Was hatte die Skisprung-Community um ihn gebangt - dann endlich gab es nach drei quälenden Tagen der Ungewissheit die erlösende Nachricht:
So litt Tande vor dem Horrorsturz
Daniel André Tande ist aus dem künstlichen Koma erwacht, der Ausnahme-Skispringer sollte nach seinem Horrorsturz beim Skiflug-Weltcup in Planica wohl auch keine bleibenden Schäden davontragen.
Der Norweger, der am Donnerstag im Probedurchgang die Kontrolle verloren hatte, nach fast 100 Metern mit voller Wucht auf den Hang geknallt war, erlitt zwar einen Schlüsselbeinbruch und hat kleine Probleme mit der Lunge, allerdings keine Schädigungen des Gehirns.
Tande, seither in der Trauma-Abteilung im Universitätsklinikum Ljubljana medizinisch versorgt, sprang dem Schicksal - um im Bild zu bleiben - also buchstäblich noch einmal von der Schippe. Wieder mal.
Horrorsturz nicht der erste Tande-Schicksalsschlag
Es ist nicht das erste Mal, dass der 27-Jährige unfreiwillig ein dramatisches wie lebensbedrohliches Kapitel in seinem noch recht jungen Leben aufgeschlagen hat. (NEWS: Alles Wichtige zum Skispringen)
Diesmal hatte Tande noch vor Ort "intubiert und mechanisch beatmet" werden müssen, wie Tomislav Mirkovic als Chefarzt des Veranstalters erläuterte, das ZDF berichtete zunächst von Wiederbelebung mittels Herzmassage.
Bereits im Mai 2018 hatte sich der mehrmalige Weltmeister und Olympiasieger direkt mit dem Tod konfrontiert gesehen, litt am sogenannten Stevens-Johnson-Syndrom - eine Hautkrankheit, die oftmals durch eine allergische Reaktion auf ein Medikament ausgelöst wird.
In Tandes Fall war der Mund von einer Entzündung betroffen, die zu einer plötzlichen Atemnot führte. "Ich habe gedacht, ich sterbe", gab der Skandinavier dazu später dem Spiegel zu Protokoll.
Ernährung durch einen Schlauch
Tandes Immunsystem spielte verrückt, griff die eigenen Zellen an. "Die Wahrscheinlichkeit am Stevens-Johnson-Syndrom zu erkranken ist geringer, als im Lotto zu gewinnen. Das ist meine Art von Glück", sagte er damals sarkastisch der norwegischen Nachrichtenagentur NTB.
Es begann ein langer Leidensweg, die Genesung vollzog sich körperlich wie emotional hochgradig schwierig.
Auch deshalb, weil mehrere Medikamente zur Therapie auf der Dopingliste standen. "Aber es gab keinen anderen Weg, um die Krankheit zu behandeln", so Tande: "Mein Mund war eine große Wunde, ich musste durch einen Schlauch ernährt werden."
Zwei Wochen musste der Norweger im Krankenhaus bleiben, dabei kamen auch immer wieder Gedanken an ein Karriereende auf: "Wäre ich nicht so schnell ins Krankenhaus gekommen, hätten sich die Blasen über die Haut ausgebreitet. Mir wurde gesagt, dass die Sterblichkeitsrate bei 30 Prozent liegt, wenn die Bläschen mehr als zehn Prozent des Körpers bedecken."
Tande-Bruder nimmt sich das Leben
Noch gravierender indes erwiesen sich die physischen Auswirkungen: Tande büßte viel Gewicht und Muskelmasse ein, sah sich in der Folge monatelang außerstande, unter professionellen Bedingungen zu trainieren.
An Wettkämpfe, auf die er sich bemerkenswerterweise sonst mit Metallica oder Andrea Bocelli einstimmt, war sowieso nicht zu denken - zumal noch immer auch eine familiäre Tragödie nachhallte, die sich ein Jahr zuvor ereignet hatte. (Skispringen: Weltcup-Stände)
2017 verstarb Tandes Bruder Hakon an den Folgen eines zunächst misslungenen Suizids im Wald. Mehr als eine Woche lang kämpften die Ärzte um den im Koma liegenden Mann, nach neun Tagen schließlich wurden die lebenserhaltenen Maschinen abgeschaltet.
Tande, der auf dem linken Unterarm ein Tattoo zur Erinnerung an seinen Bruder trägt, betäubte seinen Schmerz durch den Sport. "Ich habe trainiert, um mich davon abzulenken", sagte er dem dänischen Fernsehsender TV2: "Skispringen war schon immer mein Zufluchtsort. Wenn ich trainiere, schaffe ich es, mehr oder weniger alles andere wegzuräumen."
Tränen in der Stunde des WM-Triumphs
Doch der seelische Schmerz saß derart tief, dass er ihn selbst in der Stunde von Glück und Erfolg immer wieder schüttelt.
Als Tande, der trotz seiner Profession unter Höhenangst leidet, bei der Skiflug-WM 2018 triumphierte, übermannten ihn die Erinnerungen. "Ich habe in der Kabine gesessen und geweint", so Tande: "Mein erster Gedanke war, dass ich wünschte, er (sein verstorbener Bruder, Anm. d. Red.) hätte dort sein können."
In Planica nun war er es selbst, um den die Gedanken anderer kreisten. (Skisprung-Weltcup: Alle Wettbewerbe im LIVETICKER)
"Wir sind wie eine kleine Familie, wir reisen so viel zusammen. Dann so einen Sturz zu sehen mit all der damit verbundenen Dramatik, das ist erschütternd", erklärte Norwegens Sportchef Clas Brede Braathen. Und TV-Experte Anders Jacobsen, Tourneesieger von 2007, ergänzte: "Wir denken an seine Mutter und seine Freundin."
Denen nach Tandes Erwecken aus seiner Narkose wenigstens ein Happy End beschieden scheint.