Im Ring sind sie eines der besten Wrestling-Duos der Welt - und man darf davon ausgehen, dass sie unter normalen Umständen schon vor Jahren auf der großen TV-Bühne gelandet wären.
WWE-Rivale enthüllt tückischen Deal
Jay und Mark Briscoe, langjährige Pfeiler der einflussreichen Liga ROH (Ring of Honor), schienen stattdessen vor dem Nichts zu stehen, nachdem ihr Arbeitgeber im vergangenen Jahr zunächst alle Verträge auflöste und dann von WWE-Konkurrent AEW aufgekauft wurde. Nun jedoch hat AEW-Boss Tony Khan enthüllt, dass er die Briscoes unter einen „Langzeitvertrag“ genommen hat. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu AEW)
An sich wäre das keine verwunderliche Sache, ihren Wert als Wrestler bewiesen „Dem Boys“ schon bei der ersten ROH-Show unter dem AEW-Banner mit einem herausragenden Match gegen FTR - das Rückmatch am Samstag bei dem Pay Per View Death Before Dishonor wird noch heißer erwartet als der eigentliche Hauptkampf zwischen World Champion Jonathan Gresham und der Schweizer Neuverpflichtung Claudio Castagnoli.
Die Verpflichtung der Briscoes hat für Khan allerdings Tücken: Bei seinem TV-Partner Warner Discovery sollen die beiden nämlich Auftrittsverbot haben - allem Anschein nach wegen eines neun Jahre alten Skandals, der die Briscoes bis heute verfolgt.
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Jay Briscoe veröffentlichte 2013 bösen, homophoben Tweet
Jay Briscoe, der ältere der beiden Brüder, erregte im Jahr 2013 Anstoß mit einem auf mehreren Ebenen indiskutablen Tweet, mit dem er die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe in seinem Heimatbundesstaat Delaware kommentierte.
„Try and teach my kids that there‘s nothing wrong with that and I‘ll f**king shoot you“, schrieb Jay, seinerzeit World Champion bei ROH: „Solltest du je versuchen, meinen Kindern beizubringen, dass nichts falsch daran ist, werde ich dich erschießen.“
Der Post sorgte schon damals für Wirbel, die damaligen ROH-Verantwortlichen riefen Jay zum Rapport, veranlassten eine öffentliche Entschuldigung und eine gemeinsame Geldspende an eine wohltätige Organisation, die sich gegen „hate speech“ einsetzt.
Trotz der schnellen Abbitte wurde der Vorfall zu einer nachhaltigen Karriere-Bremse für die beiden Brüder, die damals auch bei anderen Gelegenheiten eine reaktionäre Haltung zu dem Thema offenbart hatten.
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Briscoes sollen beim TV-Partner von AEW unerwünscht sein
Der Skandal gilt als Hauptgrund, warum die Briscoes nie bei WWE landeten, obwohl sie zumindest in die frühere Version von deren Drittkader NXT perfekt gepasst hätten. Im März berichtete Fightful dann auch, dass eine „einflussreiche“ Person bei Warner AEW angehalten hätte, die Briscoes nicht auf ihren Sendern auftauchen zu lassen.
Tatsächlich waren die beiden nie im AEW-TV zu sehen, seit Khan ROH gekauft hat - während dort ansonsten permanent Cross-Promotion mit der Liga betrieben wird, für die Khan noch einen eigenen TV-Partner sucht.
Beim ersten ROH-Event unter Khans Führung verloren die Briscoes ihre Tag-Team-Titel an FTR und verstärkten im selben Zeitraum ihre Präsenz bei anderen Ligen wie Impact und GCW - beim neuen ROH schienen sie keine Zukunft zu haben.
Am Donnerstag erklärte Khan dann aber an einer Medienkonferenz, dass die Briscoes Kontrakte „bei Ring of Honor und bei mir“ unterschrieben hätten, der Sohn des Jacksonville-Jaguars-Bosses Shahid Khan sprach von „Langzeitverträgen“ und dass die beiden nun „exklusiv“ bei ROH unterwegs seien.
„Wir hassen niemanden, wir lieben alle Menschen“
In die Angelegenheit ist also eine neue Dynamik gekommen, womöglich wegen des als „match of the year candidate“ gefeierten Kampfs gegen FTR, womöglich auch, weil die Briscoes sich aktiv bemühen, ihr negatives Image zu korrigieren.
In einem gemeinsamen Podcast-Auftritt im März äußerten beide Briscoes erneut ihr Bedauern über den „dummen Tweet“ von 2013, Urheber Jay sprach vom „dümmsten, unreifsten, widerwärtigsten Scheiß, den ich je angestellt habe“.
Der 38 Jahre alte Jay und sein ein Jahr jüngerer Bruder führten ihre früheren Ausfälle auf ihre einfache Herkunft zurück und erklärten reuig, dass die beiden damit ihrem eigenen Anspruch als religiöse Christen nicht gerecht geworden seien. „Gott will, dass wir andere Menschen mit Liebe behandeln“, sagte Mark, das würden die beiden auch tun. „Wir hassen niemanden, wir lieben alle Menschen. Wir sind einfach Jungs vom Land“, ergänzte Jay.
Kollegen versichern: Jay Briscoe hat sich gewandelt
Innerhalb der Szene wird diese Versicherung als glaubwürdig empfunden, ROH-Kommentator Ian Riccaboni klagte schon im vergangenen Herbst: „Wenn all die Leute nur wüssten, wie sehr Jay als Lockerroom-Leader allen Talenten hilft, speziell auch denen, die LGBTQ+ sind.“ Auch der bekannte homosexuelle Independent-Wrestler Effy bestätigte im vergangenen Jahr, dass er Jay und Mark als „veränderte Menschen“ kennengelernt hätte.
Zu erwähnen ist auch, dass FTR (Dax Harwood und Cash Wheeler), mit den beiden eine hervorragende Ringchemie gefunden haben, selbst ausgewiesene Kämpfer für Toleranz und LGBTQ+-Rechte sind.
Für den Moment scheint den Briscoes die TV-Bühne von AEW dennoch weiter versperrt zu sein. Es bleibt abzuwarten, ob es das letzte Wort in dieser neun Jahre alten Angelegenheit ist.