Superlative gehören zum US-Sport wie Fast Food. Das gilt im besonderen Maße für den NFL-Draft. Das jährliche Auswahlspektakel lädt geradezu zum Überdrehen ein. Die besten Quarterbacks sind schnell der neue Tom Brady oder Patrick Mahomes, oder haben das Flop-Potenzial eines Josh Rosen oder Mitch Trubisky.
Dieser NFL-Draft wird historisch
Die Wahrheit liegt auf dem Football-Feld fünf Monate später meist irgendwo dazwischen. Selbst erfahrene NFL-Scouts und General Manager liegen bei Quarterbacks häufiger daneben als dass ihnen der Volltreffer gelingt.
Das macht die Faszination des Drafts aus. 2024 könnte es im Kampf um die Spielmacher noch chaotischer und historischer als je zuvor zugehen. Denn gleich vier Quarterbacks werden höchstwahrscheinlich unter den ersten fünf Picks sein. Das gab es in der NFL noch nie. Fünfmal wurden drei in den Top Fünf gewählt, diesmal könnten sogar die ersten vier Picks allesamt die wichtigste Position im Football bekleiden.
SPORT1 stellt die besten Talente vor und prognostiziert, wo sie landen könnten.
Pick 1 – CHICAGO BEARS: Caleb Williams (Quarterback, USC)
Williams hat individuell eine gute letzte College-Saison gespielt, allerdings enttäuschte sein Team. Dazu kommt Gepäck in Form seines sehr sichtbar auftretenden Vaters und einige Eigenheiten, die in Richtung Diva gehen, aber die Anlagen sind jene eines Superstars. Er ist etwas kleiner als Megastar Patrick Mahomes, aber hat einen ähnlichen Oberkörperbau und kann genauso gut und explosiv improvisieren. Williams ist die klare Nummer 1 mit dem größten Potenzial.
Bestfall: Patrick Mahomes
Schlimmster Fall: Baker Mayfield
Pick 2 – WASHINGTON COMMANDERS: Jayden Daniels (Quarterback, LSU)
Der neue General Manager Adam Peters lässt sich nicht in die Karten schauen, aber bei den 49ers hat er einen Kader mit viel Talent und dem Wow-Faktor in der Offensive gebaut. Dazu passt Daniels mit seiner Big-Play-Garantie am besten. Er ist eher schnell, als dass er Verteidiger im Stil von Lamar Jackson aussteigen lässt, dafür ist Daniels aber größer und der deutlich bessere Passer mit richtig Power im Arm. Das größte Problem für die NFL ist sein relativ schmächtiger Körperbau und das damit verbundene Verletzungsrisiko.
Bestfall: Lamar Jackson mit besserem Arm, aber nicht so gefährlicher Runner
Schlimmster Fall: Robert Griffin III
Pick 3 – NEW ENGLAND PATRIOTS: Drake Maye (Quarterback, North Carolina)
Auch die Patriots benötigen dringend einen neuen Spielmacher. Mit dem erfahrenen Jacoby Brissett sind sie die ideale Situation für Maye, der von den besten fünf Quarterbacks im Draft am meisten von einer Lehrzeit profitieren würde. Der gerade einmal 21-Jährige hat viel Arbeit mit Fußarbeit, seiner Wurfbewegung und Genauigkeit zu arbeiten, könnte am Ende aber der beste der Rookies 2024 werden. Der Körperbau ist ideal für die NFL, allerdings hat Maye auch das größte Floppotenzial.
Bestfall: Justin Herbert
Schlimmster Fall: Mitch Trubisky
Pick 4 – MINNESOTA VIKINGS (Trade mit den Arizona Cardinals): J.J. McCarthy (Quarterback Michigan)
Die Vikings sind im Vorfeld des Drafts das aggressivste Team. Sie wollen unbedingt nach vorne traden, um nach Kirk Cousins‘ Abgang einen neuen Quarterback auszuwählen. Die Cardinals und die Chargers sind die logischen Partner, um von elf in die Top fünf zu kommen. McCarthy ist in jedem Fall ein Gewinner, zwei High Schools und sein College führte er schon zum Titel. Sein Mentor Jim Harbaugh sieht in ihm einen kommenden Star. Mental ist er top und hat vor allem bei Würfen über die Mitte und aus Play Action seine großen Stärken, allerdings hat er nicht den besten Arm und deshalb öfter Probleme mit langen Würfen nach außen.
