In knapp einer startet der alpine Ski-Weltcup traditionell in Sölden. Sowohl die Damen als auch die Herren starten mit einem Riesenslalom in die neue Saison (alle Rennen im SPORT1-Liveticker).
Klima! Stars bangen um Weltcup
Doch statt sich ganz auf die Jagd nach Zehnteln und Hundertsteln konzentrieren zu können, bangen die Ski-Stars mehr um die Zukunft ihres Sports und was für ein Bild der alpine Ski-Weltcup nach außen gibt.
„Wenn die Leute im Zielraum im T-Shirt rumlaufen und jene vor dem Fernseher Badehose tragen, ist das nicht logisch“, machte sich etwa die Schweizerin Lara Gut-Behrami im Blick Gedanken um die Situation. „Das weckt bei ihnen doch keine Lust, selbst Ski zu fahren.“
Auch Mikaela Shiffrin, die im letztem Winter Ski-Legende Ingemar Stenmark den Siegrekord abgenommen hatte, zweifelt im Rahmen eines Sponsorentermins an der Sinnhaftigkeit der Terminierung. Zwar sei sie selbst in der Lage, „auch bei warmen Temperaturen in den mentalen Zustand zu kommen, Rennen zu fahren“. Doch darum gehe es nicht. Die eigentliche Frage sollte sein: „Macht das wirklich Sinn?“
Die Kritik der beiden Ski-Stars sorgte für große Diskussion im Ski-Zirkus. Während es von einigen Seiten durchaus Verständnis für die Sorgen der Athletinnen gab, schossen einige Ski-Legenden auch in die Richtung von Shiffrin und Gut-Behrami.
Bauarbeiten in Sölden? „Sehr verstörend“
Ausgelöst wurde die Diskussion vor einigen Wochen, als Greenpeace ein Video veröffentlichte, auf denen Bagger rund um die Strecke in Sölden Felsen und Eis abtragen. Auf der Homepage von Greenpeace Österreich wurde geschrieben, dass bereits seit April Eis abgetragen werde, „um die Abfahrtsstrecke zu optimieren“.
Jakob Falkner, Leiter der Bergbahnen in Sölden, sagte damals bereits auf Nachfrage der österreichischen Presseagentur APA: „Es handelt sich um normale Sanierungsarbeiten der bestehenden Piste aufgrund des Rückganges des Rettenbachgletschers, die im April begonnen haben und bis September andauern.“ Zudem bezeichnete er das Vorgehen Greenpeaces als populistisch und „Missbrauch der Fakten“.
Auch Christian Neureuther hatte sich zu der Situation geäußert. Im BR24-Podcast Pizza & Pommes Ende September sagte er, diese Bilder seien „für den Skisport eine Katastrophe. Ich war sprachlos aufgrund der Bilder. Die sind sehr verstörend und einfach nicht mehr zeitgemäß.“
Dreßen verteidigt Sölden
Durch das Näherrücken des Weltcup-Auftakts hat die Diskussion nun wieder an Fahrt aufgenommen. So verteidigte Thomas Dreßen das Sölden-Wochenende. „Ich höre so viele negative Sachen über den Skisport generell, dass mir das mittlerweile echt ziemlich auf den Keks geht, wie sich da manche äußern, auch Ex-Sportler“, bezog er sich bei der Einkleidung für die neue Saison auch direkt auf Neureuther und fügte hinzu: „Das geht mir tierisch auf die Nerven.“
Dreßen - Sölden ist seit Jahren Kopfsponsor des Speed-Spezialisten - habe laut eigener Aussage selbst mit den Verantwortlichen vor Ort darüber gesprochen. In dem Gespräch sei ihm bestätigt worden, dass es sich um Instandhaltungsarbeiten gehandelt habe. Danach solle weniger Schnee zur Pistenvorbereitung benötigt werden. „Somit ist es ja eigentlich nachhaltig und langfristig gedacht für das Klima besser, wenn du den Skisport machen willst.“
Terminverschiebung? Gut-Behrami und Shiffrin dafür
Unabhängig davon steht jedoch immer wieder die Frage im Raum: Warum lässt der Ski-Weltverband FIS die Saison nicht später starten? „Wir haben weniger Schnee im November und viel im April. Für viele Athleten würde es Sinn machen, Mitte November zu beginnen“, macht sich Gut-Behrami für eine solche Vorgehensweise stark.
Mit dieser Anpassung des Rennkalenders würden in den Augen der 32-Jährigen alle gewinnen. Die Weltcup-Starter würden zum Auftakt in die neue Saison bessere Bedingungen vorfinden. Zudem wäre der Werbeeffekt höher. „Wenn die Leute zu Hause bei 25 Grad Rennen schauen, denken sie nicht als Skifahren. Das passiert, erst, wenn es kälter wird und der Schnee kommt – das wäre auch die bessere Werbung für unseren Sport.“
Für Shiffrin geht es dabei um eine grundsätzliche Einstellung zur Natur. Natürlich könne man die Umwelt an den Zeitplan anpassen. Man könne jedoch auch den Zeitplan an die Umwelt anpassen. Für welche Option die US-Amerikanerin votiert, wurde direkt im Anschluss klar: „Ist jetzt die Zeit für Skirennen? Vermutlich eher nicht.“ Daher gebe es nur eine Möglichkeit: „Der Kalender sollte überdacht werden.“
„Tabula Rasa machen“
Noch drastischer wurde Gut-Behramis Teamkollegin Michelle Gisin. Die 29-Jährige, die sowohl bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang als auch 2022 in Peking Gold in der Alpinen Kombination gewann, könnte sich im Blick sogar ein Trainingsverbot im Sommer vorstellen, um den Gletschern in dieser Zeit eine Ruhephase zu gönnen. „Man sollte irgendwann Tabula Rasa machen. Alles genau überdenken und von null aufbauen.“
Man darf gespannt sein, wie die Entwicklung im alpinen Skizirkus weitergeht. Laut eigenen Angaben ist die FIS seit über zwei Jahren klimaneutral. Eine Aussage, die immer wieder in Zweifel gezogen wird. Unter anderem bezeichnete DSV-Geschäftsführer Stefan Schwarzbach den Umstand, dass die Männer im vergangenen Winter zweimal nach Nordamerika geflogen sind, im Deutschlandfunk als „unsere Achillesferse. Dazu müssen wir stehen und das müssen wir in der nächsten Zeit angehen“, forderte er.