In den großen US-Ligen wird jährlich ein ganz besonderer Award verliehen, der Comeback Player of the Year. Würde eine solche Auszeichnung im Skispringen vergeben werden, Andreas Wellinger hätte seine Trophäe im Schrank wohl sicher.
Die Wiedergeburt des Andreas Wellinger
Der 28-jährige Deutsche ist der Inbegriff eines gelungenen Comebacks, wenn der Weg dorthin auch mehr als nur beschwerlich war. Dabei hatte seine Karriere einst so furios begonnen.
Bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang ging der Stern des Wintersportlers so richtig auf. Auf der Normalschanze wurde Wellinger Olympiasieger, auf der Großschanze und im Team holte er Silber.
Wellinger ging durch tiefe Täler
Viele Jahre nach Sven Hannawald und Martin Schmitt schien der neue Sunnyboy, der legitime Nachfolger der beiden gefunden zu sein. Eine Einschätzung, die nicht von ungefähr kam, hatte der Bayer im Jahr zuvor doch Team-Gold und zweimal Silber bei der WM, dazu Platz zwei bei der Vierschanzentournee und Rang vier im Gesamtweltcup geholt.
Doch statt weiterer erfolgreicher Jahre kam es anders. Im Training stürzte Wellinger im Juni 2019 und zog sich einen Abriss des Kreuzbands zu, beide Menisken mussten zudem genäht werden. Nach einer verpassten Saison wollte er wieder angreifen, als der nächste Rückschlag folgte: Schlüsselbeinbruch.
Für Wellinger ging es wieder von unten los. Nach seiner Reha musste er sich erst wieder für den Weltcup-Kader empfehlen. Die vergangene Saison wurde dann zur Erlösung für den 28-Jährigen. Bei der WM durfte er sich über die Goldmedaille im Mixed und die Silbermedaille auf der Normalschanze freuen.
Erstes Podest nach über 1.500 Tagen
Den entscheidenden Glücksmoment hatte Wellinger aber schon vorher erlebt. Beim Weltcup in Lake Placid stand er ganz oben auf dem Podest. 1.539 Tage hatte er auf diesen Moment warten müssen, mehr als vier Jahre und 73 Weltcup-Springen lang.
Sein Weg zurück an die Weltspitze war dabei alles andere als einfach. „Es war ein sehr langer Weg. Man muss als Sportler manchmal durch ein Tief gehen und fällt auf die Schnauze. Für mich gab es immer das Motto: Aufstehen, weiter machen. Ich habe immer Spaß am Skispringen gehabt, auch wenn es mal nicht so gelaufen ist“, erinnert sich Wellinger im SPORT1-Interview an die Zeit zurück.
Und weiter: „Je leichter es von der Hand geht, desto leichter fällt einem auch das tägliche Training und alles, was man investiert. Ich habe immer Gas gegeben und war voll motiviert. Ich war überzeugt davon, dass sich das Ganze irgendwann wieder lohnt. Genau so war es vergangenen Winter, und deswegen würde ich sagen: Der Weg ist der richtige - mal schauen, was die nächsten Jahre noch kommt.“
Keine Gedanken an ein Karriereende
An ein Karriereende dachte Wellinger auch in den dunkelsten Tagen übrigens nie. „Nein, zum Glück überhaupt nicht. Ich war immer so motiviert, so zielstrebig, dass ich gesagt habe: Ich schaffe das, ich kann das, ich werde mich da rauskämpfen aus dem Loch. Ich bin dann früher oder in dem Fall ein bisschen später belohnt worden.“
Belohnt wurde der Deutsche in der zurückliegenden Saison mit „Skispringen auf einem extrem hohen Niveau“ - zumindest bei seinen zwei Weltcup-Siegen und der WM: „Deshalb freue ich mich auch schon auf die neue Saison.“
Die Zielsetzung des Olympiasiegers ist dabei klar: „Zuallererst mal gesund bleiben und da anknüpfen, wo ich aufgehört habe. Speziell Mitte Januar bis zur WM Ende Februar. Ich bin auf einem verdammt hohen Niveau Ski gesprungen, und das nehme ich mir für die neue Saison vor. Dass ich das früher in der Saison schaffe und auch länger halten kann. Das Ziel ist, dass ich konstant unter die Top 10 springe.“
Vierschanzentournee als Ziel
Ein wichtiger Termin ist dabei selbstverständlich auch die prestigeträchtige Vierschanzentournee. „Wir wollen den goldenen Adler mal wieder nach Deutschland holen. Ganz so einfach ist es aber nicht. Wir kämpfen jedes Jahr wieder und lernen immer etwas dazu. Vergangene Saison in Oberstdorf und in Garmisch haben wir einen ziemlich guten Auftakt gehabt, da waren aber einfach andere besser“, erinnert sich der Sportler zurück.
Hoffnung auf einen baldigen schwarz-rot-goldenen Erfolg hat Wellinger dennoch: „Trotz alledem wissen wir, was wir tun müssen, damit wir die Besten sind. Wir werden Gas geben. Hoffentlich nächste Saison, wenn nicht, dann übernächste. Früher oder später kommt alles wieder.“
Der erste Skisprung-Weltcup steigt am 25. und 26. November (im SPORT1-Liveticker) im finnischen Kuusamo.