"Bei der WM sagt man: Leider scheiße. Das ist richtig bitter. Ich hätte sehr gerne auf dem Treppchen gestanden." Diese Worte vernahm man vor gut zwei Jahren aus Severin Freunds Mund.
Vom Pechvogel zum wahren Champion
Damals hatte Deutschlands Vorzeigeskispringer eine Einzelmedaille bei der WM in Val di Fiemme um nur 1,7 Punkte verpasst. Danach war er von vielen bereits als Versager abgestempelt worden.
Dass er es besser kann, hat der seitdem gereifte 26-Jährige bereits am vergangenen Samstag von der Normalschanze gezeigt, als er hinter dem Norweger Rune Velta Silber gewann.
Rekord-Vorsprung bei einer WM
Nun krönte er seine WM. Mit zwei überragenden Flügen auf 134,0 und 135,5 Meter sprang Freund zum ersten WM-Gold für die DSV-Adler seit Martin Schmitts Titel in Lahti 2001.
Skisprung-Legende Jens Weißflog nennt gegenüber SPORT1 die Gründe für Freunds Wandlung: "Er ist nervlich stabiler geworden. Er kann mit Wettkampfsituationen besser umgehen als noch vor ein, zwei Jahren."
Beeindruckend war vor allem die Dominanz, mit der er die internationale Konkurrenz staunen ließ. 22,3 (!) Punkte lag der Bayer vor dem zweitplatzierten Österreicher Gregor Schlierenzauer.
Weißflog sieht Schwächen bei der Konkurrenz
Dieser Abstand bedeutete den höchsten Vorsprung eines Weltmeisters im Skispringen seit Beginn der Dokumentation der Punktzahlen durch die FIS im Jahr 1985.
Weißflog führt diese Deklassierung der Kontrahenten auf seine perfekten Sprünge und die passenden äußeren Bedingungen zurück, hätte von "Freunds Hauptkonkurrent" jedoch mehr erwartet: "Rune Velta hatte ich mehr zugetraut. Wenn man von Schwächeln reden kann, war er vielleicht der Einzige, der Schwächen gezeigt hat."
Zudem stellte er mit seinem Sprung im zweiten Durchgang Schanzenrekord auf. Dabei belegte Freund zum wiederholten Mal seine Liebe zum Lugnet-Bakken, der WM-Anlage in Falun.Bereits exakt ein Jahr zuvor markierte er mit 133 Metern die Bestmarke beim Weltcup an selber Stelle. (Service: Zeitplan der Nordischen Ski-WM)
Glückwünsche von Sven Hannawald
Der amtierende Skiflug-Weltmeister verleitete seinen Macher mit der glanzvollen Vorstellung zu sehr sentimentalen Worten. "Severin ist geflogen wie ein Flugzeug, er war absolut am Limit. Ich bin schon sehr gerührt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal einen Weltmeister abwinken darf", schwärmte Bundestrainer Werner Schuster.
Sven Hannawald, selbst zweifacher Titelträger, twitterte voller Bewunderung: "Es gibt keinen Weltmeister, der es so verdient hat wie Severin Freund. Überragend! Herzliche Glückwünsche in den Norden."
Chance zur Unsterblichkeit im Team
Und noch ist das Ende der Fahnenstange nicht erreicht. Am Samstag (ab 17.00 Uhr im LIVETICKER) bietet sich Freund die Chance, es Martin Schmitt gleich zu tun: Wie der vor einem Jahr zurückgetretene Schwabe vor 14 Jahren in Finnland könnte er mit einer Medaille im Teamwettbewerb das vierte Edelmetall bei der WM einheimsen.
Weißflog bremst jedoch die Euphorie: "Der Titel für Deutschland ist keine Selbstverständlichkeit."
Wenn es zumindest mit dem Podest klappt, könnte der Rastbüchler den Schritt vom Pechvogel zum Champion endgültig vollziehen. Denn nicht nur bei der WM in Val di Fiemme 2013 wurde er Vierter.
Auch bei den Olympischen Spielen in Sotschi schrammte er mit Blech von der Großchance haarscharf an Edelmetall vorbei.
Danach wurde Severin Freund das Image eines Verlierers angehängt. Ihm versagten bei Großereignissen regelmäßig die Nerven, selten wurde er seiner Favoritenrolle gerecht.
Nach 14 Siegen im Weltcup, dem Titel bei der Skiflug-WM im letzten Jahr und seinem grandiosen Sieg in Falun dürfte Freund diesen Stempel endgültig los sein.