Laura Dahlmeier brauchte ein wenig, bis sie für die Fotografen bereit war. Sechs Medaillen hängte sie sich um den Hals und posierte in der Sonne vor dem Bergpanorama Hochfilzens.
Dominatorin Dahlmeier: Biathlon in Perfektion
Es war ein Bild für die Geschichtsbücher.
Noch nie zuvor hat eine Biathletin fünf Goldmedaillen bei einer WM geholt. Auch den Legenden Magdalena Neuner und Magdalena Forsberg war das nicht gelungen. Selbst Biathlon-König Ole Einar Björndalen hat Dahlmeier übertrumpft. Der Weltcup-Rekordsieger gewann bei den Weltmeisterschaften 2005 und 2009 jeweils vier Goldmedaillen.
Ihr selbst war ihr historischer Erfolg gar nicht so bewusst. "Ich freue mich vor allem, dass es so aufgegangen ist. Ich habe mir vor der Saison zum Ziel gesetzt, dass ich bei der WM meine Bestleistung abrufen will. Das habe ich geschafft und da bin ich super happy", beschrieb sie SPORT1 ihre Gefühlslage.
Entdecker Müßiggang begeistert
Dahlmeier sprach auch nach der fünften Goldmedaille bescheiden über ihre großen Erfolge. Andere lobten sie dagegen umso mehr. Auch der Mann, der sie einst bei den Junioren entdeckte und ihr 2013 zum WM-Debüt verhalf: der langjährige Bundestrainer Uwe Müßiggang.
"Sie ist die beste Biathletin aller Zeiten", ist er sich im Gespräch mit SPORT1 sicher: "Am Ehesten noch mit ihr vergleichbar ist die Magdalena Forsberg, wobei ich die Laura läuferisch noch einen Tick stärker einschätze", fügte er hinzu.
"Wir haben in der Vergangenheit national und international tolle Biathleten gehabt, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass eine die Szene jemals so beherrscht hat wie sie", adelte auch Bundestrainer Gerald Hönig seine Athletin.
Neuner am Schießstand nicht so stark
Für Müßiggang und Hönig steht damit fest: Dahlmeier steht im inoffiziellen Ranking auch vor Rekordweltmeisterin Neuner. Müßiggang erklärt, warum: "In dieser Souveränität hat man das noch nicht gesehen: perfekt im Schießen und im Laufen. Sie bringt die Bestzeit im Laufen und hat beim Schießen dann auch noch eine hundertprozentige Trefferquote."
Neuner dagegen patzte oft am Schießstand. Das machte sie zwar meist durch ihre Laufstärke wett, aber eine Medaille im Einzel blieb ihr dadurch beispielsweise verwehrt.
Rasant verlaufene Karriere
Dahlmeier war Müßiggang schon früh aufgefallen: "Das hat man schon im Junioren-Alter gesehen, dass sie eine extrem starke Schützin ist."
Es war der Beginn einer rasanten Karriere. Olympia-Teilnahme 2014, erster Weltcup-Sieg 2015, erste Medaillen bei der WM 2015, erstes Einzel-Gold 2016.
Dominatorin dank mentaler Stärke
Und in diesem Winter dominiert Dahlmeier bei den Frauen wie lange keine vor ihr. Gesundheitliche Probleme, die sie in den vergangenen Wintern bremsten, hat sie in den Griff bekommen.
Mittlerweile glänzt sie nicht nur am Schießstand, sondern ist auch läuferisch zusammen mit der Finnin Kaisa Mäkäräinen die Stärkste. Bereits im ersten Rennen in Östersund übernahm sie das Gelbe Trikot der Führenden im Gesamt-Weltcup. Seitdem zeigt sie eine unfassbare Konstanz. Schlechter als Fünfte wurde die Partenkirchenerin nie.
Ihr gelingt es mit ausgeprägter mentaler Stärke jedes Mal aufs Neue, mit hundertprozentiger Konzentration an den Start zu gehen. Das war auch in Hochfilzen ihr Erfolgsrezept.
"Mein Ziel war, in jedem Rennen immer das Beste zu geben und mich von Rennen zu Rennen wieder aufs Neue zu konzentrieren. Sich zu erholen und dann alles zu geben. Das war der Schlüssel zum Erfolg."
Willensstark wie keine andere
Den Anstrengungen bei der WM musste Dahlmeier in den vergangenen Tagen zwar mehrfach Tribut zollen. Sowohl nach dem Einzel als auch nach dem Staffelrennen erlitt sie einen Kreislaufkollaps.
Doch für Müßiggang deuten diese körperlichen Zusammenbrüche auch auf eine von Dahlmeiers Stärken hin: "Sie ist in der Lage, die sogenannten 105 Prozent zu geben, wenn es um Gold geht. Das können nicht viele. Das sind Willensqualitäten. Sie kann sich in einen Bereich reinschinden, in den andere nicht reinkommen."
Nach den Rennen kassierte sie dann kurz die Quittung für diese physische Grenzverschiebung: "Danach hat mein Körper nicht mehr ganz so mitgespielt und hat die Ruhe gebraucht."
Erst Berge, dann Party
Ruhe hat sie sich nach dem historischen Erfolg von Hochfilzen jetzt auch verdient. Erst am Samstag geht es weiter zur Olympia-Generalprobe nach Pyeongchang. Bis dahin will sie in ihrer Heimat Garmisch-Partenkirchen ausspannen - und in ihre geliebten Berge gehen.
Die große Gold-Sause soll es dann erst nach Saisonende Ende März geben, wie sie SPORT1 verriet. "Dann wird es eine ordentliche Party geben", versprach die 23-Jährige. Niemand hat diese Party mehr verdient als sie.