25 Grad, Blick aufs Meer - im Club der Besten an Spaniens Costa del Sol scheint der Winter noch weit weg. Und doch befinden sich auch die Biathleten längst mitten in der Vorbereitung auf die Saison, mit Olympia 2022 im Februar in Peking als Höhepunkt.
Peiffer warnt: “Sonst wie auf Schalke”
In Magdalena Neuner, Laura Dahlmeier, Simon Schempp und auch Arnd Peiffer haben in den vergangenen Jahren namhafte Top-Biathleten ihre sportliche Karriere beendet. Kann der Aderlass aufgefangen werden oder drohen in Peking Olympische Spiele ohne deutsche Biathlon-Medaille? (Simon Schempp im SPORT1-Interview: Darum habe ich aufgehört)
Im SPORT1-Interview spricht Peiffer über seine neuen Aufgaben und wirft einen kritischen Blick auf die Situation des deutschen Biathlons.
Peiffer spricht über Rücktritt
SPORT1: Herr Peiffer, wie lebt es sich aktuell im Club der Besten?
Arnd Peiffer: Es ist eine schöne Zeit. Einige, so wie ich, sind mit ihren Familien da. Andere geben richtig Gas (lacht). Es lebt auch von dieser Mischung, ich finde es cool.
SPORT1: Sie haben im März Ihren Rücktritt erklärt. Wie haben Sie das erste halbe Jahr danach erlebt?
Peiffer: Es ist schon eine Umstellung. Aber ich habe die Zeit auf jeden Fall genossen. Als Leistungssportler ist die Zeit sehr durchgetaktet gewesen. Jetzt habe ich zum Beispiel auch mal Zeit, Freunde zu besuchen, die nicht um die Ecke wohnen.
SPORT1: Haben Sie schon Zukunftspläne?
Peiffer: Ja, sogar ganz konkrete. Ich bin ja Bundespolizist und bleibe dort. Zukünftig nehme ich an der Bundespolizeisportschule eine interessante Aufgabe wahr, in der ich weiter mit Leistungssport zu tun haben werde.
So bewertet Peiffer die Lage im deutschen Biathlon
SPORT1: In welcher Funktion?
Peiffer: Ich werde im Bereich der Sportkoordination tätig sein. Die Rahmenbedingungen für die Athlet*innen stetig zu verbessern und die besten Nachwuchsathlet*innen im Wintersport für die duale Karriere an der Bundespolizeisportschule zu begeistern, werden unter anderem meine Kernaufgaben sein. Bei der Biathlonsparte werde ich natürlich ein bisschen genauer hinschauen.
SPORT1: Wann geht es für Sie los?
Peiffer: Am 1. Februar. Ich habe also noch ein bisschen Zeit.
SPORT1: In der Sie nun einen Blick von außen auf den deutschen Biathlonsport werfen können. Wie bewerten Sie die Lage?
Peiffer: Es gibt schon Defizite in unserer Mannschaft. Man muss die Situation bei den Frauen und Männern unterscheiden. Bei den Frauen haben wir mit Franziska Preuß und Denise Herrmann zwei Top-Athletinnen. Bei ihnen rechne ich mit Top-Leistungen. Dahinter ist die Lücke aus meiner Sicht etwas zu groß. Mit der Staffel können sie aber Medaillen gewinnen und auch ganz oben stehen.
Peiffer über Doll: Schießleistung nicht ausreichend
SPORT1: Und bei den Männern?
Peiffer: Da haben wir fünf, sechs Männer, die richtig gut laufen können. Der Benny (Benedikt Doll, Anmerkung der Redaktion) zum Beispiel hat so ein Laufvermögen. Allerdings war die Schießleistung zuletzt nicht ausreichend. Es ist schwer, generell eine Prognose zu treffen. Es kann sein, dass Peking eine Enttäuschung wird. Es kann aber auch sein, dass der Knoten platzt.
SPORT1: Man hat das Gefühl, dass Frankreich und Schweden inzwischen vorbeigezogen sind und Norwegen sogar ein Stück enteilt ist. Trügt der Eindruck?
Peiffer: Wir haben selbst sicher Luft nach oben. Aber man muss auch sehen, dass andere Nationen nachgezogen haben und inzwischen viel professioneller aufgestellt sind als etwa noch vor 15 Jahren. Man darf auch nicht vergessen, dass das vergangene Jahr aufgrund von Corona sehr speziell war. Während wir im Lockdown saßen und auf dem Fahrrad hockten, konnten die Norweger bis in den Mai hinein Ski fahren. Man darf auch nicht außer Acht lassen, dass die Norweger eine viel breitere Basis an Langläufern haben, die in den Biathlon durchstechen.
SPORT1: Muss auch deshalb wieder mehr Wert auf die Nachwuchsarbeit gelegt werden?
Peiffer: Richtig ist, dass wir nicht mehr so viele Nachwuchsathleten haben. Mit denen müssen wir sorgfältig umgehen. Früher konnten wir förmlich aussieben, jetzt müssen wir den Nachwuchs aufbauen und um junge Athleten werben. Aber das ist ja kein reines Biathlon-Problem bei uns in Deutschland.
Peiffer über Winterspiele: Olympia-Erlebnis wird nicht super
SPORT1: Sie haben schon über die Aussichten in Peking gesprochen. Was erwarten Sie generell für Olympische Spiele dort?
Peiffer: Ich habe gehört, dass die Maßnahmen wegen Corona noch schärfer sein werden als in Tokio. Ich befürchte, dass das Olympia-Erlebnis nicht super wird. Zumal China nicht gerade ein Wintersport-Mekka ist. Olympia 2026 in Cortina und Antholz wird sicher eine andere Leidenschaft herrschen.
SPORT1: Hinzu kommen wohl schwierige Bedingungen...
Peiffer: Richtig, die Anforderungen werden sehr anspruchsvoll sein. Die Biathlon-Wettkämpfe werden auf über 1600 Meter Höhe ausgetragen. Zudem könnte es sehr kalt werden. Da wurden schon vor zwei Jahren Gespräche mit unserem Handschuhhersteller aufgenommen, um speziell für Peking eine warme Variante zu entwickeln. Das ist ja eine Crux: Auf der einen Seite müssen die Hände warm sein, auf der anderen Seite darf das Gefühl beim Schießen nicht verloren gehen. Für die Skier wird es auch extra kalte Schliffe geben.
SPORT1: Zuletzt wurde der Super-Sprint als neue Disziplin zwar zunächst auf Eis gelegt, könnte aber übernächste Saison kommen. Was halten Sie von solchen Innovationen?
Peiffer: Der direkte Kampf Mann gegen Mann oder Frau gegen Frau macht es schon sehr spannend. Man darf es aber meiner Meinung nach nicht überdrehen, dass es fast nur noch aufs Schießen ankommt. Sonst ist es wie auf Schalke. Man darf die Fans auch nicht zu sehr verwirren mit zu vielen Disziplinen.