George Kittle steht an der Seitenlinie, die Hände in die Hüften gestemmt. Während um ihn herum die Feierlichkeiten der Kansas City Chiefs ihren Lauf nehmen, beginnt der Mann mit der Nummer 85 auf dem Trikot, von einem Fuß auf den anderen zu tippeln.
Der Schwur eines NFL-Superstars
In diesem Moment - und für diese Einblicke muss man der NFL und ihrer „Mic‘d-up“-Serie sehr dankbar sein - leistet Kittle einen Schwur. Ein Versprechen, das an diesem 3. Februar 2020 niemand wahrnimmt. Aber das spielt für ihn keine Rolle, denn es ist vor allem ein Versprechen an sich selbst.
„Ich werde hierher zurückkommen. Ich werde hierher zurückkommen“, wiederholt Kittle fast schon mantraartig: „Ich werde mit aller Macht hierher zurückkommen. Ihr werdet mich nicht unterkriegen!“
Hierher, damit meint Kittle den Super Bowl, dessen 54. Ausgabe er Augenblicke zuvor mit den San Francisco 49ers gegen die Chiefs verloren hat. Vier Jahre später hat der inzwischen 30-Jährige sein Versprechen eingelöst: Er ist zurück im Super Bowl. Mit den 49ers. Gegen die Chiefs.
Bis hierhin hätte kein Hollywood-Regisseur ein besseres, vielleicht auch kein kitschigeres Drehbuch schreiben können. Aber ohnehin ist dies das echte Leben - und daran hat Kittle in den Tagen vor dem Super Bowl LVIII sichtlich Spaß.
Mark Nzeocha: „Er ist ein Clown“
Egal, ob bei einem Promo-Dreh für die Kinder-Übertragung des Spiels im Spongebob-Look oder auf den zahlreichen Medienterminen in Las Vegas: Kittle sprüht vor guter Laune!
„Er ist einfach ein Clown!“, sagte Mark Nzeocha zuletzt im SPORT1-Interview laut lachend über den Charakter seines ehemaligen Teamkollegen: „Er ist extrovertiert auf einem anderen Level. Er ist superfunny, macht super Stimmung, nennt sich ja auch selbst den ‚People‘s Tight End‘. Er ist einfach ein Mann der Leute und ein Entertainer, aber eben auch ein großartiger Teamkollege.“
Einer, der trotz seiner eigenen Bedeutung für die Erfolge der Niners immer wieder die Leistungen anderer in den Vordergrund rückt. Bei der Opening Night zur Super-Bowl-Woche wurde Kittle von einem Kinderreporter nach seiner Herangehensweise für das große Spiel gefragt.
„Mein offensiver Gameplan ist es, Christian McCaffrey oft den Ball zu geben, weil er sehr gut darin ist, Football zu spielen“, antwortete Kittle, ehe er prophezeiend hinzufügte: „Und jedes Mal, wenn er den Ball berührt, wird er für 75 Yards und einen Touchdown laufen!“
Klingt nach einem guten Plan, auch wenn die konkreten Zahlen selbst für den frischgekürten Offensive Player of the Year in der NFL nur schwer umzusetzen sein werden. Nicht wenige vermuten aber, dass neben McCaffrey auch Kittle selbst eine entscheidende Rolle bei der ersehnten Revanche gegen die Chiefs spielen könnte.
Kittle mit beeindruckender Saison
„Ich glaube, George Kittle wird ein riesiger X-Faktor in diesem Spiel“, meint Nzeocha, der vor vier Jahren bei der Niederlage im Super Bowl LIV auch noch auf dem Feld gestanden hatte.
Seine Begründung: Kansas City müsse in McCaffrey, Brandon Aiyuk und Deebo Samuel so viele Offensivwaffen der 49ers neutralisieren, dass sich für Kittle zwangsläufig Räume und Mismatches ergeben würden.
Darauf, dass Andy Reid und Co. San Franciscos Tight End nicht auch als große Gefahr auf dem Schirm haben, darf Kittle allerdings nicht hoffen. Zu beeindruckend war seine bisherige Saison, die erste seit 2019, in der er die Marke von 1000 Receiving Yards knackte. Hinzu kommen sechs Touchdowns in der Regular Season und ein weiterer in den Playoffs, von Kittles Qualitäten als Blocker ganz zu schweigen.
Sogar Travis Kelce, selbst einer der besten Tight Ends der NFL-Geschichte und am Sonntag Super-Bowl-Rivale mit den Chiefs, zollte dem vier Jahre jüngeren Kittle zuletzt allergrößten Respekt.
„Er ist der beste Tight End der Liga“, schwärmte Kelce, „und das vollkommen zu Recht dieses Jahr. Er hat unfassbar gespielt, den besten Football seiner Karriere gespielt.“ Es sei ihm eine Ehre, sich im Super Bowl erneut mit Kittle zu messen.
Und dann ergänzte Kelce noch das: „Ich kann nicht genug wundervolle Dinge über ihn als Menschen und über seine Familie äußern. Ich könnte nichts Schlechtes über ihn sagen.“
Nzeocha: „Er bringt das Beste aus beiden Welten mit“
Bei allen sportlichen Errungenschaften ist Kittle mit seiner nahbaren Art eben auch menschlich eines der Gesichter der 49ers - und einer, der auch intern dem gesamten Team guttut.
„Er versteht sich mit jedem, ist immer für einen Spaß gut“, erinnert sich Nzeocha, „aber auf dem Feld eben auch für Big Plays. Er bringt das Beste aus beiden Welten mit und ich glaube, es hält die Moral im Team hoch, so jemanden dabei zu haben.“
Das gilt auch, vielleicht sogar ganz besonders am Sonntag, wenn im Allegiant Stadium von Las Vegas die Super-Bowl-Revanche gegen die Chiefs ansteht. Das Spiel, auf das Kittle seit vier Jahren hingefiebert hat.
Die Mission, die damals mit seinem Schwur an sich selbst begonnen hat, steht vor der Vollendung. Die Chiefs sollten sich in Acht nehmen.