Pius Paschke lauschte sichtlich angefasst dem großen Fan-Chor im Schwarzwald. „Oh, wie ist das schön!“, klang es aus 7500 Kehlen. Und der neue deutsche Skisprung-Held genoss den verdienten Lohn für seinen grandiosen Doppeltriumph in Titisee-Neustadt in vollen Zügen. „Das war Gänsehaut pur“, sagte Paschke, der nach seinen Saisonsiegen vier und fünf im zarten Schanzenalter von 34 Jahren nur zwei Wochen vor der Vierschanzentournee auf einer Euphoriewelle reitet.
Doppelsieg! DSV-Star jubelt nach Krimi
„Bist du deppert!“
„Es ist der Wahnsinn, was hier abgeht. Das hier ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit. Ich war ja schon immer ein Springer, der über die Konstanz gekommen ist“, sagte Paschke. Nur: Fast 20 Jahre nach seinem internationalen Debüt ist der Routinier nun konstant Weltklasse. Und schreibt konstant sein Wintermärchen fort: Fünf von acht Springen gewonnen, haushohe Führung im Weltcup. „Bist du deppert!“, rief Ex-Weltmeister Severin Freund seinem alten Kollegen über das ZDF-Mikro entgegen.
Paschke war auch in einem wahren Schanzenkrimi ganz cool geblieben: Einen Tag nach seinem sehr souveränen Sieg im ersten Einzel fing er am Sonntag den zur Halbzeit führenden Österreicher Michael Hayböck noch ab. Nach 141,5 m im ersten Durchgang flog Paschke bei schwierigsten Bedingungen auf 142,0 m, lag mit 290,4 Punkte 0,4 Zähler vor seinem Konkurrenten - umgerechnet 22 Zentimeter gaben den Ausschlag. Dritter wurde Kristoffer Sundal Eriksen aus Norwegen (284,7).
Fünf Siege vor dem Beginn der Vierschanzentournee waren zuvor noch keinem deutschen Skispringer gelungen, Martin Schmitt gewann 1998 viermal. Erfolgreicher waren in der Weltcup-Ära überhaupt erst zwei Springer: Janne Ahonen (Finnland) siegte 2004 siebenmal vor Tourneestart, Thomas Morgenstern (Österreich) 2007 sechsmal. Ahonen gewann damals bei der Tournee, Morgenstern nicht - auch da siegte Ahonen.
Drei Siege an drei Tagen
Für die deutschen Skispringer war es im Schwarzwald ein perfektes erstes Heimspiel der Saison mit drei Siegen an drei Tagen. Bereits zum Auftakt am Freitag hatte Paschke im „Super Team“-Wettbewerb mit Andreas Wellinger, der am Samstag Vierter wurde, gewonnen.
Die große Show bot aber Paschke im Einzel. „Im Moment ist es für mich so wenig Arbeit, wie ich es noch nie gehabt habe“, sagte der Überflieger, der längst der große Favorit für die am 29. Dezember beginnende Tournee ist.
Fest steht: Bei der Generalprobe in Engelberg (Schweiz) - dem Ort, an dem er im Dezember 2023 sensationell seinen ersten Weltcuptriumph feierte und zum ältesten Sieg-Debütanten der Geschichte wurde - kann er die Weltcup-Führung nicht verlieren. Paschke wird im Gelben Trikot zur Tournee reisen. Ein gutes Omen ist das aber nicht: Bereits sechsmal trat ein Deutscher als Weltcup-Führenden beim Auftakt in Oberstdorf an, von Dieter Thoma (1988) bis Karl Geiger (2021) - gewonnen hat die Tournee von ihnen keiner.
Mit solchen Überlegungen will sich Paschke gar nicht erst plagen. „Die Situation ist neu, ändert aber nichts an meiner Herangehensweise“, sagte er. Ohnehin spricht derzeit nichts für ein Ende der tollen Pius-Tage: Er ist derzeit nicht nur der stärkste, sondern auch der stabilste Springer - einen auch nur halbwegs schlechten Sprung zeigte Paschke in diesem Winter noch nicht, auch nicht am Titisee.