Bret „The Hitman“ Hart, „Heartbreak Kid“ Shawn Michaels, der Undertaker: Die drei anderen Stars, die vor 25 Jahren bei WWE als Champions regierten, sind als Legenden und Hall of Famer in bleibender Erinnerung.
Der finstere Makel einer WWE-Legende
Der vierte Mann, der im wegweisenden Jahr 1997 an der Spitze der damaligen WWF thronte, fällt da im Vergleich etwas ab - wenngleich auch er eine denkwürdige Erscheinung war. (Montreal Screwjob 1997: Wie Bret Harts Skandal-Abgang den Lauf der WWE-Geschichte änderte)
Sid Eudy - besser bekannt als Sid Justice, Sid Vicious und Psycho/Sycho Sid - hatte in den Neunzigern eine erfolgreiche Karriere als Champion sowohl bei WWE als auch beim damaligen Rivalen WCW.
Im Gedächtnis ist der 61-Jährige, der heute vor 25 Jahren seinen zweiten WWE-Titel gewann, aber auch aus unschönen Gründen: Wegen des Horror-Unfalls, der 2001 seine Karriere auf großer Bühne beendete. Und wegen eines düsteren Backstage-Skandals, der seinen Ruf nachhaltig beschädigte.
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1992 WrestleMania-Gegner von Hulk Hogan
Der aus West Memphis im US-Bundestaat Arkansas stammende 2,06-Meter-Mann war im Jahr 1987 durch eine Begegnung mit der 2011 verstorbenen WWE-Ikone „Macho Man“ Randy Savage zum Wrestling gebracht worden.
Seine beeindruckende Statur und sein Charisma bescherten ihm eine recht steile Karriere, die ihm innerhalb weniger Jahre eine prominente Rolle auf großer Bühne verschafften: Bei WCW war er ab 1990 Mitglied der „Four Horsemen“ um Ric Flair, in der WWF forderte er als Sid Justice 1992 im Hauptkampf von WrestleMania VIII Hulk Hogan heraus. (Die traurigen Schicksale der Four Horsemen)
Danach war eigentlich eine Fehde gegen den am Ende der Show zurückkehrenden Ultimate Warrior geplant, stattdessen verließ Sid die Liga von Vince McMahon kurz darauf im Streit.
Wie der Wrestling Observer vermeldete, war Sid schon vor dem Kampf gegen Hogan durch einen Drogentest gefallen - und hatte gekündigt, als er seine Suspendierung danach hätte antreten sollen.
Sid war zweimal WWE-Champion
Nach Zwischenspielen bei WCW und der regionalen USWA folgte 1995 ein zweites WWE-Engagement und sein Karriere-Höhepunkt.
Ursprünglich als böser Gegenspieler für den damaligen Champion Diesel (Kevin Nash) präsentiert, entwickelte sich ein gewisser Kult um die psychopathischen Auftritte des Hünen, der Sid selbst in die Rolle des Publikumslieblings und zu höheren Weihen trug.
Bei den Survivor Series 1996 gewann Sid im New Yorker Madison Square Garden seinen ersten World Title gegen Michaels. Obwohl er in dem Match als unfairer „Heel“ positioniert wurde, wurde er frenetisch bejubelt vom New Yorker Publikum, das sich gegen den damals umstrittenen Michaels wandte - gegen Hogan vier Jahre zuvor war die Konstellation ähnlich gewesen.
Michaels gewann den Titel zurück, gab den Titel dann aber mit seiner berühmt-berüchtigten „I‘ve-lost-my-Smile“-Tränenrede zurück. Sid kam mit einem Sieg über Hart ein zweites Mal als Champion zum Zuge, ein (verlorener) zweiter WrestleMania-Hauptkampf gegen den Undertaker krönte seine erfolgreichste WWE-Zeit.
Horror-Beinbruch 2001 beendete Karriere auf großer Bühne
Nach einem Abgang aus Verletzungsgründen tauchte Sid als Sid Vicious (ein Tribut an den jung verstorbenen Sex-Pistols-Bassisten) im Sommer 1999 beim Konkurrenten WCW wieder auf. Nach einer Startschuss-Fehde gegen Bill Goldberg hielt er auch dort noch zweimal den World Title.
