Vince McMahon ist weg, Tochter Stephanie, ihr Mann „Triple H“ Paul Levesque und Nick Khan sind die neuen Mächtigen bei WWE.
WWE vs. AEW: Neue Hintergründe
Eine neue Ära ist damit eingeleitet, mit Folgen auch für den Rivalen AEW von Tony Khan - ein kollegialeres Konkurrenzverhältnis scheint jedoch nicht zu den Konsequenzen gehören. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu AEW)
In den ersten Tagen nach dem Führungswechsel bei WWE gab es schon Unfreundlichkeiten, auch jenseits der jüngsten, eher persönlichen als geschäftlichen Attacken von AEW-Topstar CM Punk.
Sowohl AEW als auch WWE haben mit ersten Business-Schachzügen auf die neue Situation reagiert. Und weder die umgemodelte WWE-Führung noch Khan lockern die Bandagen.
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WWE bereitet nächsten Schlag gegen AEW vor
Wie der Journalist Brandon Thursten (Wrestlenomics) berichtet, plant WWE ein größeres Event am 4. September - das dem AEW-Pay-Per-View All Out direkte Konkurrenz machen soll.
Am selben Abend soll es eine live gestreamte Show des NXT-Kaders geben, die der großen Show Zuschauer und Aufmerksamkeit klauen soll. Es ist die zweite Attacke auf AEW an diesem Wochenende, schon das Timing der Europa-Megashow Clash at the Castle am Tag davor wird allgemein wurde allgemein auf All Out verstanden - in den vergangenen Jahren immer am Labor-Day-Wochenende platziert.
All Out bot im vergangenen Jahr die Debüts von CM Punk, Bryan Danielson und Adam Cole, die große Wellen schlugen und auch die TV-Quoten von AEW im darauffolgenden Herbst so anschoben, dass in der Kernzielgruppe mehrfach das langjährige WWE-Flaggschiff RAW besiegt wurde.
In den vergangenen Monaten ist das nicht mehr passiert - und WWE setzt anscheinend alles daran, dass es so bleibt. Und man sieht, dass Stephanie und Triple H das konfrontativ-aggressive „Playbook“ des Patriarchen im Umgang mit seinen Kontrahenten nicht in der Schublade verschwinden lassen.
WWE hat den Bericht noch nicht bestätigt, offiziell ist derweil dagegen Zeit und Ort der Megashow WrestleMania 40 im kommenden Jahr (6. und 7. April im NFL-Stadion von Philadelphia).
Tony Khan enthüllt Langzeitverträge mit Ex-WWE-Stars
Khan, der den Konkurrenzkampf mit AEW gewöhnlich offener kommentiert als WWE, zeigte sich in den vergangenen Tagen in spürbarer Reizstimmung - beginnend mit seiner Stichelei nach dem McMahon-Beben: Er dankte bei Twitter den Fans, dass sie geholfen hätten, ihn zum aktuell am längsten amtierenden CEO im Wrestling gemacht zu haben (von zweien, seit 2019).
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Ein weiteres öffentliches Ausrufezeichen sandte Khan einige Tage später in der Audioshow Busted Open Radio, wo er die bislang geheim gehaltenen Vertragslaufzeiten seiner Stars Adam Cole und Malakai Black enthüllte.
Cole sei bis 2027 gebunden, auch Black habe noch „fast fünf Jahre“ in seinem Arbeitspapier - eine Antwort auf sofort aufkommende Spekulationen, dass die beiden sich wieder Richtung WWE orientieren könnten, nun wo ihr alter NXT-Förderer Triple H am Ruder ist.
Tony Khan „amüsiert“ über „gewisse Narrative“
Khan ergänzte, dass er „amüsiert“ sei über gewisse „Narrative“, die im Netz gerade im Umlauf seien - von wegen: Nun, wo der ungeliebte Vince weg sei, würden alle Stars, die mit Triple H gut zusammengearbeitet hätten, bald „magisch“ wieder bei WWE auftauchen.
Davon ist nicht auszugehen, aber dass aktuelle und künftige Free Agents - zum Beispiel Coles und Blacks NXT-Weggefährte Johnny Gargano - wieder eher hin- und hergerissen sein werden als zuletzt, darf auch als Gewissheit gelten. Womöglich nicht zufällig bündelte Khan am Mittwoch bei der TV-Show Dynamite diverse größere Schübe für vielversprechende Talente wie Daniel Garcia, Hook und auch „Absolute“ Ricky Starks.
Vince McMahon stand mit Sicht auf AEW nicht allein
Der offene und verdeckte Kampf um Stars, Fans, Quoten, Marktanteile und Millionen wird das Verhältnis WWE - AEW weiter prägen und es scheint nicht zahmer zu werden, entgegen den Erwartungen mancher, die den aggressiven WWE-Kurs gegenüber der Konkurrenz vor allem der Person Vince McMahon zugeschrieben haben.
