Der Coroanvirus wirbelt die Sportwelt immer mehr durcheinander. Geisterspiele, Verschiebungen und Saisonabbrüche sind längst Realität geworden.
Volleys-Boss für Spielabsagen
In der öffentlichen Diskussion steht hierzulande hauptsächlich der Fußball im Fokus, aber betroffen sind alle Sportarten. Die DEL hat die Playoffs bereits abgesagt und die Saison nach der Hauptrunde beendet. Auch im Volleyball, wo am Mittwoch und Donnerstag bereits je ein Männer-Bundesliga-Spiel ohne Zuschauer stattfindet, ist dies ein mögliches Szenario. (Volleyball-Bundesliga: Haching - Giesen am Donnerstag um 18.10 Uhr und Berlin - Friedrichshafen am Sonntag um 16.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1)
SPORT1 hat mit Kaweh Niroomand, Geschäftsführer der BERLIN RECYCLING Volleys, über die Auswirkungen auf den Ligabetrieb gesprochen und welche Maßnahmen er bevorzugen würde. (Anm. d. Red.: Das Interview wurde geführt, bevor das Topspiel zwischen Berlin und Friedrichshafen als Geisterspiel angesetzt wurde)
SPORT1: Was sind mögliche Szenarien für die restliche Saison, die auch bereits unter den Vereinen besprochen wurden?
Kaweh Niroomand: Die Vereine haben keine Szenarien durchgesprochen, sondern die Volleyball-Bundesliga nach Rücksprache mit anderen Ligen. Entschieden wurde da, dass die Spiele grundsätzlich erstmal stattfinden. Aber je nach örtlicher Lage und Entwicklung der Situation muss man sich den Gegebenheiten anpassen. Insofern bedeutet das für mich: Wenn die Behörden sagen, dass nur 1000 Zuschauer anwesend sein dürfen, werden maximal 999 Zuschauer da sein. Sollten die Behörden den kompletten Ausschluss der Öffentlichkeit fordern, dann setzen wir das so um. Wird die Absage der Spiele gefordert, dann wird es diese Absagen geben. Das Problem ist, dass wir diese Entscheidung nur sehr schwer allein treffen können. Daher habe ich von Beginn an gefordert, dass das eine gemeinsame Entscheidung sein muss – nicht nur aller Bundesligisten, sondern aller Ligen zusammen. In Berlin würde es zum Beispiel keinen Sinn machen, dass ALBA Berlin am Samstag spielt und wir nicht. Das würden die Fans nicht verstehen. Meine persönliche Meinung ist, dass wir die Spiele in so einer Situation absagen müssen oder zumindest auf die Zuschauer verzichten. So wie sich das entwickelt, steht die Gesundheit im Vordergrund – meiner Meinung nach. Aber natürlich ist das ein enormer wirtschaftlicher Schaden für uns. In der Geschichte der BR Volleys haben wir noch nie so viele Karten verkauft wie zu dem Spiel am Sonntag gegen Friedrichshafen. Aber wenn das Gemeinwohl darübersteht, muss sich der Sport hintenanstellen.
SPORT1: Wie ist das Mitspracherecht der Vereine im Austausch mit der Liga?
Niroomand: Von der Liga hat bisher keiner mit uns gesprochen. Wir haben gestern (am Montag, Anm. d. Red.) die Mitteilung bekommen. Zusätzlich wurde den Vereinen ziemlich deutlich gemacht, dass man die Spiele unbedingt durchziehen möchte. Aber direkte Gespräche im Rahmen einer Telefonkonferenz oder ähnlichem gab es nicht. Das ist aber auch nicht zwingend notwendig. Dafür haben wir einen Verband, der in solchen Momenten entscheidet.
Jetzt aktuelle Sportbekleidung bestellen - hier geht's zum Shop | ANZEIGE
Niroomand: Lieber Spielabsage als Geisterspiel
SPORT1: Aus Sicht der BR Volleys, würden Sie lieber gar nicht spielen oder ein Geisterspiel bevorzugen?
Niroomand: Ich würde lieber auf die Spiele verzichten. Erstens, weil ich denke, dass die Gefahr auch bei 1000 Leuten gegeben ist. Da reden wir nicht nur von der Halle. Die Menschen müssen auch zur Spielstätte hinkommen. Natürlich fahren U-Bahnen auch ohne unsere Spiele, aber wir müssen nicht noch einen draufsetzen. Und es macht einfach auch keinen Sinn, wenn wir spielen, aber in Bayern nicht gespielt wird. Ich hätte mir gewünscht, dass die Liga über den DVV Druck auf den europäischen und Weltverband ausgeübt hätte, um die Nations League abzusagen. Dann hätte man jetzt eine Pause einlegen und die Spiele nach hinten verlegen können – in der Hoffnung, dass sich die Lage bis dahin entspannt. Der ganze Druck existiert hauptsächlich wegen dieser Nations League und der Olympia-Qualifikation. Da sitzen wir alle in einem Boot. Die Volleyball-Hochburg Italien ist in der gleichen Situation. Die können gar nicht spielen und das hat auch Konsequenzen auf das Champions-League-Finale. Sollten die Italiener da nicht dabei sein, das will ich mir gar nicht vorstellen. Allerdings bräuchte es dafür konsequente Entscheidungen. Momentan kommt es mir aber mehr so vor, als würden alle nur rumlavieren.
SPORT1: Wäre es in Deutschland eine Möglichkeit, die Saison nach der Hauptrunde zu beenden und die Meisterschaft ohne Playoffs zu vergeben?
Niroomand: Da bin ich jetzt natürlich der denkbar schlechteste Ansprechpartner. Würde dieses Szenario eintreffen, wären wir direkt Meister. Daher will ich diese Forderung nicht stellen, da das sportlich nicht in Ordnung wäre. Aber grundsätzlich wünsche ich mir eine einheitliche Regelung. Außerhalb des Sports hat man bisher immer nur beruhigt. Die Leute sollten nicht in Panik ausbrechen, da keiner wusste, wie es sich entwickelt. Nun wissen wir aber, wie es sich entwickelt. In den nächsten drei, vier Wochen wird es noch schlimmer werden, bevor es einen Peak erreicht. Ab da würde dann Besserung eintreten und es wäre gut, dafür den Puffer zu haben. Allerdings ist es auch nicht leicht, diese Entscheidungen zu treffen und ich will auch nicht der Lehrmeister sein. Aber die unterschiedliche Handhabung ist schwer zu verkaufen.
Absprache mit den anderen Hallensportarten
SPORT1: Spricht die Volleyball-Bundesliga auch mit der DFL?
Niroomand: Der Verband spricht mit den drei anderen Hallensportarten (DEL, BBL, HBL/Anm.d.Red) , das stand auch so in der Mitteilung, die wir von der Liga bekommen haben.
SPORT1: Wie groß ist der Anteil der Ticketverkäufe an dem Gesamtetat der Vereine?
Niroomand: Im Verhältnis zum Gesamtbudget sollte man auf 15 Prozent kommen, das wäre eine sehr gute Bilanz. Wir sind knapp darunter. Um diese Zahl aber zu erreichen, ist das Spiel gegen Friedrichshafen notwendig. Der Großteil der Ticketverkäufe konzentriert sich auf ein paar Spiele und die Playoffs.