Die aktuelle Ski-Alpin-Saison ist gezeichnet von vielen Stürzen. Kaum eine Renn-Wochenende geht derzeit ohne folgenschwere Crashs über die Bühne - bereits 27 Stars wie auch der Norweger Alexander Aamodt Kilde haben sich in diesem Winter teils schwer verletzt.
Sturz-Festival: Ski-Ikone wird deutlich
Dementsprechend wird intensiv im Alpin-Zirkus über die Ursachen die Verletzungsmisere gesprochen. „Für mich ist es nach wie vor ein großes Fragezeichen, warum so viele Stürze passiert sind“, wird die österreichische Skirennläuferin Mirjam Puchner bei Eurosport zitiert.
Ihre Schweizer Konkurrentin Michelle Gisin fordert im Blick, dass der Ski-Weltverband FIS „genau analysieren muss, was alles falsch lief“. Schließlich sollten „so viele Verletzte (...) nicht passieren“.
„Bisschen verwundert!“ Deutsche Ikone übt Kritik
Beim ersten Blick könnten dabei die Pistenbedingungen eine Rolle spielen. Schließlich schieden bei den Damen in Cortina d‘Ampezzo gleich 35 Fahrerinnen in den drei Rennen aus - eine immense Anzahl!
„Zu meiner Zeit war das Standard“, hält jedoch die deutsche Alpin-Legende Markus Wasmeier im SPORT1-Interview dagegen - und sieht somit kein grundsätzliches Problem des Sports. Vielmehr ergänzt der zweimalige Olympiasieger: „Wenn ich mir die Fehler aus Cortina anschaue, dann waren das alles extreme Fahr- und Linienfehler. Das hat mich ein bisschen verwundert.“
Der einstige Speed-Spezialist meint weiter: „Vielleicht waren die Damen auf dieser Strecke etwas überfordert, denn eigentlich passte alles - die Piste war top, der Kurs auch, die Sicht war in Ordnung.“
Wasmeier: „Fehler, die nicht passieren dürfen“
Rekordfrau Lara Gut-Behrami hat eine etwas andere Theorie. „Im Moment ist es ein solches Durcheinander. Man pusht den Sport so weit, dass es keinen Platz mehr für Fehler gibt“, moniert sie im Interview mit ORF.
Sie sieht eine enorme Detailversessenheit bei der Kurssetzung und der Analyse. „Als ich noch 20 Jahre alt war, wusste ich: ‚Der Schnee ist heute schneller, die Sprünge weiter, ich muss mich bewegen.´ Jetzt sucht man nur noch den einen Zentimeter, aber denkt nicht daran, dass man sich immer bewegen, immer aktiv sein muss“, behauptet die Schweizerin, die bisher ohne Stürze davongekommen ist.
Doch so oder so ist für Wasmeier eine Sache klar. „Das sind Fehler, die Leuten wie Mikaela Shiffrin doch gar nicht hätten passieren dürfen“, meint der einstige Top-Fahrer bei SPORT1.
Die US-Amerikanerin war in Italien kurz nach der Landung in einer Linkskurve abgeflogen und landete krachend im Fangzaun - wie auch die Schweizerin Corinne Suter kurz zuvor. Die beiden Alpin-Stars mussten sogar per Helikopter ins nahegelegene Krankenhaus geflogen werden.
Terminhatz im Alpin-Bereich sorgt für Diskussion
Ein anderes großes Thema ist der Reisestress im Weltcup. Nach zahlreichen wetterbedingten Absagen zu Saisonbeginn mussten die Sportler zuletzt ein immenses Pensum abspulen, um die ausgefallenen Rennen nachzuholen.
„Was die FIS mit ihrem Rennprogramm den Athleten zumutet, ist ungesund“, polterte Christian Höflehner, Rennchef des Ausrüsters Atomic, beim Blick angesichts von 45 Rennen in nur 148 Tagen.
Mit dieser Einschätzung ist er beileibe nicht alleine, aber Wasmeier zählt nicht zu deren Fürsprechern. „Jeder Athlet fährt diese Strecken freiwillig und kann ohne Druck vom Verband entscheiden, ob er starten will oder nicht. Das Risiko kennen alle, das war schon zu meiner Zeit so“, erläutert der 60-Jährige.
Dazu gibt es nach Meinung Wasmeiers die viel diskutierte Überbelastung nur bei den „Athleten, die alle Disziplinen fahren - und das ist eine kleine Anzahl“.
Ski-Legende moniert mangelnde Kraft bei Stars
Zudem macht der Schlierseer auf ein weiteres Problem aufmerksam. „Diejenigen, die momentan die unfittesten und auch nicht die schnellsten sind, brauchen viel mehr Kraft. Da wird es natürlich anstrengend.“
Dabei hätten alle Sportlerinnen und Sportler die Möglichkeit sich im Sommer auf die „drei Monate Wettkämpfe“ vorzubereiten, um die Saison bestmöglich zu bestreiten. Es sei daher „unfair“ gegenüber anderen, „dass da direkt wieder über die Tragbarkeit solcher Wettkämpfe diskutiert wird.“
Als Parade-Beispiel nennt Wasmeier den Schweizer Star Marco Odermatt, der über eine „extrem kraftschonende“ Technik verfügt - etwas, was seiner Konkurrenz fehle: „Natürlich hat er auch Kraft, muss davon aber im Vergleich zu allen anderen nur die Hälfte einsetzen. Das ist immer das Schlimme: Wer schnell ist, braucht weniger Kraft.“
Odermatts Landsfrau Lara Gut-Berahmi hält jedoch dagegen und nennt noch ein anderes Problem. „Vor zehn Jahren haben wir nur über das Skifahren gesprochen. Jetzt musst du ständig einen Insta-Post machen, für drei Sponsoren zur Verfügung stehen und dazwischen mit einigen noch Ski fahren gehen.“