Kamil Stoch ritt jubelnd auf den Schultern seiner Teamkollegen, dann stürmte Sven Hannawald auf seinen Nachfolger zu und nahm ihn in den Arm: Polens Skisprung-Volksheld Stoch hat mit seinem vierten Tagessieg die 66. Vierschanzentournee gewonnen und damit Hannwalds magischen "Grand Slam" aus dem Jahr 2001/02 wiederholt. Nach Erfolgen in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck triumphierte Stoch auch beim Finale in Bischofshofen.
Stoch knackt Hannawalds Rekord
"Das ist Wahnsinn. Das ist von einem anderen Stern", rief Eurosport-Experte Hannawald, nachdem Stoch im letzten Springen 3,2 Punkte auf den Norweger Anders Fannemel zum Quadruple gerettet hatte.
"Mit jedem guten Sprung hat mir Kamil gezeigt: Er gehört mit da rein - und das ist auch gut so. Ich möchte es gar nicht mehr anders haben. Somit ist es alles gut, wir sind jetzt zu zweit. In meinem Klub kann ich jetzt reden, bisher konnte ich Selbstgespräche führen", sagte Hannawald.
"Ich wollte nur meine besten Sprünge zeigen, ich habe nie auf den Sieg geschaut. Aber klar, das ist eine große Ehre für mich, eine große Ehre für das gesamte Team", sagte "König Kamil", der nach dem Missgeschick seines Rivalen Freitag in Innsbruck mit einem Polster von rund 36 Metern Vorsprung in die letzten beiden Sprünge gegangen war. Nur zwei Springer hatten jemals einen größeren Vorsprung als Stoch: Sein Landsmann Adam Malysz (2001/104,4 Punkte) und der legendäre Finne Matti Nykänen (99,0).
Große Spannung nach Durchgang eins
In Bischofshofen machte es Stoch am Dreikönigstag noch einmal spannend, lag nach dem ersten Durchgang nur knapp vor seinem Landsmann Dawid Kubacki. Kubacki patzte dann zwar, dafür kam Fannemel mächtig auf. Wellinger schaffte auf der Paul-Außerleitner-Schanze mit einem Traumflug auf 139,5 m noch den Sprung auf das Tagespodest. Hannawalds Sprung zum Grand Slam am 6. Januar 2002, den mehr als 14 Millionen Menschen im deutschen Fernsehen verfolgt hatten, bleibt der letzte deutsche Sieg beim Tourneefinale.
Stoch, der seinen Titel damit erfolgreich verteidigte, lag in der Tournee-Wertung nach acht Sprüngen 69,6 Punkte vor Andreas Wellinger, der als Gesamtzweiter den DSV-Adlern nach dem bitteren Sturz-Aus von Richard Freitag doch noch ein Happy End bescherte.
Wellinger Zweiter in der Gesamtwertung
"Geiler Scheiß! Dieser zweite Platz ist auch für Ritschie und das ganze Team. Das ist grandios, nachdem es teilweise echt beschissen gelaufen ist", sagte Wellinger, der in Bischofshofen Dritter wurde: "Vor Kamil kann man nur den Hut ziehen, das war unfassbar. Wenn es einer verdient hat, dann er."
Auch die weiteren Deutschen sorgten für ein versöhnliches Ende einer schwierigen Tournee. Markus Eisenbichler egalisierte nach Rang zehn in Bischofshofen als Gesamtsiebter seine beste Tournee-Platzierung. Karl Geiger beendete die Wettkampfserie auf Gesamtrang elf, Stephan Leyhe kam auf Platz 13 in der Endabrechnung, Constantin Schmid, der in jedem Springen den zweiten Durchgang erreichte, auf Rang 18.
Historisches Debakel für Österreich
Weltmeister Stefan Kraft konnte mit seinem vierten Platz in Bischofshofen ein historisches Debakel der Österreicher nicht mehr verhindern. Erstmals seit 40 Jahren landete keiner der einst so dominierenden ÖSV-Adler unter den Top 10 der Gesamtwertung - bester war als 14. Michael Hayböck.
Für Stoch könnte es derweil der Auftakt zu einem unvergleichlichen Jahr 2018 gewesen sein. In zwei Wochen geht es in Oberstdorf um den Titel des Skiflug-Weltmeisters. Gewinnt er diesen, ist Stoch der zweite Springer neben Matti Nykänen, der die fünf großen Trophäen des Skispringens (Olympiasieg, WM, Tournee, Gesamtweltcup, Flug-WM) in seiner Karriere gewonnen hat.
Und in Pyeongchang könnte er nach 2014 zum zweiten Mal in Folge Doppel-Olympiasieger werden - das hat noch niemand geschafft. "Ich denke nicht ständig ans Gewinnen, das ist auch nicht klug", sagte Stoch: "Ich schaue immer nur auf meine Sprünge."