Ein furios inszeniertes Comeback seines Rivalen MJF schien den Blick vom Backstage-Drama zurück auf das Produkt des WWE-Rivalen zu lenken - und dann das!
Mega-Eklat bei AEW: Neue Details
Der neue, alte World Champion CM Punk hat die Pressekonferenz nach dem Pay Per View All Out zu einer riesigen Abrechnung genutzt und dabei auch prominente Mitglieder der Führungsriege scharf angegriffen - der Konflikt zwischen ihm und Ex-Titelträger Hangman Page artet damit zu einer öffentlichen und potenziell folgenschweren Schlammschlacht aus. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu AEW)
Der bekannte Wrestling-Journalist Sean Ross Sapp Fightful twitterte kurz nach der PK über ihm zugetragene Berichte, dass „einige sehr wichtige Namen angepisst sind und damit gedroht haben, sich wegen dieser Sache zu verabschieden“. Laut übereinstimmenden Medienberichten soll es nach Punks Auftritt auch ein „Handgemenge“ zwischen Punk und den von ihm kritisierten Co-Geschäftsführern Nick und Matt Jackson (The Young Bucks) gegeben haben.
Was war geschehen?
CM Punk spricht erstmals öffentlich über Eklat
Punk hatte sich in der PK erstmals öffentlich über seinen unabgesprochenen Auftritt bei der TV-Show Dynamite vor einigen Wochen geäußert, in dem er Page als „Feigling“ bloßstellte - und bestätigte die Berichte, dass dies die Quittung für eine ähnlich geartete Aktion von Page war, in der dieser Punk als heuchlerischen Backstage-Intriganten porträtierte.
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Punk nutzte die PK-Bühne an der Seite von Ligaboss Tony Khan, um seine Seite der Geschichte zu erzählen, die dem Konflikt zugrunde liegt: der zerbrochenen Freundschaft mit Wrestlerkollege Colt Cabana, der inzwischen zu einem Vertrauten Pages geworden ist - in diesem Jahr aber aus dem Hauptprogramm von AEW geschrieben und in die noch im Wiederaufbau befindliche Schwesterliga ROH verschoben wurde (nachdem zwischenzeitlich auch im Gespräch war, seinen Vertrag auslaufen zu lassen).
Der frühere WWE-Champion Punk - noch blutverschmiert von seinem Match mit Jon Moxley - beteuerte, dass er nichts mit diesem Schritt zu tun gehabt hätte (was auch Khan so bezeugte) und dass Page sich in Angelegenheiten gemischt hätte, die ihn nichts angehen würden. Punk schilderte dann ausführlich seine Sicht der Dinge auf den Rechtsstreit mit Cabana um Punks angebliche Zusicherung, Cabanas teure Anwaltsrechnungen nach der Verleumdungsklage des WWE-Arztes Chris Amann zu bezahlen.
Nach eigenen Angaben habe Punk schriftliche Belege, dass Cabana im Unrecht sei und sich selbst bereit erklärt hätte, die eigenen Kosten zu tragen, deswegen sei Cabana nach Punks Gegenklage auch zurückgerudert und es sei zur außergerichtlichen Einigung gekommen.
Für die Gegenwart ist derweil relevanter, was Punk dann hochrangigen Mitarbeitern vorwarf.
Attacke auf „hohlköpfigen“ Page - und drei weitere Topstars
Punk schimpfte dann nämlich nicht nur über Page, sondern auch über mehrere Führungskräfte der Liga: „Verantwortungslose Leute, die sich EVPs nennen“ hätten „Lügen und Bullshit“ über seine Rolle in Cabanas Degradierung an die Medien gestreut, um ihm zu schaden.
Die drei EVPs (Executive Vice Presidents) von AEW, von denen die Rede ist, sind die auch als Wrestler prominent eingesetzten Nick und Matt Jackson sowie Kenny Omega, die zusammen mit Khan und dem mittlerweile zu WWE gewechselten Cody Rhodes die Liga gegründet hatten. Omega und die Jacksons sind langjährige Freunde und Weggefährten Pages - den Punk dann weiter böse beschimpfte.
Es sei „peinlich, dass ich im Jahr 2022 tun muss, was ich hier tue, weil ein hohlköpfiger fucking dumbfuck namens Hangman Page im nationalen Fernsehen persönliche Rechnungen begleichen will. Für was? Was habe ich hier an diesem Ort getan? Nichts, gottverdammt.“
Verschiedene Medienvertreter, die vor Ort waren, berichteten, dass sich während der PK ein Security-Guard durch die Menge bahnte. Später berichteten mehrere Medien von einem „Handgemenge“ zwischen Punk und den Bucks - die am Sonntag zusammen mit Omega mit dem neu geschaffenen Trios Title der Liga gewannen.
Abschied? Wirbel auch um Malakai Black
Punks in vielerlei Hinsicht unfassbarer Auftritt und dessen Folgen sind der nächste Höhepunkt einer Kette von Vorfällen, die von einer heftig angespannten Stimmung hinter den Ligakulissen zeugen. Erst vergangene Woche gab es ein großes Backstage-Meeting mit den Aktiven, das die Wogen glätten sollte - in dem die Situation um Punk und Page allerdings totgeschwiegen worden sein soll.
Schon die rätselhafte Situation um den nun zurückgekehrten MJF hatte vor einigen Monaten für Unruhe gesorgt, in den vergangenen Wochen wurde zudem ein Backstage-Zoff zwischen Eddie Kingston und Sammy Guevara sowie eine angebliche Entlassungsbitte des im vergangenen Jahr verheißungsvoll gestarteten Malakai Black öffentlich.