Sein Engagement endete im Januar 2001 unter dramatischen Umständen: In einem Titel-Vierkampf gegen Scott Steiner, Jeff Jarrett und Road Warrior Animal beim Pay Per View Sin landete Sid bei einem missglückten Flugmanöver mit vollem Körpergewicht auf dem linken Bein, die Folge war ein offener Horror-Bruch.
In einer zweistündigen OP wurde Sid eine 43 Zentimeter lange Metallstange implantiert. Während er sich von der Verletzung erholte, stellte die heruntergewirtschaftete WCW ihren Betrieb ein.
Einige Jahre später feierte Sid noch einmal ein Comeback in kleineren Ligen, das WWE-Comeback, auf das er nach eigenen Angaben hinarbeitete, materialisierte sich jedoch nie. Es kam nur noch zu zwei Cameo-Auftritten 2012, in denen er Undercarder Heath Slater abfertigte, der sich damals mit diversen WWE-Altstars anlegte.
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Der ewige Schatten über Sid ist ein Skandal, in dem er 1993 hinter den Kulissen von WCW die Hauptrolle spielte.
Sid hätte Arn Anderson 1993 fast mit Schere getötet
Während einer England-Tour kam es bei einem Bar- und Hotelaufenthalt in Blackburn zu einem handgreiflichen Streit mit dem ehemaligen Horsemen-Kollegen Arn Anderson, der unter Alkoholeinfluss auf lebensgefährliche Weise eskalierte: Die beiden stachen am Ende mit einer Schere gegenseitig aufeinander ein, Sid bekam vier Stiche ab, Anderson 20. Ein Eingriff von Wrestlerkollege Charles Skaggs (2 Cold Scorpio) gegen den am Ende völlig durchdrehenden Sid könnte Anderson das Leben gerettet haben.
Sowohl Anderson als auch Sid mussten ins Krankenhaus, der tätliche Eklat, der dunkle Erinnerungen an den Mord an Ikone Bruiser Brody wenige Jahre zuvor weckte, hatte Folgen.
Sid, der eigentlich schon damals World Champion hätte werden sollen, wurde stattdessen gefeuert, auch wegen einer Kabinen-Rebellion der Wrestler-Kollegen, die das Management aufforderten, Konsequenzen gegen ihn zu ziehen.
Sid wurde als größerer Aggressor wahrgenommen, körperlich wie verbal: Er reizte Anderson (der mit einer Suspendierung davonkam) mit prahlerischem Eigenlob und Beleidigungen auch gegen dessen guten Freund Ric Flair. Auch nach Sids eigener Darstellung eskalierte der Streit, als er Anderson entgegenwarf, dass Flair in den Ruhestand gehen sollte (Flairs Karriere ging danach noch 18 Jahre weiter).
Skandal verblasste zur Anekdote
In der heutigen Zeit, in der WWE stärker das Licht der Mainstream-Öffentlichkeit sucht, wäre Sids Karriere nach dem unglaublichen Vorfall womöglich beendet gewesen und hätte ihre Blüte nie erreicht.
Damals engagierte WWE ihn allerdings nach etwas Schamfrist wieder, der Skandal verblasste mit den Jahren zur Anekdote, der später im WCW-TV mehrfach als Insider-Anspielung in Sids Fehden verwendet wurde.
Seit 2017 ist Sids Ringkarriere endgültig vorbei, im Fokus stehen für ihn nun seine lebenslange Leidenschaft für den Softball und seine Familie: Seit bald 40 Jahren ist er mit Ehefrau Sabrina verheiratet, seine beiden Söhne sind ihm ins Unterhaltungsgeschäft gefolgt.
Der jüngere Sohn Gunnar Eudy ist mit bislang weniger großem Erfolg selbst Wrestler geworden, der Erstgeborene Frank war in den USA Teilnehmer an zwei Big-Brother-Staffeln.