Er ist die neue deutsche US-Sport-Sensation - und startet dabei sogar weit schneller durch als MVP Leon Draisaitl.
Shootingstar Stützle verrät Rituale
In verblüffend hohem Tempo hat sich Tim Stützle - vor der Saison an Position 3 im Draft ausgewählt - in der NHL etabliert. Erst seit Saisonbeginn spielt der aus Viersen stammende 19-Jährige bei den Ottawa Senators und sorgt dabei schon für mächtig Furore.
"Es ist alles wie ein Traum", sagt Stürmer Stützle, der im Februar für seine Franchise binnen 14 Spielen gleich zehn Scorerpunkte erzielte, unlängst auch als Liga-Rookie des Monats ausgezeichnet wurde.
Im exklusiven Interview mit SPORT1 spricht der Shootingstar und einstige Mannheimer Jungadler über seinen Höhenflug, Vergleiche mit Draisaitl, Druckbewältigung, Rituale - und erklärt, wie seine Traumfrau sein müsste. (Ausgewählte Spiele der NHL LIVE im Free-TV auf SPORT1)
NHL: Tim Stützle bei Ottawa Senators im Höhenflug
SPORT1: Herr Stützle, wie fühlen sich diese Wochen im Rausch so an in Ihrem noch so jungen Alter?
Tim Stützle: Die Zeit geht gerade so super-schnell vorbei, es macht so viel Spaß, mit den Jungs auf dem Eis zu stehen, ich genieße wirklich jede Sekunde. Dass ich jetzt auch gleich Rookie des Monats geworden bin, ist für mich eine große Ehre. Aber es ist auch eine Team-Auszeichnung, wir haben ja als Mannschaft den Februar so gut gespielt.
SPORT1: Wo soll das denn dann bloß alles enden?
Stützle: Mein Ziel ist es, eine lange NHL-Karriere zu spielen - und auch eine erfolgreiche: Ich will was gewinnen! Ich freue mich über diesen super Anfang, der mir natürlich auch Selbstbewusstsein gibt. Aber man muss trotzdem am Boden bleiben, weiter hart arbeiten, sonst erreichst du nichts.
Stützle über Vergleiche mit Leon Draisaitl
SPORT1: Wie gehen Sie mit den Draisaitl-Vergleichen um - ehrt einen das, oder ist es auch nervig? (Ergebnisse und Spielplan der NHL)
Stützle: Es ist eine große Ehre für mich. Leon spielt ja auch schon wieder eine unglaubliche Saison. Aber dennoch ist jeder Spieler anders: Leon ist Leon, und ich bin Tim. Ich konzentriere mich deshalb immer auf mein eigenes Spiel. Der Druck von außen ist sowieso immer da.
SPORT1: Und wie gehen Sie mit dem Druck um?
Stützle: Ich kenne das ja nicht anders, habe schon immer Druck gehabt. Bei meiner letzten Saison in Mannheim waren bei jedem Spiel Scouts da. Ich versuche immer, mein Bestes zu zeigen, egal wer dabei zuschaut. Natürlich war am Anfang (als NHL-Neuling, Anm. d. Red.) die Anspannung da. Aber ich fühle mich hier immer wohler.
SPORT1: Bei Druck wäre ja ein Ansprechpartner gut...
Stützle: Die Jungs sind immer für mich da. Ich wohne mit Brady Tkachuk und Josh Norris in einem großen Haus, da reden wir viel, spielen Playstation zusammen, wir haben da den ganzen Tag miteinander zu tun. Poker schauen wir auch viel. Auch der Trainer (D.J. Smith, Anm. d. Red.) nimmt viel Druck weg. Aber ich mache mir ja auch selber Druck, weil ich jeden Tag trainieren und spielen will. Wenn ich nicht gut spiele, bin ich unzufrieden mit mir. Doch ich kann mich gut selber einschätzen.
Stützle pflegt Kontakt zu Draisaitl, Kahun und Michaelis
SPORT1: Wie ist es denn so um den Kontakt zu Leon Draisaitl bestellt?
