Der WWE-Neustart des bald womöglich größten deutschsprachigen Wrestling-Stars der Welt war heiß erwartet worden - doch anhaltender Ärger um seinen neuen Namen überschattet den Karriere-Sprung.
Ärger um deutschsprachige WWE-Stars: Neue Details
Das österreichische Ring-Phänomen, das bislang WALTER hieß, hatte die Fans bei der Dienstagsshow NXT mit einem Namenswechsel überrascht, die meisten von ihnen böse.
Nach seinem Match gegen Roderick Strong unterbrach der 34 Jahre alte Wiener die Bekanntgabe seines erwarteten Sieges mit einem auf Deutsch vorgetragenen „Nein“ und gab bekannt, dass er nun „Gunther“ heiße. Es folgte eine Prügelei zwischen seiner deutschsprachigen Gruppierung Imperium (Marcel Barthel und Fabian Aichner) und Strongs Diamond Mine. Inzwischen hat WWE den Wechsel von WALTER zu „Gunther“ auch auf ihrer Homepage offiziell gemacht. (Dieses persönliche Drama hat WWE-Star Roderick Strong lang verheimlicht)
Nicht nur große Teile der deutschsprachigen Fanszene zeigte sich geschockt über die Veränderung, die sich schon durch eine brisante Enthüllung am Vortag angedeutet hatte, die jede Menge Wirbel erzeugte - und um die es mittlerweile eine neue Wende gibt.
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WALTER wird Gunther - war „Gunther Stark“ der eigentliche Plan?
Das Fachmedium Pro Wrestling Insider hatte am frühen Dienstagmorgen amerikanischer Zeit vermeldet, dass WWE den Namen „Gunther Stark“ bei der US-Patentbehörde USPTO als Trademark angemeldet hatte.
Der öffentlich dokumentierte Vorgang sorgte in der Szene umgehend für Wirbel - nicht nur wegen der schnell aufgekommenen Mutmaßung, dass der Name für WALTER gedacht war.
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Gunther Stark war der Name eines deutschen U-Boot-Kommandanten, der dem Nazi-Regime diente und im 2. Weltkrieg kämpfte und starb.
WWE korrigiert Fauxpas um Kommandeur aus Nazi-Ära
Der am 1. Februar 1917 in Ostpreußen geborene Stark war 1936 in die Kriegsmarine - die Seestreitkräfte der deutschen Wehrmacht - eingetreten und zum Kommandanten des Untersee-Kriegsschiffs U 740 aufgestiegen, das am 6. Juni 1944 zwischen Biscaya und Ärmelkanal verschwand und mutmaßlich unterging.
Starks Vita ist der breiten Öffentlichkeit zwar eher nicht geläufig, aber in der Fachwelt bekannt und im World Wide Web auch für Laien leicht zugänglich. Unter Wrestling-Fans und -Medien machte die Information schnell die Runde, mit kritischen Fragen, ob WWE die Brisanz der Trademark-Anmeldung übersehen oder gar mit Absicht die Nazi-Kontroverse gesucht hätte.
Wie unter diesen Umständen zu erwarten war, erblickt „Gunther Stark“ dann doch nicht das Licht der WWE-Welt. Der Mann, der bürgerlich Walter Hahn heißt, stellte sich stattdessen als weiterhin nachnamenloser „Gunther“ vor - auch die Umgestaltung seines Online-Profils kam ohne „Stark“ aus. Am Donnerstag entdeckte der Insider nun, dass WWE den Trademark-Antrag zurückgezogen hat.
