Über mehrere Wochen hinweg hat AEW-Boss Tony Khan eine „massive“ Neuigkeit in Aussicht gestellt - nun hat er sie enthüllt.
Wrestling-Beben: Auch WWE war im Spiel
Bei der aktuellen Ausgabe seiner TV-Show Dynamite hat Khan einen Business-Deal mit Folgen für die gesamte Wrestling-Branche bekanntgegeben: Er hat die kriselnde Liga Ring of Honor (ROH) von dem Medienunternehmen Sinclair Broadcasting gekauft - die Promotion, in der vor zwei Jahrzehnten CM Punk, Bryan Danielson und viele andere inzwischen weltbekannte Wrestler ihren Ruhm begründet hatten. (Wie CM Punk bei ROH ein großes WWE-Beben vorwegnahm)
Als erste Anknüpfung an das Erbe ließ Khan ein Match zwischen Danielson und Christopher Daniels folgen, die 2002 zusammen mit Low Ki im Hauptkampf der ersten ROH-Show gestanden waren - Danielson siegte, das Match leitete zu Danielsons Fehde mit Jon Moxley über, die am Sonntag beim Pay Per View Revolution in einem Match gipfeln wird.
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AEW verleibt sich ROH ein
ROH war mit seinem auf die Ringaction und kluges Storytelling fokussierten Produkt in den Nullerjahren stilbildend auch für die spätere Entwicklung von WWE, auch bei der Formation von AEW spielte ROH eine Rolle: Die Gründungscrew um die Young Bucks, Kenny Omega und den nun vor einem Wechsel zu WWE stehenden Cody Rhodes war vorher dort aktiv, auch die Show All In, aus der sich AEW entwickelte, war von ROH mitorganisiert worden - AEW erwirbt mit dem Deal nun auch die Videorechte an der historisch bedeutsamen Veranstaltung.
Den dann unter anderem Banner vollzogenen Schritt, eine Liga mit der Ambition, WWE herauszufordern aufzubauen, hat ROH damals dann aber nicht gewagt - obwohl das Potenzial prinzipiell vorhanden gewesen: Der auf Regionalfernsehen spezialisierte Ex-Eigentümer Sinclair ist ein Medienkonglomerat mit Milliardenumsatz.
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Die ohnehin wechselhafte Geschichte von ROH wendete sich durch den Erfolg von AEW zum Negativen, schon vor einigen Monaten vollzogen die bisherigen Verantwortlichen daher einen radikalen Schnitt: Sie entließen alle Wrestler, die noch unter Vertrag waren (unter anderem die bei AEW untergekommenen Jay Lethal, Brody King und Danhausen) und verkündeten eine bis zum Frühjahr andauernde Pause, um ihre Liga „neu zu denken“.
AEW erwirbt große Videobibliothek - bald „AEW Network“?
Nun ist ROH in seiner bisherigen Form wohl am Ende: Zwar hielt Khan sich in einer kurz nach seiner Ankündigung verschickten Pressemitteilung die Option offen, „neuen Content unter dem ROH-Banner zu produzieren“.
Branchenkenner halten eine Fortführung der zuletzt wohl defizitären Liga für nicht wahrscheinlich, der Kern des Deals scheint jedoch ein anderer zu sein, wie auch aus dem Aufbau des Statements hervorgeht.
In der Hauptsache betont AEW darin den Erwerb der „extensiven Videobibliothek der Liga, die bis 2002 zurückreicht“. Die Videorechte an ROH versorgen AEW mit großen neuen Vermarktungsmöglichkeiten, die von Khan bejubelten „tausende Stunden von neuen Inhalten“ dürften Pfeiler eines Streaming-Angebots ähnlich dem WWE Network sein - ob unter eigener Regie oder mit einem Medienpartner - und dürften für AEW damit zig Millionen Dollar wert sein.
ROH hatte bereits selbst das Streaming-Portal Honor Club etabliert, auf dem AEW sein On-Demand-Projekt aufbauen könnte.
Hinzu kommt die Möglichkeit, Dokumentationen oder Highlight-Videos über die vielen AEW-Stars mit ROH-Hintergrund mit historischem Material aufzuwerten - und auch ein großer ideeller Faktor: AEW verleibt sich - so wie einst WWE (unter anderem) mit den Ex-Rivalen WCW und ECW - das Vermächtnis einer zur eigenen Philosophie passenden Marke ein, ein Vermächtnis, das Khan nun „mit größtem Respekt“ pflegen will.
Wie der Wrestling Observer berichtet, war Sinclair auch auf Konkurrent WWE zugegangen, der 2017 zwischenzeitlich interessiert an einem Kauf von ROH war, damals aber die kalte Schulter bekam. Nun hat AEW offensichtlich das bessere Angebot gemacht.
Was wird aus den Champions von ROH?
Ein Fragezeichen steht nun hinter der Zukunft der zuletzt noch immer aktiven Titel von ROH und ihren Trägern: World Champion Jonathan Gresham, Damenchampion Deonna Purrazzo und die Tag Team Champions Mark und Jay Briscoe sind nicht bei AEW unter Vertrag.
Purrazzo ist vor allem bei der kleineren Liga Impact verortet, sie hatte den Titel im Januar - nach der Stilllegung von ROH in der bisherigen Form - von Top-Talent Rok-C gewonnen, das sich mittlerweile WWE angeschlossen hat.
Die Briscoes hatten allerdings bereits eine Fehde mit dem AEW-Duo FTR (ehemals: The Revival) begonnen, die nun unter dem Banner von Khans Liga stattfinden könnte. Auffällig: Die Briscoes gehören zu der ersten Klasse der jüngst verkündeten ROH Hall of Fame - mit Punk, Danielson und dem durch sein WWE-Aus ebenfalls zum Free Agent gewordenen Samoa Joe.