Bestfall: Alex Smith
Schlimmster Fall: Teddy Bridgewater
Pick 5 – LOS ANGELES CHARGERS: Marvin Harrison Jr. (Wide Receiver, Ohio State)
Für viele Experten ist Marvin Harrison Jr. der beste Spieler im Draft 2024. Der Sohn der Colts-Legende ist ein absolutes Monster, hat bereits den Körper eines NFL-Starreceivers und spielte schon am College mit NFL-Tempo. „Maserati Marv“ ist eine Touchdown-Maschine mit hervorragender Fußarbeit. Eine kleine Schwäche ist noch die Befreiung aus physischer und enger Manndeckung zu Beginn des Spielzuges (Press Coverage), aber MHJ hat schon als Rookie Pro-Bowl-Potenzial und ist für die Chargers der ideale Pick, da Keenan Allen und Mike Williams der ausufernden Gehaltsliste zum Opfer fielen.
Bestfall: Randy Moss
Schlimmster Fall: Amari Cooper
Pick 6 – NEW YORK GIANTS: Rome Odunze (Wide Receiver, Washington)
Die Giants haben einige Baustellen im Kader – vielleicht sogar auf der Quarterback-Position. Trotzdem begleitet sie seit Jahren ein großes Problem: seit Odell Beckham hatten sie keinen Top-Receiver mehr. In diesem Szenario haben Sie die Wahl zwischen Malik Nabers und Rome Odunze. Beide stehen Harrison vom reinen Talent her in kaum etwas nach. Odunze ist groß, physisch stark und besitzt sehr sichere Hände, er kann außen oder im Slot über die Mitte des Feldes gleichermaßen erfolgreich sein. Er wäre vom ersten Tag an die beste Anlaufstelle der Giants.
Bestfall: Larry Fitzgerald
Schlimmster Fall: Allen Robinson
Pick 7 – TENNESSEE TITANS: Joe Alt (Offensive Tackle, Notre Dame)
Was ist der beste Freund eines jungen (rechtshändigen) Quarterbacks? Ein hervorragender Left Tackle, der ihm Ärger aus dem Rücken (Blind Side) erspart. Joe Alt ist der beste Offensive Tackle im Draft. Riesig, lange Arme, herausragende Block-Technik für Pass und Lauf, schnelle Füße (ehemaliger Basketballer) und der Vater war auch schon Pro Bowler auf der Position. Wenn Alt gesund bleibt, wird er über Jahre Pro-Bowl-Kandidat sein.
Bestfall: Mike McGlinchey
Schlimmster Fall: Eric Fisher
Pick 8 – ATLANTA FALCONS: Dallas Turner (Edge, Alabama)
Die Falcons sind aufgrund des Quarterback-Runs extrem gut positioniert. Natürlich wäre hier auch Receiver Malik Nabers ein hervorragender Pick, aber der beste Verteidiger dieser Draft-Klasse ist zu verlockend. Turner ist ein extrem athletischer und schneller Quarterback-Jäger, der auch problemlos die Manndeckung eines Running Backs übernehmen kann. Seine zehn Sacks in 14 College-Spielen 2023 sprechen deshalb auch nur die halbe Wahrheit über Turners Leistungsniveau. Legt er noch etwas Power zu, wird er zum Albtraum von NFL-Spielmachern.
Bestfall: Josh Allen (Jaguars)
Schlimmster Fall: Lorenzo Carter
Pick 9 – CHICAGO BEARS: Malik Nabers (Wide Receiver, LSU)
Die Bears haben mit D.J. Moore und Neuzugang Keenan Allen zwei Top-Receiver, aber wenn dir ein solches Megatalent wie Nabers auf dem Silbertablett serviert wird, sprintest du zum Podium und gibst deinem neuen Quarterback das vielleicht beste Receiver-Trio der NFL. Nabers ist ein wandelndes Big Play. Er muss zwar noch an seinen Passrouten arbeiten, vom reinen Talent her ist er aber sogar vor Odunze oder Harrison einzuordnen. LSU hat schon einige ganz gute Receiver in die NFL gebracht, Nabers bewegt sich auf diesem Level.
Bestfall: A.J. Brown
Schlimmster Fall: D.J. Chark
Pick 10 – NEW YORK JETS: Brock Bowers (Tight End, Georgia)
Für die Jets käme angesichts ihres Quarterback-Routiniers Aaron Rodgers (nach Achillessehnenriss) auch ein Offensive Tackle wie Olu Fashanu von Penn State in Frage, eine echte Waffe als Tight End würde die gesamte Offense von Tag eins an aber noch gefährlicher machen. Bowers ist eine Touchdown-Maschine (26 TDs in drei Jahren für Georgia), der überall in der Formation auftauchen kann und von Linebackern und Safetys kaum zu stoppen sein wird. Zudem ist er ein hart an sich arbeitender Football-Junkie. Er könnte einen ähnlichen NFL-Start hinlegen, wie Sam LaPorta für Detroit 2023.
Bestfall: George Kittle
Schlimmster Fall: O.J. Howard