Wer in seinen ersten 24 Spielen als Cheftrainer in der NFL nahezu lächerliche vier Siege einheimst, der landet meist schneller auf dem freien Arbeitsmarkt als ihm lieb ist. Wer jedoch drauf und dran ist, ebenjenes Team nur zwei Jahre später in den Super Bowl zu führen, dem ist wahre Coaching-Qualität – und ein mit Qualität gespickter Kader – zu Eigen.
Das Mastermind hinter St. Brown
So geschehen in der US-Autostadt Detroit, genauer gesagt dem 47-jährigen Dan Campbell mit den Lions um den deutschen Star-Receiver Amon-Ra St. Brown.
Nach dem 31:23-Sieg am Sonntag gegen die Tampa Bay Buccaneers trennt die in blau, weiß, grau spielende Franchise nur noch ein Sieg vom Einzug in den Super-Bowl. Die Reise dorthin war jedoch eine weite, auch für den Trainer.
Denn für den in Texas geborenen Campbell begann die Liebelei mit den Lions bereits zu Spielerzeiten, 2006 fand er den Weg nach Michigan, lief dort als Tight End auf und musste doch seine Spielerkarriere frühzeitig aufgrund diverser Verletzungen beenden.
Über Stationen als Assistenz-Coach der Miami Dolphins und New Orleans Saints folgte der Schritt an die Spitze. Bei den Dolphins übernahm Campbell jedoch nur als Interimstrainer, ehe es die Lions waren, die ihn als Hauptübungsleiter mit Perspektive installierten.
NFL: Lions mit Star-Rookies und Super-Bowl-QB
Und diese sollte sich als rosig erweisen, immerhin stehen die Lions rund drei Jahre nach Campbells Amtsantritt zum ersten Mal seit 1992 im NFC-Conference-Championship-Game, der erste Final-Einzug der Franchise-Historie könnte folgen.
Campbell setzt dabei auf eine Mischung aus Erfahrung und jugendlicher Unbeschwertheit.
Kein Wunder also, dass die Lions am Sonntag im Rushing Game (Jahmyr Gibbs – 74 Yards), Tackles (Brian Branch – acht Tackles, einen Sack) sowie Receptions (Sam LaPorta – neun Catches) jeweils von Rookies angeführt wurden. In der Auswahl derer hatte Campbell erheblichen Anteil, ist im Auswahlprozess stets involviert.
Doch auch Quarterback Jared Goff hat einen großen Anteil am Erfolg. Nicht nur performte er am Sonntag mit über 70-prozentiger Completion Rate, 287 Passing Yards und zwei Touchdowns bei keiner Interception nahezu makellos.
Auch könnte gerade der First Pick aus dem Jahr 2016 ein entscheidender Faktor im späten Saisonverlauf werden. 2018 stand Goff bereits mit den LA Rams im Super Bowl, verlor diesen zwar und wirkt dennoch seither deutlich abgeklärter.
Und dann wäre da ja noch der Deutsche: Amon-Ra St. Brown. Mit 77 Yards trumpfte er auf, zudem konnte der Star-Receiver seinen ersten Playoff-Touchdown überhaupt verbuchen – und welch wichtigen! Erst im vierten Quarter entschied der in Anaheim geborene Passempfänger mit Wurzeln in Leverkusen mit seinem Touchdown zum 31:17 das Duell vor.
St. Brown: „Liebe diese Stadt“
Dass der Deutsch-Amerikaner bereits vor dem Spiel exklusiv bei SPORT1 sagte, er liebe die Stadt Detroit und ihre Menschen, mag ein Abbild dessen sein, weshalb er in einer Wohlfühlatmosphäre seine bisher beste NFL-Saison spielt. Aber auch ein Abbild dessen, was Trainer Campbell vorlebt und von seinen Spielern verlangt.
Denn bereits am 1. September, dem offiziellen Ligastart, beorderte Campbell sein komplettes Team zusammen, um ihnen eine wichtige Nachricht mit auf den Weg zu geben: „Ich will etwas Spezielles erschaffen, ihr auch? Dazu braucht es jeden hier im Raum!“
Diesen Spirit scheint Campbell seinen Spielern übertragen zu können. „Und wenn ich 100 Spieler blocken muss, wenn ich 100 Bälle fangen muss - ich werde alles tun, was nötig ist“, sagte Receiver St. Brown nach dem Sieg bei ESPN.
Was sich nach „Einer für alle, Alle für einen“ anhört, mag der intrinsische Traum sein, einmal im Leben den Super Bowl zu erreichen, nicht so kurz davor zu scheitern. Oder aber eine Huldigung des Trainers Dan Campbell und dessen Antriebsübertragung auf sein Team.