Er bewegte Millionen Wrestling-Fans, als er den Gipfel seiner WWE-Karriere erklomm.
Die bittere Tragödie eines WWE-Idols
Nun blutet denselben Fans das Herz, wenn sie zurückdenken an den Moment, in dem Eddie Guerrero im Hauptkampf der Veranstaltung No Way Out 2004 Brock Lesnar besiegte und WWE-Champion wurde. Denn keine zwei Jahre später starb der Publikumsliebling, der als einer der besten Showkämpfer aller Zeiten galt mit nur 38 Jahren.
Guerrero wurde am 13. November 2005 - heute vor 19 Jahren - von seinem Neffen und Kämpfer-Kollegen Chavo Guerrero (Jr.) leblos in einem Hotelbadezimmer aufgefunden. Todesursache war eine nicht diagnostizierte Herzkrankheit, die durch jahrelangen Raubbau am eigenen Körper verschlimmert worden war.
Es war das plötzliche und tragische Ende eines dramatischen Athletenlebens, das eigentlich eine Wende zum Guten genommen hatte.
Eddie Guerrero - ein Regelbrecher mit Charme
Eduardo Gory Guerrero Llanes, geboren am 9. Oktober 1967 in El Paso, Texas, als jüngster Sohn der mexikanisch-amerikanischen Wrestling-Legende Gory Guerrero, galt schon als Ausnahmekönner, lange bevor er bei WWE zum Champion aufgestiegen war.
Herausragende Ringleistungen in Mexiko und Japan ebneten ihm Mitte der Neunziger den Weg in die größeren US-Ligen, erst ECW, dann WCW und schließlich WWE.
Guerrero wechselte im Jahr 2000 zusammen mit seinen WCW-Weggefährten Chris Benoit, Dean Malenko und Perry Saturn zur damaligen WWF und formierte die Gruppierung „The Radicalz“. Aus den früheren Jahren blieb vor allem auch seine ungleiche Drehbuch-Paarung mit seiner ebenfalls früh verstorbenen „Mamacita“ Chyna in Erinnerung.
Zum Main Eventer stieg Eddie auf, als er sich auch als Charakter entscheidend weiter entwickelte: Den Durchbruch feierte er, als er sich zusammen mit Chavo ein paradoxes Motto auf den Lieb schrieb: "We lie, we cheat, we steal - but at least we're honest about it" (Wir lügen, stehlen und betrügen - aber wir sind dabei wenigstens ehrlich).
Der mit Latino-Klischees spielende Guerrero wurde vom bösen "Heel" zum Liebling, der die Regeln weiterhin brach, aber so liebevoll-verschmitzt, dass er das Publikum auf seine Seite zog. Die Rolle verhalf ihm zum endgültigen Durchbruch als Einzelwrestler, nachdem er vorher trotz all seiner Klasse nie über einen bestimmten Punkt in der Liga-Hierarchie hinausgekommen war.
Kurz vor seinem Tod verlieh Guerrero seiner Rolle nochmal eine neue Ebene, als er zu einem psychopathischen Schurken wurde, durch den sein Spitzbuben-Charme noch immer effektvoll durchschimmerte. Seine letzte große Fehde gegen den ewigen Rivalen Rey Mysterio - in die auch dessen kleiner, nun selbst im Ring stehender Sohn Dominik verwickelt wurde, der sich als vermeintlich uneheliches Kind Guerreros entpuppte - wurde zu einem der größten Quotenbringer der damaligen Liga-Ära. Zum Zeitpunkt seines Todes schien eine weitere World-Title-Fehde gegen den damaligen Champion Batista in Planung.
Drogensucht kostete ihn zwischenzeitlich den WWE-Job
Guerrero wird nicht nur wegen seiner Leistungen vor der Kamera schmerzlich vermisst: Er wurde als äußerst herzliche und fürsorgliche Person beschrieben, der in einem von vielen Egoismen geprägten Gewerbe keinen einzigen Feind hatte - außer sich selbst, zu bestimmten Zeiten.
