Als Art Shell am 2. Oktober 1989 zu Bett ging, wusste er nicht, dass er einen Tag später die Geschichte der NFL bis heute revolutionieren würde.
Als ein Coach NFL-Geschichte schrieb
Der Offensive Line Coach der Los Angeles Raiders sah sich gerade die Nachrichtensendung Nightline im Fernsehen an, als sein Telefon klingelte. Am anderen Ende der Leitung war Al Davis, Besitzer der Raiders.
„Ich denke an eine Änderung“, erklärte Davis. „Ich denke daran, dich zum Headcoach der Raiders zu machen.“
Davis begründete seine Entscheidung auch gleich: "Du verstehst den Weg der Raiders. Du bist ein Leader, du bist intelligent. Du arbeitest hart, jeder respektiert dich, also bist du die perfekte Wahl. Denk darüber nach und schlafe erst mal eine Runde."
Shell bereits als Spieler bei den Raiders
Als Shell am nächsten Tag aufstand, hatte er seine Entscheidung getroffen: Er nahm das Angebot an und wurde vom Offensive Line Coach zum Headcoach befördert, sein Vorgänger Mike Shanahan musste nach drei Niederlagen in vier Saisonspielen gehen.
Shell spielte seine gesamte NFL-Karriere als Offensive Tackle für die Raiders, zog in die Hall of Fame ein und arbeitete sechs Jahre lang als Assistenztrainer. Ihn zum Headcoach zu machen war demzufolge eine nachvollziehbare Entscheidung.
Was die Wahl dennoch zur Sensation machte, war seine Hautfarbe: Shell war schwarz.
60 Jahre lang hatte es keinen einzigen dunkelhäutigen Headcoach in der NFL gegeben, gerade einmal 14 von 262 Assistenz-Trainern waren im Jahr 1980 schwarz. 30 Jahre nach dem Civil Rights Movement unter Martin Luther King hatten es dunkelhäutige Trainer noch immer extrem schwer, einen Platz in der stärksten Football-Liga der Welt zu finden.
Besitzer Davis geht neue Wege
Shell machte mit seiner Unterschrift bei den Raiders den Weg frei zu einer längst notwendigen Änderung, die eine Revolution in der NFL einleitete. Zahlreiche dunkelhäutige Trainer wie Denny Green, Tony Dungy, Marvin Lewis oder Mike Tomlin feierten seitdem große Erfolge.
Eine Entwicklung, die ohne den Mut von Shell und seinem Boss Al Davis womöglich nie stattgefunden hätte.
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Davis ist ein Pionier in der Anti-Rassismus-Arbeit der NFL: Als Trainer der Raiders sagte er in den 60er Jahren ein Spiel in Mobile, Alabama ab, um gegen die in Alabama bestehenden Rassen-Gesetze zu protestieren. Davis verpflichtete auch als einer der ersten Trainer Spieler aus Colleges mit traditionell dunkelhäutigen Spielern, darunter auch seinen späteren Trainer Shell.
Er machte Tim Flores zum ersten lateinamerikanischen Trainer, der einen Super Bowl gewann und Amy Trash zur ersten Frau im Vorstand einer NFL-Franchise.
Nur drei afro-amerikanische NFL-Headcoaches
Zwar sind auch heute die afro-amerikanischen Headcoaches in der NFL klar in der Unterzahl - aktuell sind mit DeMeco Ryans (Houston Texans), Todd Bowles (Tampa Bay Buccaneers) und Mike Tomlin (Pittsburgh Steelers) nur drei von 32 Trainern dunkelhäutig - dennoch spielt die Hautfarbe mittlerweile glücklicherweise (fast) keine Rolle mehr bei der Wahl eines Headcoaches. Mehr als 30 Prozent der Assistenztrainer sind dunkelhäutig.
Dass die Hautfarbe irrelevant geworden ist, lag auch am Erfolg der damals extrem ungewöhnlichen Maßnahme. Shell gewann sein erstes Spiel als verantwortlicher Trainer am 9. Oktober 1989 mit 16:7 bei den New York Jets, als erster schwarzer Headcoach der NFL-Geschichte überhaupt.
"Ich bin stolz auf die Ernennung, aber ich bin auch ein Raider. Ich glaube nicht, dass meine Hautfarbe etwas mit der Entscheidung zu tun hatte. Ich wurde ausgewählt, weil Al Davis meint, dass ich die richtige Person zur richtigen Zeit bin", erklärte Shell nach seinem ersten Spiel. "Das war ein historischer Event, ich verstehe die große Bedeutung."
Shell führt Raiders in Playoffs
Bis zum Saisonende holte er sieben Siege in zwölf Spielen. Im Jahr darauf verlor er sogar nur vier Spiele und setzte sich in der AFC West durch. Erst im Conference Championship Game gegen die Buffalo Bills musste sich Shell geschlagen geben - dies jedoch deutlich mit 3:51. Dennoch wurde er anschließend als NFL-Coach des Jahres 1990 geehrt.
Nach der Saison 1994 wurde er nach einer 9:7-Bilanz von Davis entlassen, der Besitzer bezeichnete dies im Nachhinein als Fehler.
2006 gab er noch einmal ein Kurz-Comeback als Headcoach, wurde nach einer desaströsen Saison (zwei Siege in 14 Spielen) aber nach nur einer Spielzeit erneut entlassen.
Shell wird das unglückliche Ende verschmerzen können. Schließlich hat er eine Revolution eingeleitet.