Blacks Gruppierung House of Black verlor bei All Out gegen das Trio aus Sting, Darby Allin und Miro. Black wurde dabei von Legende Sting mit dem eigentlich von ihm selbst patentierten Farbnebel ausgeschaltet und gepinnt, danach machte er Abschiedsgesten in Richtung des Publikums - was Khan in der PK nicht kommentieren wollte.
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Die Unruhe bei AEW wurde offenbar auch von WWE mitgeschürt: Nach übereinstimmenden Medienberichten soll die unter Kreativchef „Triple H“ Paul Levesque neu ausgerichtete Liga trotz laufender Verträge auf mehrere AEW-Stars zugegangen sein und eine potenzielle Wechsel ausgelotet haben. AEW reagierte mit einer schriftlichen Androhung rechtlicher Schritte.
Black gilt als ein Kandidat, den sein früherer Förderer Triple H zurückhaben wollen dürfte. Im Kontext der Situation sorgte zuletzt auch für Aufsehen, dass Veteran Bobby Fish - bei WWE und AEW verbunden mit Adam Cole und Kyle O‘Reilly - seinen AEW-Vertrag nach nur einem Jahr auslaufen ließ. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Fish zu WWE zurückkehrt. Die jüngeren Cole und O‘Reilly haben bei AEW wie Black Fünf-Jahres-Verträge unterschrieben.
Angespannte Stimmung auch wegen Aggressivkurs von WWE
Die Stimmung bei AEW dürfte auch deshalb zusätzlich angespannt sein, weil WWE seit dem Rücktritt des langjährigen Bosses Vince McMahon und der Installation von Triple H als neuem starken Mann einen großen Schub erlebt hat und AEW im Quoten-Fernduell wieder weit enteilt ist.
Die Situation ist konträr zum selben Zeitpunkt im vergangenen Jahr, als AEW bei All Out mit den großen Debüts von Punk, Bryan Danielson und Adam Cole groß auftrumpfte und in den Wochen darauf mehrmals sensationell das langjährige WWE-Flaggschiff RAW in den Ratings der werberelevanten Zielgruppe übertraf.
In diesem Herbst steuert WWE aggressiv dagegen: Als Kontrapunkt zu All Out wurde nicht nur die neue Europashow Clash at the Castle mit Gaststar Tyson Fury, sondern auch ein Zusatzevent des Aufbaukaders NXT (When Worlds Collide) auf dasselbe Wochenende gelegt, um damit Fans und Aufmerksamkeit vom AEW-Jahreshöhepunkt abzuschöpfen.
Der gezielte Angriff von WWE hat auch einen langfristigen strategischen Hintergedanken: Am Ende des Jahres läuft der TV-Vertrag von AEW aus und je besser dieser wichtige Herbst für den WWE-Rivalen läuft, desto mehr Geld und neue Ressourcen für den Konkurrenzkampf mit WWE kann er von seinem nächsten Deal erwarten.
Levesque flankierte die Attacke mit öffentlichen Sticheleien, etwa indem er den Sieg von AEW im „Wednesday Night War“ über die WWE-Show NXT zu einem Sieg über „unsere Entwicklungsliga“ kleinredete. Levesque ließ dabei unter den Tisch fallen, dass er selbst damals noch das Gegenteil behauptet hatte und NXT als „unseren dritten Brand und keinen Entwicklungskader“ betrachte.
Spaltet sich AEW? Boss Tony Khan im Dilemma
Khan und auch sein Topstar und enger Vertrauter Chris Jericho beantworteten die WWE-Seitenhiebe mit eigenen Sticheleien - und das effektvolle Comeback von MJF schien der Fokus am Sonntagabend auch wieder auf die Ringaction zu lenken.
Der Ärger um Punk und seine Attacken auf wirft dagegen nun zahlreiche neue Fragen auf, wohin AEW steuert und mit wem. Die üblichen Spekulationen, dass die ganze Sache ein inszenierter „Work“ sein könnte, um Aufmerksamkeit auf die Liga zu lenken, sind eindeutig abwegig - verdeutlicht nicht zuletzt dadurch, dass AEW nun MJF und nicht Page die tragende Rolle als Fehdengegner Punks gegeben hat.
Khan - Sohn des Milliardärs und Sportteambesitzers Shahid Khan (Jacksonville Jaguars, FC Fulham) - steckt durch die Zuspitzung des Konflikts in einem Dilemma: Punk - der nebenbei mit Kritik an der Einstellung diverser ungenannter Talente für weiteren Zündstoff sorgte - ist sein Aushängeschild und aktuell klar größtes Business-Zugpferd, nach dessen Verpflichtung vor allem auch die Pay-Per-View-Verkaufszahlen massiv anzogen. Aber auch der „Elite“-Freundeskreis um Page und Omega bildet tragende Säulen seines Unternehmens.
Khan müht sich um Schadensbegrenzung
Khan versuchte daher nicht ohne Grund noch an Ort und Stelle Schadensbegrenzung und wandte sich an Omega und die Jacksons, denen er einen „wertvollen Beitrag“ zum AEW-Produkt vor und hinter der Kamera attestierte (zu einem Zeitpunkt, wo er noch nichts von der weiteren Eskalation zwischen Punk und den Jacksons wusste).
Zur Beruhigung versuchte bei der PK auch der keinem Lager zugeordnete Jericho beizutragen, der beide Seiten mahnte, „die Dinge intern zu halten“ und das Begleichen persönlicher Rechnungen zu unterlassen.
Punks Gegenpol Page beantwortete Punks Auftritt derweil erneut durch demonstratives Ignorieren: Via Twitter kommentierte er die Aufregung am Montag mit einem trockenen „Happy Labor Day“.