Jutta Müller war die erfolgreiche Eiskunstlauftrainerin an der Bande, hat Weltmeister*innen und Olympiasieger*innen geformt. Ihr Name fällt bis heute hauptsächlich in einem Atemzug mit ihrer erfolgreichsten Schülerin: Katarina Witt.
Die Demütigung einer Trainer-Ikone
Müller verkörperte ein ganz bestimmtes Bild einer Trainerin: extrem hart, extrem streng, extrem diszipliniert, extrem autoritär und extrem erfolgreich. So autoritär, dass Witt ihre langjährige Trainerin Müller siezen musste und so kantig, dass nach der deutschen Wiedervereinigung kein Platz für die DDR-Erfolgstrainerin war.
Beerdigung am Geburtstag
Am 2. November 2023, vor einem Jahr, starb mit Müller die Grande Dame des DDR-Eiskunstlaufs. 94 Jahren wurde sie alt, ihre Urnenbeisetzung fand an ihrem 95. Geburtstag in Chemnitz statt. Noch zu ihrem 90. Geburtstag hatte der mdr eine Sondersendung ausgestrahlt mit dem Titel „Die Eiskönigin aus Chemnitz“.
57 internationale Medaillen gewannen die Schützlinge der Eiskönigin. Darunter auch ihre Tochter Gabriele Seyfert, Anett Pötzsch, Jan Hoffmann und Witt.
Mit letzterer war die Arbeit besonders ertragreich. 1984 in Sarajevo und 1988 in Calgary holte das Duo Witt/Müller Gold bei Olympia für die DDR.
Aus nach der Wende
Dort wurde Müller, die seit 1946 Mitglied der SED war, schon vorher für ihre Erfolge ausgezeichnet. 1980 erhielt sie den Vaterländischen Verdienstorden in Gold und 1988 den Karl-Marx-Orden. 1984 bekam sie den Ehrentitel „Held der Arbeit“.
Doch mit dem Fall der Mauer war auch die Zeit für Müller vorbei, sie verlor ihre Arbeit.
„Die Demütigung, die ihr durch die damalige Eislauf-Union zugefügt wurde, hat sie nie verwunden“, sagte die zweimalige Olympiasiegerin Witt einst dem Zeit Magazin zur Entscheidung, Müller nach der Wende nicht als Trainerin zu beschäftigen.
„Damals ist zur Wendezeit einfach viel zu viel falsch gelaufen, mit viel zu vielen Menschen, deren Lebensleistungen mit Füßen getreten wurden“, kritisierte Witt den Kurs im deutschen Eiskunstlauf nach 1990.
„Es hätte trotzdem weitergehen können“
Müller akzeptierte die Entscheidung des Systemwechsels, nicht aber ihr persönliches Schicksal. „Das DDR-System konnte ja nicht übernommen werden. Das ist mir jetzt klar. Aber es hätte trotzdem weitergehen können. Ich war damals eigentlich verzweifelt, dass diese ganze Supernachwuchsarbeit von heute auf morgen nicht mehr existieren konnte“, sagte Müller später der FAZ.
Auch Witt akzeptierte den Umgang mit der ehemaligen Lehrerin für Deutsch, Musik, Mathematik und Sport nicht: „Mir schien es, als hätte unter den westdeutschen Sportfunktionären eine Mentalität des Abrechnens geherrscht. Die DDR-Sportler waren vor der Wiedervereinigung meistens diejenigen, die gewannen. Jetzt konnten sie ihre Position nutzen, um sich selbst endlich wie ‚Sieger‘ aufzuführen.“
Noch einmal im Rampenlicht
Doch Witt hievte Müller nochmal auf die große Bühne. Als Witt 1994 ihr Comeback bei den Olympischen Spielen von Lillehammer gab, stand „Frau Müller“ als Trainerin an der Bande.
„Ich wollte, dass sie den verdienten Respekt noch einmal zu spüren bekommt“, erklärte Witt ihren Schritt, diejenige, die ihr zu Weltruhm aus Kindesbeinen verhalf, noch einmal zu würdigen.