Für Selina Grotian war dieser vierte Platz alles andere als undankbar.
Wunderkind pulverisiert Erwartungen
„Das Rennen war wie ein Film“, sagte die 19-Jährige nach ihrem famosen Debüt bei der Biathlon-WM in Nove Mesto: „Ich habe davor noch nie viermal Null geschossen. Ich kann es einfach nicht glauben. Ich strahle über alles und kann es noch nicht fassen.“
Als Wunderkind des deutschen Biathlon, als potenzielle Erbin der einstigen Ausnahmeerscheinungen Magdalena Neuner und Laura Dahlmeier wird die Teenagerin aus Garmisch-Partenkirchen schon länger gehandelt.
Die Art und Weise, wie sie nun gleich bei ihrem allerersten Einsatz auf der größten Biathlon-Bühne alle Erwartungen übertraf, wird den Hype kaum kleiner werden lassen. Im Windschatten des überraschenden Silber-Coups von Janina Hettich-Walz im Einzel trumpfte auch Grotian ganz groß auf.
Selina Grotian bei Biathlon-WM furios: Erik Lesser staunt
„Das hätte ich ihr heute nicht zugetraut“, staunte der ehemalige Spitzen-Biathlet und jetzige ARD-Experte Erik Lesser, der Grotians Werdegang intensiv beobachtet hat: „Ein gutes Ergebnis, Platz 20, ja okay - aber viermal Null, das hat sich nicht abgezeichnet.“
Im Weltcup war die fünfmalige Junioren-Weltmeisterin Grotian noch nicht über Rang 21 hinausgekommen; speziell auch am Schießstand zeigte sie öfters Nerven und „überflüssige Fehler“ (Lesser). Grotian selbst hatte nach eigenen Angaben eigentlich gedacht, dass sie angesichts verpasster Norm beim Großereignis „gar nicht zum Einsatz“ komme.
Sie bekam das Ticket trotzdem - und rechtfertigte es eindrucksvoll.
„Bringt extreme Fähigkeiten mit“
„Vielleicht ist es das Beste, spontan Leistung zu bringen“, erklärte Grotian, warum es am Schießstand diesmal wie am sprichwörtlichen Schnürchen lief: „Dieses Mal war es irgendwie ganz anders wie sonst, keine Gedanken. Wenn es immer so wäre, wäre das einfach Bombe.“
Grotian schien in den vergangenen Monaten doch nicht ganz unbeeindruckt schien von der Last der Erwartungen, über deren Schattenseiten sie im vergangenen Jahr im SPORT1-Interview offen gesprochen hatte: „Ich möchte alles nicht so nah an mich heran lassen, weil es einen auch runterziehen kann. Ich werde es einfach ausblenden und dann mal sehen, wie es wird.“ In Nove Mesto hat Grotian nun genau das gemacht, was sie sich damals vorgenommen hatte: „einfach weiter mein Ding“.
Besonders die Stehendschießen absolvierte Grotian nicht nur ohne Patzer, sondern auch in beeindruckender Geschwindigkeit (24,6 und 26,9 Sekunden). „Das finde ich schon auch eine Ansage“, meinte Lesser, der darauf hinwies, dass sie schon bei den Junioren-Konkurrenzen gut damit gefahren sei, wenn sie wie in Nove Mesto „frech geschossen“ hätte.
„Die Selina hat extremes Talent, bringt extreme Fähigkeiten mit. In ihrem ersten Seniorenjahr ist sie wie ein Komet durchgeschossen, hat wahnsinnige Erfolge gefeiert. Im Weltcup hat sie am Anfang ein bisschen gebraucht“, freute sich auch DSV-Sportdirektor Felix Bitterling.
Grotian habe im Einzel „alles richtig gemacht“ - und habe ihren Beitrag zu einem Mannschaftsergebnis geleistet, dass „ein Statement“ im Hinblick auf die restlichen WM-Wettkämpfe sei. Ein persönliches Statement von Deutschlands größtem Biathlon-Talent war es zudem.
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)