären New World Order (nWo): „Mein Herz ist gebrochen und ich bin so very fucking sad.“ („Diesel“ Kevin Nash: Das wurde aus der WWE-Legende)
- Lernt WWE nichts aus dem, was AEW vormacht? Heelturn - der SPORT1 Wrestling Podcast - die aktuelle Folge auf SPORT1, Spotify, Apple Podcasts, Podigee und überall, wo es Podcasts gibt
Hogan postete nach Halls Tod ein Facebook-Video eines öffentlichen Auftritts vor Fans, in dem er Hall würdigte - und ihm „die Wiedergeburt meiner Karriere“ zuschrieb. Hall hätte „Schwächen“ gehabt, sei aber ein guter Mensch gewesen, sein Einfluss auf das Wrestling sei unermesslich gewesen.
Scott Hall galt als neuer Hulk Hogan
Hall, der als Soldatensohn einen Teil seiner Kindheit in München verbracht hatte, begann in den achtziger Jahren eine Showkampf-Karriere mit zahlreichen ikonischen Momenten - in denen sich seine Wege mit zahlreichen anderen Legenden kreuzten, schon vor seinem großen Durchbruch.
1990 etwa stand Hall als „Texas Scott“ in der deutsch-österreichischen CWA im Ring mit dem berühmten Catcher, Telefonbuch-Zerreißer und Lebenskünstler „Big“ Otto Wanz, im selben Jahr bei NJPW in Japan mit einem gewissen Punisher Dice Morgan - aus dem später der Undertaker werden sollte.
Hall begann seine Karriere als American Starship Coyote (aus Partner Starship Eagle alias Danny Spivey wurde später der Psycho-Charakter Waylon Mercy, das Vorbild Bray Wyatts). Nachdem er sich seine ersten Sporen verdient hatte, wurde ihm früh das Potenzial zum absoluten Topstar attestiert: Die Liga AWA, bei der Hall zwischen 1985 und 1989 aktiv war, wollte Hall als Nachfolger Hulk Hogans aufbauen - den sie zuvor an die WWF verloren hatten, wo der dann seine Weltkarriere gestartet hatte.
Bei WWE berühmt geworden als Razor Ramon
Die Fußstapfen waren damals noch zu groß für Hall, sein erstes großes Hoch hatte er stattdessen ab 1992 in der früheren WWF als „Bad Guy“ Razor Ramon, eine Hommage an die Al Pacinos Charakter Tony Montana aus „Scarface“: Hall spielte einen zwielichtigen Exilkubaner mit Schmalzlocke und Zahnstocher. Sein damaliges Theme mit den quietschenden Cadillac-Reifen als Intro ist Legende.
Der charismatische 2,01-Meter-Hüne bestritt große Matches mit „Macho Man“ Randy Savage, Ric Flair, Bret Hart, „Mr. Perfect“ Curt Hennig und vielen anderen Stars. Mit dem schon 2003 früh verstorbenen Altersgenossen Hennig als Tag-Team-Partner hatte Hall bei AWA auch seinen ersten größeren Titel gewonnen. (Das tragische zweite Leben des Bret „Hitman“ Hart)
- Folgen Sie den SPORT1-Wrestlingexperten Martin Hoffmann (@Wrestlerzaehler) und Marcus Hinselmann (@heelturnmarcus) auf Twitter
Seine wohl berühmtesten Momente damals waren die Überraschungs-Niederlage gegen den als No-Name verkaufen 1-2-3 Kid (Sean Waltman, später: Syxx, X-Pac) und seine Fehde mit dem Shawn Michaels. Ihre beiden großen Leitermatches um den Intercontinental Title bei WrestleMania X 1994 und beim SummerSlam 1995 popularisierten die spektakuläre Matchart, die heute bei WWE und Co. zum Standardrepertoire gehört.
Waltman und Michaels waren wie Nash im wahren Leben gute Freunde Halls, die „Kliq“, die sie hinter den Kulissen mit dem jungen Triple H bildeten (der sich gerade selbst von schweren Herzproblemen erholt), war als mächtiger Freundeskreis berühmt und berüchtigt.
Scott Hall litt lange unter Sucht- und psychischen Problemen
Geschichte schrieb Hall dann 1996 mit seinem Wechsel zu WCW, wo er zusammen mit Nash und Hulk Hogan die revolutionäre nWo (New World Order) bergründete. Hall ist nun nach „Mean“ Gene Okerlund, King Kong Bundy, „Zeus“ Tiny Lister Jr. und Paul Orndorff der fünfte berühmte Wegbegleiter Hogans, den dieser seit 2019 verloren hat.
Halls Karriere war speziell gegen Ende überschattet von seiner langjährigen Alkoholsucht, die ihm schon lange größere gesundheitliche Schwierigkeiten bereitet hatte. Schon vor Jahren bangte Hall deswegen um sein Leben, eine umfassende und von Hall immer wieder als enorm hilfreich bezeichnete Therapie bei dem zum Yoga- und Gesundheits-Guru gewordenen Ex-WCW-Kollegen Diamond Dallas Page gilt als wesentlicher Grund, dass Hall noch verhältnismäßig lang gelebt hatte.
Auch psychisch litt Hall lange unter großen Problemen, für Aufsehen sorgte 2011 in diesem Zusammenhang auch die Enthüllung, dass Hall vor seiner Wrestling-Karriere einen Menschen getötet hatte.
Hall wurde 1983 wegen Totschlags angeklagt, weil er infolge einer tätlichen Auseinandersetzung vor einem Nachtclub einen Mann erschossen hatte. Das Verfahren wurde aus Mangel an Beweisen eingestellt, sicher geklärt ist nur, dass Hall dem Mann die eigene Waffe abgenommen und abgedrückt hatte - aus Notwehr, wie er sagt.
Hall erfand auch das „Crow“-Gimmick von Sting
Weder bei WWE noch in einer anderen großen Liga hielt Hall je den World Title, hielt bei WWE aber viermal den damals größer als heute präsentierten Intercontinental-Titel, bei WCW war er neunmal Tag Team Champion, meistens an der Seite von Nash, mit dem er das Duo The Outsiders formte.
Der für sein tiefes Verständnis der Branche bekannte Hall verewigte sich auch mit kreativen Ideen für andere: Hall war der Schöpfer des an den Film „The Crow“ angelehnten Mystery-Charakters des damaligen WCW-Kollegen Sting - mit dem dieser bei WWE-Konkurrent AEW bis heute aktiv und erfolgreich ist.
2014 zog Hall in die WWE Hall of Fame ein, 2020 noch einmal als Teil der nWo. In zahlreichen Nachrufen wird - unter anderem auch von Hogan - vor allem ein berühmter und im Moment besonders bittersüßer Satz Halls zitiert: „Bad times don‘t last, but bad guys do.“
Böse Zeiten gehen vorbei, böse Jungs bleiben.