Mit 73 Jahren, 14 Jahre nach seinem großen WWE-Abschied bei WrestleMania gegen Shawn Michaels, wollte es Ric Flair nochmal wissen.
Ikone beängstigt nach Abschiedskampf
Am Sonntag nach dem SummerSlam bestritt der vielleicht größte noch lebende Wrestler ein letztes Match - trotz eines Herzschrittmachers, akuten gesundheitlichen Problemen und einer Nahtoderfahrung mit Organversagen vor fünf Jahren im Rücken. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
Vor den Augen von zahlreichen prominenten Ehrengästen - darunter Bret „The Hitman“ Hart, Mick Foley, der Undertaker mit Ehefrau Michelle McCool und Musikstar Kid Rock - stand Flair im Zentrum eines unabhängig von WWE durchgezogenen Pay Per Views „Ric Flair‘s Last Match“ vor etwa 10.000 Fans in Nashville.
Flair bestritt einen über 25 Minuten langen Kampf, bei dem er so sichtbar an seine Grenzen ging - dass viele Zuschauer hinterher in Sorge waren, dass er sich folgenschwer übernommen haben könnte.
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Ric Flair vollzieht grenzwertiges Spektakel
Die Grundkonstellation des Abschiedsauftritts: Flair traf in einem Tag-Team-Kampf mit Schwiegersohn Andrade El Idolo - verheiratet mit Tochter Charlotte Flair - auf seinen Bewunderer Jay Lethal und WWE Hall of Famer Jeff Jarrett, tags zuvor noch als Ringrichter beim SummerSlam im Einsatz.
Für den großen Abschied wurden auch unzählige Weggefährten aus alten Tagen zusammengetrommelt: Stars wie Cody Rhodes, Dolph Ziggler, Shawn Michaels, Sting, Trish Stratus, Lex Luger und Kurt Angle sandten Videobotschaften, bekannte Gesichter früherer Ären tauchten auch in kleinen Rollen in der Inszenierung auf.
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Frühere WCW-Persönlichkeiten wie Ringsprecher Dave Penzer und Sicherheitschef Doug Dillinger übernahmen nochmal ihre alten Rollen, in der alten TV-Kulisse von NWA/WCW feierte auch das Moderatorenduo Tony Schiavone / David Crockett eine Reunion.
Auch J.J. Dillon, der Manager von Flairs „Four Horsemen“ gab sich die Ehre, die ersten und letzten Worte der Show sprach in einem voraufgezeichneten Video Kommentatoren-Legende Bob Caudle, bald 92 Jahre alt.
Tochter Charlotte stoppt lebensgefährlichen Plan
Im eigentlichen Kampf zog Flair alle Register, die er noch konnte, erfreute Fans mit altbekannten Aktionen wie seinen berühmten Chop-Schlägen, ließ sich blutig prügeln, baute sogar das Vortäuschen eines Herzinfarkts in die Matchstory ein.
Dennoch fiel auf, dass Flairs Aktionsradius stark eingeschränkt war, auch im Vergleich zu den via Social-Media-Videos verbreiteten Trainingssessions vor dem Kampf.
Ein Problem, das er schon vor dem Kampf eingeräumt hatte: Flair laboriert an einer Entzündung an der Fußsohle, die starke Schmerzen bereitete. Auch die Ankündigung, einen Flug vom Seil zeigen zu wollen, setzte Flair nicht in die Tat um - offensichtlich realisierte er vor oder während des Matches, dass er dazu nicht in der Lage war.
Im Vorfeld des Kampfs hatte Tochter Charlotte (vor Ort, aber nicht vor der Kamera) bei ESPN sogar berichtet, dass Flair einen mit Anlauf eingesprungenen „Dive“ aus dem Ring hätte zeigen wollen. Eine definitiv lebensgefährliche Idee - der 20 Jahre jüngere La Parka II starb 2020 an den Folgen eines tragisch missglückten Dives -, Charlotte redete sie dem Vater aus.
Flair am Matchende offenbar bewusstlos
Am Ende fuhr Flair standesgemäß mit seiner Spezialaktion Figure Four Leg Lock gegen Jarrett den Sieg ein, die Glaubwürdigkeit des Finish wurde zuvor erhöht, indem er Jarrett einem Hieb mit einem Schlagring versetzte - gereicht von seinem anderen Schwiegersohn Conrad Thompson, dem Veranstalter der Show unter der Flagge der legendären Jim Crockett Promotions.
Flair war nach einem Suplex auf seinen Rücken zu dem Zeitpunkt schon beängstigend lange am Boden liegen geblieben, aufmerksamen Fans fiel auch auf, dass Flair bei dem Pinfall gegen Jarrett die Schultern auch selbst auf der Matte hatte, was das Drehbuch-Finish eigentlich irregulär machte.
Danach war zu sehen, wie Flair Andrade etwas zuflüsterte, es machte die Runde, dass Flairs Worte „I passed out“ lauteten: Ich bin bewusstlos geworden.
Aktiv in sechs Jahrzehnten
Trotz des Schreckmoments folgten die geplanten emotionalen Feierszenen mit Konfetti, mit Flair feierten auch Hart, Foley und der Taker, die Ehrengäste in der ersten Reihe waren.
Es war das letztes Kapitel einer Karriere, die so groß war, dass der Bericht über Flairs Abschiedsshow beim US-Sportmarktführer ESPN prominent zwischen dem aktuellen NFL-Geschehen und dem Tod von NBA-Ikone Bill Russell vermeldet wurde.
Flair wurde im Lauf seiner 1972 begonnenen Karriere zur Legende, indem er 16 anerkannte World Titles bei JCP bzw. dem Verbund NWA, der Nachfolgeliga WCW und WWE holte.
Mit dem Match in Nashville ist Flairs Karriere um die Errungenschaft reicher, dass er in sechs Jahrzehnten im Ring stand - erstaunlicherweise aber kein einmaliger Rekord: Der große Lou Thesz etwa - in dessen Fußstapfen als langjähriger NWA-Champ der Fünfziger und Sechziger Flair getreten war - kam sogar auf sieben, er feierte sein Debüt 1933 und bestritt seinen letzten Kampf 1990, mit damals 74.
Thesz soll dieses Match hinterher bereut haben, für Flair was es offensichtlich erfüllend: „Danke allen, die an mich geglaubt haben“, twitterte er.
Nach dem Match Party mit Kid Rock
Wie der 2002 verstorbene Thesz erwarb sich auch Flair den Ruf eines scheinbar alterslosen Ringkönners, aber auch eines unverbesserlichen Playboys, fünffach geschieden, infolge von Alkoholproblemen fast gestorben und nach eigenen Angaben trotzdem immer noch Trinker.
„Alles, was ihr über mich gehört habt, ist wahr“, teilte Flair den Zuschauern schließlich auch noch unverblümt mit und kündigte an, dass er jetzt feiern gehen würde.
Tatsächlich vermeldete der Pro Wrestling Insider danach, dass es bei Flairs Medizin-Check nach dem Match keine schlechten Neuigkeiten gegeben hätte. Und der für ESPN berichtende Reporter Marc Raimondi twitterte einige Zeit später, dass es Flair „absolut gut“ gehe und er tatsächlich in Downtown Nashville mit Kid Rock und seiner Familie Party mache.