Seit Wochen ist der Betrugsskandal um Julia Simon das Dauerthema im französischen Biathlon-Team. Lange schwieg die 26-Jährige, doch nun meldet sie sich erstmals öffentlich zu den schweren Vorwürfen - und stellt sie als haltlos und sich als Opfer dar.
„Bin Opfer“: Simon bricht Schweigen
„Ich weise die Anschuldigungen absolut zurück, deshalb muss ich meine Version der Ereignisse darlegen“, erklärte Simon in einem Interview mit den beiden großen französischen Mediem Le Dauphiné und L‘Équipe. Der Französin wird vorgeworfen, dass sie ihrer Teamkollegin Justine Braisaz-Bouchet sowie einem weiteren Mitglied der Mannschaft Kreditkarten gestohlen und damit für 1.620 Euro im Internet eingekauft habe.
Simons Version der Geschichte: „Es gab Einkäufe, die über die Kreditkarten mit meinem Namen getätigt wurden, aber heute bin ich auch Opfer dieser Situation. Mein Name wurde ohne mein Wissen verwendet“, meinte die Gesamtweltcupsiegerin der vergangenen Saison, die bei der WM in Oberhof Verfolgungs-Weltmeisterin vor Denise Herrmann-Wick wurde. „Ich glaube, mein Name wurde missbraucht. Ich habe meinerseits eine Anzeige wegen Identitätsdiebstahls erstattet.“
Ob die Geschichte so stimmt, ist aktuell Gegenstand nicht abgeschlossener Ermittlungen. Intern hat Simon ihre Darstellung schon übermittelt, ihr Umgang mit der Situation offensichtlich nicht alle Teamkolleginnen überzeugt. Mehrere von ihnen hatten zuletzt öffentlich Kritik und Unverständnis geäußert, neben Braisaz-Bouchet („Wenn ich keine Beweise gefunden hätte, hätte ich nichts unternommen“) auch Lou Jeanmonnot (“Julia hat viele schlechte Entscheidungen getroffen, anstatt die Hand zu akzeptieren, die wir ihr gereicht haben“).
Simon allerdings zeigt sich ungeachtet dessen überzeugt, ihre Unschuld nachweisen zu können.
Biathlon-Skandal: Julia Simon „völlig verblüfft“
Dass mit der Kreditkarte drei identische Gegenstände gekauft worden, sei ein Hinweis, dass etwas nicht stimme mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen, so Simon: „Und dadurch, dass ich selbst Anzeige erstatte habe, kann ich zeigen, dass ich unschuldig bin und versuche, die Wahrheit zu finden. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen.“
Es gehe Simon nicht darum, „Öl ins Feuer zu gießen“. Deshalb möchte sie nicht weiter über das Thema reden, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind, sondern sich wieder voll und ganz auf den Sport fokussieren. Die brisante Thematik schwebt schon seit längerer Zeit über der französischen Biathlonmannschaft, lange bevor es öffentlich wurde.
Als die Skijägerin Ende September 2022 vom Verbandschef über die schweren Vorwürfe informiert wurde, sei sie „völlig verblüfft“ gewesen und habe es „es nicht verstanden“ sagt Simon. Nach einer Besprechung habe sie damals aber das Training für die nahende Winter-Saison fortgesetzt.
Simon gesteht Fehler ein: „Situation nicht verstanden“
Im Dezember habe Simon die Situation ihren Teamkolleginnen erklärt und aus ihrer Sicht transparent gehandelt. „Dann ging die Saison weiter und ich fand, dass sie ziemlich gut gelaufen ist. Aber ich hatte das Gefühl, dass im Laufe der Zeit Spannungen auftraten“, schilderte sie und fügte hinzu: „Ich habe gesagt, dass es eine Geschichte zwischen Justine und mir gab, dass ich aber nichts getan habe. Wenn jemand mehr Informationen haben wollte, konnte er zu mir kommen und mit mir darüber sprechen.“
Simon räumt allerdings auch ein, dass sie nicht alles richtig gemacht habe: „Mein großer Fehler war, dass ich es anfangs auf die leichte Schulter genommen und die Situation nicht verstanden habe. Mir war nicht klar, wie relevant diese Geschichte werden könnte. Ich hätte mir sofort Leute wie zum Beispiel einen Anwalt nehmen sollen.“
Mittlerweile habe sie durch ihren Anwalt erfahren, dass die Vorwürfe nicht stimmig wären und einige Dinge für sie sprächen.
Simon und Braisaz-Bouchet nicht in Kontakt
Weil es Simon anfangs nicht leicht gefallen sei, mit der Situation umzugehen, habe es in der vergangenen Saison „viele komplizierte Momente“ gegeben.
„Die einzige Sache, auf die ich Einfluss nehmen konnte, war der Sport. Dann kam der Druck rund um die Weltmeisterschaft und den Gesamtweltcup. Da habe ich viel für mich behalten“, erklärte Simon. Sie habe es dann als Befreiung empfunden, dass der Fall Anfang Julian die Öffentlichkeit gelangte - auch wenn sie selbst noch mehrere Wochen schwieg. „Ich habe mir gesagt: Endlich wissen die Leute, dass es nicht nur Gerüchte waren. Ich habe mich dann geschützt und hatte Angst vor den Reaktionen in den sozialen Medien. Deswegen habe ich sie für eine Weile abgestellt.“
Die Wiedereingliederung ins Team werde für Simon ebenfalls nicht leicht, vermutet sie. „Es war schwierig, diese soziale Ausgrenzung zu spüren. Ich weiß, dass es für den Verband und für die Mädchen nicht einfach ist. Aber ich habe das Gefühl, dass sie mein Vertrauen verloren haben und dass sie sauer auf mich sind“, so die Biathletin.
Obwohl es noch kein persönliches Gespräch mit Braisaz-Bouchet gegeben habe, sei Simon ihr nicht böse. „Ich kenne sie sehr gut. Wir sind zusammen aufgewachsen und kommen aus demselben Verein in Les Saisies. Doch die Situation ist traurig. Ich hoffe, dass sie unsere jeweiligen Karrieren nicht beeinträchtigt.“
Simon hat nicht den Eindruck, dass sie sich in einem „Krieg“ zu Braisaz-Bouchet befindet, „zumindest nicht von meiner Seite“.