Als sich die Kansas City Chiefs vor dem AFC Championship Game gegen die Baltimore Ravens auf dem Feld aufwärmten, trugen unzählige Spieler ein spezielles T-Shirt. Darauf zu sehen waren eine Reihe von Bildern und ein ganz besonderer Spruch: „In Spags We Trust“
Das Mastermind hinter den Chiefs
„Spags“ ist dabei niemand geringeres als Steve Spagnuolo, der Defensive Coordinator der Franchise. Die Kleidungsstücke vermittelten eine einfache Botschaft: Das unerschütterliche Vertrauen in die Fähigkeiten des Defensiv-Masterminds, einen passenden Gameplan auszuarbeiten und auszuführen.
Nur zehn gegnerische Punkte – immerhin vom Nummer-1-Seed der Conference – bewiesen in der Folge, dass das Vertrauen gerechtfertigt war.
Chiefs-Spieler lieben Spagnuolo
Die T-Shirts sind dabei aber nicht nur eine Aktion innerhalb des Teams, dank Safety Justin Reid kann sich inzwischen jeder ein solches Shirt sichern. Über einen Onlineshop werden selbige vertrieben, der Erlös kommt dabei Reids Organisation „JReid InDeed“ zugute, die sich für Jugendinitiativen und mehr Gemeinschaft einsetzt.
Von ungefähr kommt das Engagement des Sportlers für seinen Trainer dabei aber nicht. So lobte er seinen Defensive Coordinator beim Lokalsender Fox 4: „Er ist so fantastisch. Er ist mein liebster Koordinator, den ich je in meinem Leben hatte. Und diese Defense ist auf keinen Fall einfach zu lernen, wenn man sie zum ersten Mal sieht.“
Und weiter: „Unsere Defense ist vielseitig. Und Coach Spags ist nicht nur selbst ein großartiger Mann – ein spiritueller Typ – sondern auch eine Führungspersönlichkeit. Die Art und Weise, wie er seine Spieler inspirieren kann, er spricht mit uns wie mit einer Familie. Wir wissen, wie viel wir ihm bedeuten, und er bedeutet uns das Gleiche.“
Auch Charles Omenihu, Defensive End bei den Kansas City Chiefs und bis letzte Saison noch bei den 49ers, spricht in den höchsten Tönen von Spagnuolo. „Spag hat es einfach drauf, einen großartigen Gameplan zusammenzustellen“, sagte der 26-Jährige bei SPORT1. „Er ist smart und weiß, wie man alle elf Einzelteile in der Defense am besten zusammensetzt. Wir haben diese Saison einen großartigen Job gemacht - und ich denke nicht, dass sich das im größten Spiel des Jahres ändern wird.“
Omenihu selbst fehlt jedoch im Super Bowl aus Verletzungsgründen.
Schwächelnde Offense - Defense liefert
Bei den Chiefs hat sich in der Saison 2023 etwas grundlegend verändert. Gewiss, an den Erfolgen hat sich nichts geändert. Die vierte Super-Bowl-Teilnahme in fünf Jahren spricht eine deutliche Sprache. In den zurückliegenden Jahren war es aber hauptsächlich die Offense, die für Schlagzeilen und die nötigen Erfolge sorgte.
Rund um Quarterback Patrick Mahomes spielte sich regelmäßig ein offensives Spektakel ab. Ob Tight End Travis Kelce oder Receiver Tyreek Hill, der bis 2022 bei den Chiefs die Pässe von Mahomes fing: Die offensiven Waffen schlugen so gut wie immer zu. Die Defensive schien für Beobachter eher ein Beiwerk zu sein, als Stärke wurde sie jedenfalls nicht angesehen. Doch die Dinge haben sich geändert.
Die Chiefs-D hat sich zu einer echten Größe entwickelt. „Was er mit dieser Verteidigung vom vergangenen Jahr bis zu diesem Jahr erreicht hat, wie wir eine Vielzahl an Hürden überwinden konnten, wie es viele Spieler geschafft haben, zu wachsen“ - für Defensive Tackle Chris Jones eine außergewöhnliche Leistung.
Spagnuolo demütigte Brady und die Patriots
Während es in der laufenden Saison vor allem bei der sonst so hochgelobten Offense haperte – man erinnere sich an die unzähligen fallengelassenen Bälle der Chiefs-Receiver – trug die Defense die Hauptlast.
