Es war eine andere Zeit, als Reinhold Bachler am 12. März 1967 auf dem Balken in Vikersund saß. Seine schweren Holzski wogen knapp elf Kilogramm - fast dreimal so viel wie die heutigen Hightech-Sprungski.
Ein wegweisender Sensations-Flug
Von Sicherheitsbindungen oder ausgeklügelter Aerodynamik war damals keine Rede. Was zählte, waren Mut, Talent und ein unbändiger Wille, der den gelernten Bergmann aus Eisenerz in der Steiermark an jenem schicksalhaften Tag in Norwegen beflügelte.
Die Schanze in Vikersund hatte erst wenige Jahre zuvor den Umbau zur Flugschanze erlebt. 1964 hatte der Skiclub unter der Leitung von Ottar Grotterud beschlossen, die Anlage zu erweitern und aus dem Vikersundbakken eine echte Flugschanze zu machen. Mit einem Kostenaufwand von 445.000 Norwegischen Kronen entstand eine imposante Anlage, die am 13. März 1966 eingeweiht wurde.
Nur ein Jahr später wurde die Schanze zum Schauplatz eines historischen Moments.
Ein Meilenstein für Skisprung-Österreich
Als Bachler am 12. März 1967 den Schanzentisch verließ, spürte er sofort, dass etwas Besonderes in der Luft lag. Mit einer beeindruckenden Mischung aus Technik und Intuition segelte er durch die norwegische Luft - weiter und weiter, bis er schließlich bei der damals unfassbaren Marke von 154 Metern landete.
„Als ich unten abgeschwungen und auf den Aufsprung zurückgeschaut habe, ist der Weitenmesser hinein gelaufen“, erzählte Bachler Jahre später.
Weiter erinnerte er sich: „Er hatte einen Hut auf, den Hut hat er abgenommen und ihn genau dort aufgelegt, wo ich aufgesprungen bin. Dann haben sie nachgemessen, und so ist die Marke 154 Meter entstanden. Das war wirklich eine tolle Sache.“

Der damals 23-Jährige hatte den vorherigen Rekord sensationell um ganze vier Meter gesteigert und einen Meilenstein im Skispringen gesetzt - er wurde ein österreichischer Nationalheld in einer Zeit, in der die Alpenrepublik bei weitem noch nicht die Skisprung-Macht war, die sie heute ist.
Vom Bergmann zum Ski-Helden
Der am 26. Dezember 1944 geborene Eisenerzer fand seine Passion für das Skispringen durch einen Zufall.
„Ich habe mich einmal ins Kino hineingeschwindelt“, erzählte Bachler. „In der Wochenschau sah ich Bubi Bradl (Josef Bradl, Österreichischer Skispringer; Anm. d. Red.) hinuntersegeln. Das hat mir so imponiert. Dann habe ich mir kleine Schanzen gebaut und die Schanzen sind mit der Zeit immer größer geworden.“
Der Weg zum Profisportler war jedoch steinig. Nach seiner Lehrausbildung im Untertagebau am Erzberg arbeitete Bachler zunächst als Bergmann - eine Doppelbelastung, die heute undenkbar wäre.
„Erst nach meinen Erfolgen in den Jahren 1967 und 1968 war die Voest Alpine so großzügig und hat mir den Lohn weiterbezahlt, wenn ich freigestellt werden musste“, erklärte der Österreicher später.
Bachler ebnete dem Aufstieg zur Skisprung-Macht den Weg
Der Weltrekordflug in Vikersund katapultierte Bachler endgültig in die internationale Skisprung-Elite. In seiner 14 Jahre andauernden Karriere auf höchstem Niveau stand er insgesamt 60 Mal auf dem Podest, gewann 21 FIS-Wettbewerbe und wurde 1968 in Grenoble Olympia-Zweiter, was gleichzeitig die Silbermedaille bei der Weltmeisterschaft bedeutete.
In den Siebzigern spielte Bachler auch noch eine tragende Rolle, als der kürzlich verstorbene Baldur Preiml - anfangs Teamkollege Bachlers - als Trainer durch eine Reihe von Trainings- und Materialinnovationen endgültig in die Weltspitze brachte. Bachler war einer der Veteranen, in deren Windschatten die neue Generation um Toni Innauer zu Siegspringern reifte.
Auch nach seiner aktiven Karriere blieb Bachler dem Sport treu. Von 1982 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2000 arbeitete Bachler als Trainer im Nordischen Ausbildungszentrum in Eisenerz, das auf seine Initiative hin gegründet worden war. Gemeinsam mit Trainerlegende Gerhard Niederhammer führte er zahlreiche Nachwuchssportler an die Weltspitze.
Ein reiches Vermächtnis
Der Weltrekord Bachlers ist längst gebrochen und in neue Dimensionen gesteigert – aktuell liegt er bei 253,5 Metern, aufgestellt von Bachlers Landsmann Stefan Kraft, ebenfalls in Vikersund.
Das Vermächtnis Bachlers prägt Skisprung-Österreich trotzdem bis heute.
Zu seinem 80. Geburtstag am 26. Dezember 2024 wurde ihm die Ehrenbürgerschaft seiner Heimatstadt Eisenerz verliehen.