Kehrt Superstar Lindsey Vonn zurück auf die Piste? Für die Ski-Alpin-Welt wäre es marketingtechnisch ein Traum, wenn sich das zuletzt heißer werdende Gerücht bewahren würde – für Vonn könnte es sich zu einem Albtraum entwickeln, befürchten Experten.
Vonn? „Das grenzt an Verarschung!“
Nach der österreichischen Ikone Franz Klammer („Wenn sie das macht, hat sie einen Vollschuss!“) warnt im Gespräch mit SPORT1 nun auch die deutsche Legende Markus Wasmeier, dass Vonn mit einer Rückkehr Leib und Leben riskieren würde.
Wasmeier warnt Vonn vor Tragödie
„Natürlich kann es Ausnahmen geben, aber in der Regel ist es saugefährlich, wenn du solche Aktionen machst und dann auch noch in den Speed-Disziplinen fährst“, sagt der zweimalige Olympiasieger von Lillehammer 1994 – und betont, dass Vonns Alter und ihre lange Abwesenheit Risikofaktoren seien: „Ganz ehrlich: Wenn du nicht weiter völlig fit bleibst, fällt dir alles nicht mehr so leicht. Du bist auch nicht mehr so reaktionsfähig wie ein 25-Jähriger.“
Wie vor ihm Klammer verweist der 61 Jahre alte Wasmeier auf das warnende Beispiel von Vonns US-Landsmann Bill Johnson: „Er war eine riesige Koryphäe. Der hat eines Tages aufgehört, aber wollte unbedingt bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City wieder mit dem Skifahren anfangen. Da war er aber schon 40 Jahre alt. Er hätte sich dann über die amerikanischen Meisterschaften qualifizieren müssen. Dann ist er aber so schwer gestürzt, dass er sechs Monate im Koma lag und später mit Hirnschäden wie ein Fünfjähriger lebte. Zehn Jahre darauf ist er dann gestorben.“
Die 2019 zurückgetretene Vonn ist mittlerweile ebenfalls 40 – und Wasmeier gibt auch die lange Verletzungshistorie der ehemaligen Rivalin von Maria Höfl-Riesch zu denken („Die ist ja schon unzählige Male operiert worden“).
„Meiner Meinung nach ist das nur eine Show“
Was Vonn antreibt? Wasmeier hat nur eine Erklärung: „Das Marketing, die macht eine Show daraus. Ich kann mir das nicht anders vorstellen.“ Vonn wolle Publicity bekommen, eine andere Motivation könne er sich nicht vorstellen: „Meiner Meinung nach ist das nur eine Show. Das grenzt an Verarschung.“
Auch die Mentalität in ihrer Heimat spiele wohl eine Rolle: „In Amerika ist das eine ganz andere Nummer. Da muss man nur schauen, welche Ideologien da im Raume sind. Die sind für solche Aktionen total empfänglich und feiern das. Ob aus dem Comeback schlussendlich etwas wird, ist denen ja komplett egal.“
Das mögliche Comeback Vonns wird möglich gemacht durch die in diesem Winter neu eingeführte Wildcard für verdiente Alpin-Größen: Wer mindestens zwei Jahre keine Rennen mehr gefahren ist, aber einen Olympiasieg, einen WM-Titel (jeweils im Einzel), einen Gesamtweltcup- oder einen Disziplinweltcup-Sieg (mit mindestens fünf Rennerfolgen) vorweisen kann, darf für bis zu 20 Rennen eine Starterlaubnis beantragen.
Wasmeier kritisiert Wildcards für Hirscher & Co.
„Diese ganze Wildcard-Regelung verstehe ich nicht“, sagt Wasmeier – und macht darauf aufmerksam, dass er die Regelung theoretisch auch in Anspruch nehmen könnte: „Die Wildcard habe ich auch und noch viele weitere, und wir haben schon gesagt: ‚Nur um das lächerlich zu machen, müssten wir an den Start gehen.‘ Das Ganze ist nur wegen Marcel Hirscher entstanden, weil der da so viel Geld mit seinen Sponsoren hereinbringt. Das jetzt nur für Marketingzwecke zu verwenden, finde ich nicht in Ordnung.“
Dass Marketing zum Sport gehört, erkennt dabei auch Wasmeier an. Er verstehe auch, dass der Weltverband FIS Interesse daran habe, „dass der Skizirkus wieder belebt wird durch solche Aktionen“.
Trotzdem plädiert Wasmeier speziell im Fall Vonn dafür, dass die viermalige Gesamtweltcupsiegerin ihre Gedankenspiele nicht in die Tat umsetzt: „Vonn braucht das gar nicht. Die ist sowieso eine der besten Athletinnen, darum soll sie es bleiben lassen. Die soll sich feiern lassen für das, was sie erreicht hat. Ich würde mich zu Tode schämen, wenn ich da hinunterfahre und plötzlich zehn Sekunden Rückstand habe. Da lacht dich dann jeder aus.“
Auch Rebensburg und Neureuther sind skeptisch
Auch Viktoria Rebensburg und Felix Neureuther äußerten Bedenken hinsichtlich eines möglichen Vonn-Comebacks. „Es ist schwer, wenn man den Speed nicht mehr gewohnt ist“, betonte Olympiasiegerin Rebensburg am Sonntag in der Sendung „Blickpunkt Sport“ im BR. Der einstige Slalom-Spezialist Neureuther erklärte: „Bei den Geschwindigkeiten, bei den Sprüngen mit einem künstlichen Kniegelenk, das ist schon tough.“
Vonn plant zunächst einen Start als Vorläuferin beim Weltcup in Beaver Creek Mitte Dezember. Danach soll eine Entscheidung fallen über das angedachte Comeback im Stile von Marcel Hirscher. Der Doppel-Olympiasieger von 2014 war am Sonntag beim Saisonauftakt in Sölden zurückgekehrt und beim Riesenslalom auf Anhieb 23. geworden.