Bei zugelassenen Punkten und zugelassenen Yards schloss Kansas City jeweils als zweitbestes Team der Liga ab. Dass es Spagnuolo in Sachen Defense drauf hat, ist dabei keine neue Erkenntnis. Bei ihm handelt es sich schließlich um den gleichen Mann, der den Gameplan entworfen hat, mit dem die New York Giants Tom Brady und die bis dahin ungeschlagenen New England Patriots zum Abschluss der Saison 2007 im Super Bowl XLII demütigten.
Brady, damals unter ständigem Druck, bezeichnete die Partie gegen die Spagnuolo-Defense später als eine seiner „unglücklichsten Football-Erinnerungen.“
Generationenwechsel in der Defense
Auch der Deutsche Markus Kuhn, der einst unter ihm bei den Giants trainierte, ist von dem 64-Jährigen hellauf begeistert. „Er ist etwas strenger und bei der Ausführung der Spielzüge genauer. Du merkst, dass er schon lange dabei ist. Er weiß, was nötig ist, um Meisterschaften zu gewinnen“, sagte Kuhn bereits zu seiner aktiven Zeit.
Was Spagunolo allerdings bei den Chiefs geschafft hat, dürfte seine bisher wohl beste Arbeit sein. Als er 2019 als Defensive Coordinator übernahm, sah es alles andere als rosig aus. Bei den zugelassenen Punkten rangierte die Franchise auf Rang 24, bei den zugelassenen Yards war sogar nur ein einziges der 32 NFL-Teams noch schlechter.
Im Arrowhead Stadium wurde in der Folge ein Generationenwechsel vollzogen. Spieler wie Allen Bailey, Justin Houston und Steven Nelson haben für die jüngere Generation um Frank Clark, Derrick Nnadi und Charvarius Ward Platz gemacht.
Head Coach Reid begeistert
Für Head Coach Andy Reid, der mit Spagnuolo bereits jahrelang bei den Philadelphia Eagles zusammengearbeitete hatte, war die Installation seines Defensiv-Masterminds ein immenser Schritt.
„Das war wichtig. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit, also wusste ich, was ich zu erwarten hatte und wohin er gehen würde. Was er mit den jüngeren Spielern gemacht hat, fand ich großartig, er hat sie unterrichtet. Die Talente waren dafür empfänglich, und man sieht jetzt die Früchte davon.“
Vor allem eine Fähigkeit macht Spagnuolo dabei stark: Er kann mitten im Spiel noch Anpassungen vornehmen – insbesondere in der zweiten Halbzeit.
Spagnuolo als Defensiv-Mastermind
„Man sieht eine Menge Trainer in der Liga, die nicht in der Lage sind, diese Anpassungen vorzunehmen. Steve macht das sehr gut“, erklärte Chiefs-Insider Steve Walls von Sideline Sports Talk Network vor dem Super Bowl in Las Vegas im Gespräch mit SPORT1.
Und weiter: „Er sorgt dafür, dass die Jungs in jedem einzelnen Spiel bereit sind. Man darf nicht vergessen, dass er vorher Cheftrainer war, er hat also Erfahrung. Er weiß, was nötig ist, um die Jungs in Schwung zu bringen. Und er weiß, wie man den richtigen Knopf drückt.“
Spagnuolo, der drei Jahre lang als Cheftrainer der Rams aktiv war, ist von den Lobeshymnen übrigens alles andere als begeistert. Die T-Shirt-Aktion vor dem Ravens-Spiel kommentierte er mit den Worten: „Ich war beschämt und peinlich berührt, um ganz ehrlich zu sein. Aber die Jungs hatten ihren Spaß daran. Gott sei Dank haben wir am Ende gut abgeschnitten, denn ich hätte mich wirklich schlecht gefühlt, wenn wir es nicht getan hätten.“
Sollte in der Nacht auf Montag gegen die San Francisco 49ers im Super Bowl der nächste Erfolg gelingen, wäre es für Spagnuolo übrigens bereits der vierte Titel. Den Verkauf der „In Spags We Trust“-Shirts dürfte das nur noch mehr anheizen.