Stützle: Wegen Corona ist das in diesem Jahr etwas schwieriger, sonst wären wir vielleicht auch schon mal Essen gegangen. Aber wir schreiben ab und zu und tauschen uns aus. Kontakt gibt es auch zu Dominik Kahun (Draisaitl-Teamkollege bei den Edmonton Oilers, Anm. d. Red.) und Marc Michaelis (Vancouver Canucks).
SPORT1: Ihr Coach sagte kürzlich, dass er das Gefühl hat, Sie könnten alles: "Er kann skaten, er kann die Spielzüge umsetzen und wird auch defensiv immer besser." Was machen solche Aussagen mit Ihnen?
Stützle: Komplimente sind immer schön. Aber ich weiß ganz genau, dass ich an allem noch arbeiten muss. Ich habe noch einen weiten Weg vor mir, auch wenn ich für die erste Saison ganz zufrieden bin. Ich sage es mal so: Meine größte Stärke ist das Schlittschuhlaufen und das Spiel zu lesen - und meine Schwäche: das Schlittschuhlaufen und das Spiel zu lesen (schmunzelt). Und an meinem Abschluss vorm Tor kann ich auf jeden Fall noch arbeiten.
Senators kein Topteam in der NHL
SPORT1: Wie erleben Sie denn diesen Spagat aus einerseits dem persönlichen Hype und Glück, andererseits aber dem sich noch nicht so recht einstellenden Erfolg der Senators als Team? (Tabelle der NHL)
Stützle: Das Team steht immer an erster Stelle, wir lernen mit unserer jungen Mannschaft ständig dazu. Niemand hat von uns erwartet, dass wir in diesem Jahr den Stanley Cup holen. Wir verlieren die Spiele mittlerweile nur noch knapp, es geht in die richtige Richtung. In den nächsten drei, vier Jahren werden wir eine sehr starke Mannschaft haben.
SPORT1: Sie sind erst 19, haben keine College-Erfahrung und hatten vor der NHL auch nie im Ausland gespielt. Gab es zwischendrin auch mal Zweifel, ob das alles so richtig ist, gab es Emotionen oder gar Heimweh?
Stützle: Ich habe ja in Mannheim bereits drei Jahre lang allein gewohnt, wenn meine Eltern auch immer zu den Spielen kamen. Ich war das also schon gewohnt. Und für mich war immer klar, dass ich mir meinen Traum erfüllen will. Von daher denkt man da auch nicht wirklich viel an zu Hause. Aber klar: Wenn meine Eltern ein paar Mal kommen könnten oder Freunde von zu Hause, dann wäre das schon schön. Aber es ist eben wegen Corona in diesem Jahr so - und für mich nicht wirklich Heimweh.
Stützle über Rituale und seine Traumfrau
SPORT1: Welche Rituale gibt es bei Ihnen vor einem NHL-Spiel? (NEWS: Alles zur NHL)
Stützle: Neben dem immer gleichen Warm-up ist es so, dass ich meine linke Seite immer zuerst anziehe. Meinen Schläger stelle ich vor Spielbeginn immer an der gleichen Stelle ab. Und weil ich vor den Spielen immer sehr viel trinke, muss ich auch relativ oft auf die Toilette. Das ist dann auch immer die gleiche Toilette - so'n Stehklo! Das sind so Kleinigkeiten.
SPORT1: Wenn man sich so sehr auf Eishockey konzentriert, gibt es aber vielleicht trotzdem eine Partnerin im Leben?
Stützle: Das ist ein bisschen schwer, wenn man so weit von Deutschland weg ist. Und dieses Jahr kann man leider auch nicht wirklich jemanden kennenlernen wegen Corona. Aber ich bin ja noch jung ...
SPORT1: ... um die Traumfrau zu finden, die dann wie sein müsste?
Stützle: Sie muss auf jeden Fall einen guten Humor haben. Und blond und brünett, das gefällt mir schon.