Zu Guerreros Geschichte gehörten auch jahrelange Drogenprobleme, die ihn zwischenzeitlich seinen Job bei WWE gekostet hatten. Nach seiner Entlassung 2001 bekam er sein Leben auf die Reihe, kehrte zurück und wurde erfolgreicher als je zuvor. Auch die kaputte Beziehung zu Ehefrau Vickie, Mutter seiner beiden Töchter Sherilyn und Shaul (Ehefrau von Ex-WWE-Wrestler Aiden English), reparierte er in diesem Zeitraum - Vickie Guerrero legte nach seinem Ableben selbst eine unwahrscheinliche WWE-Karriere hin.
Kurz vor seinem Tod hatte Guerrero eine Autobiographie über seinen Kampf gegen die Sucht fertiggestellt: "Cheating Death, stealing Life". Den Tod betrügen, Leben stehlen.
Obwohl er seine Alkohol- und Schmerzmittelabhängigkeit hinter sich gelassen hatte, belastete das intensive Wrestler-Leben seine Gesundheit jedoch auch nach seiner Rückkehr: Guerrero bestritt in seinen letzten dreieinhalb Karriere-Jahren 500 Matches quer über den Globus, setzte sich großen körperlichen Strapazen aus, auch mental soll ihm der Druck als Headliner der Liga zugesetzt haben - was als ein Grund gilt, warum er den WWE-Titel 2004 recht bald wieder an John "Bradshaw" Layfield verlor.
Sports Illustrated enthüllte nach seinem Tod zudem, dass Guerrero noch 2005 Steroide und andere Medikamente zum künstlichen Muskelaufbau erworben hatte.
Freund Chris Benoit wurde zum Mörder
WWE zog Konsequenzen aus Guerreros Todesumständen, die Promotion führte die so genannte "Wellness Policy" ein, die sowohl die (Wieder-)Einführung von Anti-Dopingtests beinhaltete als auch einen massiven Ausbau der medizinischen Diagnostik und Versorgung ihrer Kämpfer. Auch ist es heute üblich geworden, verdienten Stars ab Mitte 30 einen erleichterten Tourplan und mehr Ruhezeit zu gewähren.
Die Maßnahmen konnten jedoch nicht verhindern, dass Guerreros gesundheitlich ebenfalls schwer geschädigter Weggefährte Chris Benoit 2007 unter noch schockierenderen Umständen starb: Der 40-Jährige beging Suizid, nachdem er zuvor seine Frau Nancy und seinen Sohn Daniel ermordet hatte.
Benoit war kurz nach Guerreros Titelgewinn selbst zum Champion aufgestiegen, gewann 2004 bei WrestleMania XX den gleichrangigen World Title und feierte in einer emotionalen Zeremonie mit Guerrero, der seinen Titel bei derselben Show gegen Kurt Angle verteidigte. Eineinhalb Jahre danach brach Benoit während der WWE-Tributshow für Guerrero in Weinkrämpfe aus.
Die Erschütterung über Eddies Tod trug Berichten zufolge dazu bei, dass Benoit psychisch aus der Bahn geriet. In einer posthumen Untersuchung waren bei Benoit schwere Hirnschäden diagnostiziert worden.
Ein bleibendes Vermächtnis
Einen tragisch frühen Todesfall gab es übrigens auch am Anfang von Guerreros Karriere. "Love Machine" Art Barr, sein Partner in Mexiko, starb 1994 mit nur 28 Jahren, anscheinend drogenbedingt.
Zu Barrs Ehren übernahm Guerrero dessen technisch anspruchsvollen Finisher: den Frog Splash, bei dem Guerrero vom Seil auf seinen Gegner sprang und dabei im Flug wie ein Frosch Arme und Beine an- und abwinkelte.
Nach Guerreros Tod wiederum übernahmen zahlreiche Wrestler den Frog Splash oder seine Suplex-Serie „Three Amigos“, um ihn zu ehren - stets unter „Eddie! Eddie!“-Rufen der Fans. Auch NBA-Superstar Giannis Antekounmpo gab sich vor drei Jahren bei einem Wrestling-Gastspiel als Fan zu erkennen.
Guerreros Vermächtnis wird noch lange in Ehren gehalten werden.