Kritik wegen Social-Media-Posts
Vorausgegangen war Kritik auch an den beteiligten Wrestlern: Dem früheren WALTER wurde ein Social-Media-Post vom 10. Januar vorgehalten, indem er den Ringeinzug von Imperium doppeldeutig als „EINMARSCH“ titulierte. Das deutsche Magazin und Webportal Power Wrestling berichtete auch von einem mittlerweile gelöschten Social-Media-Beitrag Barthels mit den Worten „Imperium over everything“ - der wie eine Anspielung auf die durch ihren Gebrauch in der Nazi-Zeit diskreditierte erste Strophe des Deutschlandlieds erschien (“Deutschland, Deutschland über alles“). Auch internationale Medien wie Sports Illustrated griffen die Kritik auf.
Böse Absicht oder eine unglückliche Verkettung von Fettnäpfchen? Zu wissen ist: Das allgegenwärtige Motiv des martialischen „Bösen Deutschen“ spielte bei der Imperium-Gruppierung zwar stets eine Rolle. Alle Beteiligten eint jedoch - zum Teil auch aus persönlich-familiären Gründen - die Grundüberzeugung, dass Grenzen gewahrt werden müssen.
Das frühere Imperium-Mitglied Alexander Wolfe sagte etwa 2017 in einer Medienrunde, dass er „niemals“ einen Nazi-Charakter spielen würde und einen solchen Vorschlag auch definitiv ablehnen würde. SPORT1 weiß: Die Einstellung aller verbliebenen Mitglieder der deutschsprachigen Gruppierung ist dieselbe.
Die Charakterzeichnung von Imperium schien sich zuletzt eigentlich auch eher etwas wegzubewegen von den militaristischen Elementen: Barthel, Aichner und der ehemalige WALTER wurden zuletzt eher als modisch gekleidete Dressmen gezeichnet, die ihre „Klasse, Eleganz und Kultiviertheit“ betonten.
Umstrittene Namenswechsel bei WWE: Kein neues Phänomen
Auch jenseits der Kontroverse um den NS-Zeit-Fauxpas war das Fan-Entsetzen über den Namenswechsel. Der Name WALTER - die Großbuchstaben sind ein speziell in der Showkampf-Hochburg Japan übliches Stilmittel - war vielen lieb und teuer durch die Weltkarriere, die Hahn schon außerhalb von WWE und auch in deren Europakader NXT UK damit hingelegt hatte. (Marcel Barthel enthüllt im SPORT1-Interview neue Hintergründe zu Imperium)
Das Vorgehen von WWE - für das es mittlerweile auch Spott von Konkurrent AEW gesetzt hat - ist dabei nicht neu. Meistens ist die Erklärung die, dass die Promotion von Vince McMahon in der Regel lieber eigene Marken kreiert, auf die sie dann vermarktungsrechtlich vollen Zugriff haben und die Gewissheit, dass keine andere Liga mit ihr Geld verdient - was bei WALTER nicht der Fall gewesen wäre.
Namenswechsel dieser Art waren bei WWE jahrelang üblich, für Wirbel sorgten seinerzeit auch zum Beispiel schon die Umbenennungen von Seth Rollins, Kevin Owens und Sami Zayn, die vor ihrer WWE-Zeit als Tyler Black, Kevin Steen und El Generico bekannt waren - oder auch die Kreation der Figur Mankind für Mick Foley anstelle seiner außerhalb von WWE schon berühmt gewordenen Rolle als Cactus Jack. Die inzwischen bei Konkurrent AEW wieder unter ihrem alten Namen aktiven Jon Moxley (Dean Ambrose) und Bryan Danielson (Daniel Bryan) sind weitere Beispiele.
In den vergangenen Jahren hatte sich der Namenswechsel-Drang von WWE eher gelegt, in der lange von McMahons Schwiegersohn Paul „Triple H“ Levesque regierten NXT-Welt traten viele Stars unter den Namen an, mit denen sie anderswo bekannt geworden waren.
Mit der schrittweisen Entmachtung Levesques in den vergangenen Monaten scheint sich der Trend wieder umgekehrt zu haben: Auch für Adam Cole soll eine Neutaufe geplant gewesen sein, wäre er bei WWE geblieben statt zu AEW gewechselt.