Es gibt allerdings schon jetzt viele Gründe anzunehmen, dass die Mentalität von WWE auch ohne Vince nicht wesentlich anders sein wird. Der langjährige Szenekenner Dave Meltzer berichtet in seinem aktuellen Wrestling Observer Radio dass die Haltung, dass Khan ein Emporkömmling und AEW der Feind sei, den man aggressiv bekämpfen müsse, tief in der Unternehmensführung verwurzelt sei. Das sei ihm eindeutig vermittelt worden in zahlreichen Gesprächen mit WWE-Mitarbeitern, umso deutlicher, wenn es Personen „nahe der Spitze“ seien.
AEW werde in der WWE-Führung „sehr auf dieselbe Weise“ wahrgenommen, wie Vince McMahon einst den früheren Rivalen WCW wahrgenommen hätte: McMahon zeichnete immer wieder das Bild, dass der Ex-Rivale mit dem Geld des milliardenschweren Mäzens Ted Turner „seine“ Stars wie Hulk Hogan, „Macho Man“ Randy Savage, Scott Hall und Kevin Nash „geklaut“ hätte - ohne der anderen Seite der Wahrheit Raum zu geben, dass McMahon selbst bei seinem aggressiven Expansionskurs in den Achtzigern unzähligen damaligen Rivalen die dort etablierten Stars „geklaut“ hatte. (Aufstieg und Fall von WCW: Wie der WWE-Rivale durch Egotrips unterging)
Auch Triple H ist von der Systemlogik von WWE geprägt
McMahons Tochter ist Stephanie ist in dem System sozialisiert worden und wer annimmt, dass ihr Mann Levesque einen anderen Zugang zum Thema habe könnte, muss bedenken, dass das System sein Handeln ebenfalls seit Jahren prägt.
Auch die vielgelobte Kreation des NXT-Kaders als Eigenmarke mit mehr Fokus auf Ring-Action hatte auch und vor allem den Hintergrund, dass Levesque damit Konkurrenten wie ROH, die auf einen ähnlichen Stil gesetzt hatten, das Wasser abgraben sollte - mit viel Personal, das von dort rekrutiert wurde. Eigentlich sollte die stilistische Verbreiterung durch NXT dazu dienen, dass sich kein neuer Konkurrent wie AEW neben WWE etabliert.
Bekanntlich ist das nicht gelungen - und Triple H haftet WWE-intern auch der Makel an, dass ihm auch danach zwei Anläufe misslungen sind, den Aufstieg von AEW im Keim zu ersticken: der Versuch, Khans Mitgründer Cody Rhodes, Kenny Omega und die Young Bucks Nick und Matt Jackson wegzuverpflichten und der von WWE gestartete, aber verlorene „Wednesday Night War“, in dem die TV-Show von NXT in direkte Konkurrenz zu AEW Dynamite geschaltet wurde.
Die Fehlschläge gelten als wesentlicher Grund, dass Vince McMahon zuletzt das Vertrauen entzogen und Triple H einen Teil seiner Macht wieder an sich gerissen hatte. Vor diesem Hintergrund kann Levesque nun kaum Interesse haben, als derjenige dazustehen, der mit AEW sanfter umspringt. Das Gegenteil ist der Fall.
AEW-Stars mahnten von Beginn an: Zurückschlagen - oder Opfer sein
Die WWE-Sicht auf AEW bestimmt unweigerlich auch, wie sich AEW umgekehrt verhält, seit der Gründung der Liga Anfang 2019.
Diverse Interviews mit und Hintergrundberichte über die Beteiligten haben dabei klar gemacht, dass es dort ursprünglich unterschiedliche Sichtweisen gegeben hat: Omega und die Bucks wären im Umgang mit WWE offen gewesen für die Devise „Leben und leben lassen“. Rhodes (mittlerweile von WWE mit einem Mega-Deal zurückgelockt) und vor allem auch die erste große Verpflichtung Chris Jericho, die selbst aus dem System WWE gekommen sind, hätten dagegen von Anfang an gemahnt: WWE werde sich AEW gegenüber in jedem Fall als aggressiver „Bully“ verhalten - und AEW hätte nur die Wahl, in der gleichen Sprache zu antworten oder zum Opfer zu werden.
Es ist eindeutig, dass Khan letztere Sicht übernommen und verinnerlicht hat. Und dass sich bei WWE die Lage auch ohne Vince McMahon nicht ändern wird. Das Duell gewinnt neue Spannung durch den Wechsel bei WWE - verliert aber nicht an Gift.