Für einen war die Diskussion um den Aufsehen erregenden Protest des Quarterbacks schnell beendet.
Nein zur Hymne: NFL-Star spaltet Amerika
"Du bist ein Idiot, Colin Kaepernick", twitterte der Skeleton-Olympionike John Daly über den NFL-Spielmacher der San Francisco 49ers, der sich bei einem Testspiel geweigert hatte, sich für die amerikanische Nationalhymne zu erheben.
Der nach eigenen Angaben keinen Stolz für die Flagge eines Landes demonstrieren will, "das schwarze und farbige Menschen unterdrückt".
Ein stiller Protest gegen den Rassismus in Amerika, der Kaepernicks Heimatland an diesem Wochenende enorm aufwühlte. Kaepernick provozierte zahlreiche Beleidigungen, von denen Dalys die harmloseste war. Aber auch viele Reaktionen, die sich auf deutlich höherem Niveau abspielten.
Sportler zeigen Respekt
Zahlreiche Sportlerkollegen haben sich zu Wort gemeldet, sie können Kaepernicks Geste und die dahinterstehende Sicht auf Amerika mal mehr, mal weniger nachvollziehen.
Fast alle jedoch weisen - wie Kaepernicks Team - darauf hin, dass Kaepernick das Recht dazu hat. Und dass genau das ja das Gute an Amerika ist. "Land of the free", steht ja auch im Hymnentext.
Es deutet sich an, dass die NFL ähnlich argumentieren und von einer Strafe für Kaepernick absehen wird.
Politischer Protest führte zu Strafen
Nicht immer kommt der Sport so gut mit dieser Form der Meinungsfreiheit klar: Erst im Sommer gab es ein Hickhack um Basketball-Spielerinnen der WNBA, die sich in T-Shirts mit Slogans der "Black-Lives-Matter"-Bewegung aufwärmten.
Sie bekamen zunächst Geldstrafen wegen Verstößen gegen die Kleiderordnung, die dann revidiert wurden.
Oder der Fall von Mahmoud Abdul-Rauf 1996: Die NBA sperrte ihn, weil er sich nicht für "The Star-Spangled Banner" erheben wollte - ebenfalls mit dem Verweis auf den für ihn unterdrückerischen Charakter von Land und Flagge.
Letztlich einigte sich die Liga mit ihm darauf, dass er bei der Hymne stehen muss, aber die Augen schließen und nach unten gucken darf. Er rezitierte dabei islamische Gebete.
Rassismus ist Kaepernicks Lebensthema
Auch andere prominente US-Sportler hatten ihre Schwierigkeiten mit der Hymne - unter ihnen Baseballer Jackie Robinson, dem 1947 als erster Schwarzer einer großen US-Profisportliga aktiv werden durfte.
"Ich kann nicht aufstehen und die Nationalhymne singen", schrieb er in seiner Autobiografie: "Ich habe gelernt, dass ich ein Schwarzer in einer weißen Welt geblieben bin."
Für Kaepernick ist der Rassismus ebenfalls ein Lebensthema. Der 28-Jährige ist Sohn eines schwarzen Vaters und einer weißen Mutter aus schwierigen Verhältnissen, wuchs aber bei weißen Adoptionseltern in Kalifornien auf.
Sein Twitter-Account ist voll mit Kommentaren und Links zu Artikeln, in denen es um die Benachteiligungen Farbiger in seinem Land geht.
Radikaler als LeBron James
Gegen diese hat Kaepernick nun ein Zeichen gesetzt, das Amerika ins Mark traf - just in dem Moment, in dem er nach einer neunmonatigen Verletzungspause aufs Feld zurückkehrte und damit auch sportlich im Blickpunkt steht.
Er folgt damit einerseits dem viel beachteten Appell der NBA-Prominenz um LeBron James, die Amerikas Sportstars aufforderten, ihre Prominenz zu nutzen um den Rassismus im Land zu überwinden.
Andererseits ist sein Handeln und seine Botschaft aber auch weit radikaler als die versöhnlich-warmen Worte von James und Co. bei den ESPYS-Awards.
Vergleiche mit Ali und Olympia-Sprintern
In den US-Medien wird Kaepernick nun mit Muhammed Ali verglichen, der sich mit der Verweis auf Amerikas Rassismus weigerte, in den Vietnamkrieg zu ziehen - und dafür eine mehrjährige Zwangspause in Kauf nahm.
Oder auch mit den Sprintern Tommie Smith und John Carlos, die bei Olympia 1968 die Black-Power-Geste auf dem Siegertreppchen vollführten.
Kaepernicks Protest ist allerdings ein stillerer, einer mit dem sich Amerika eher arrangieren können wird. Seine Befürchtung, dass man ihm dafür "den Football wegnimmt" dürfte sich nicht bewahrheiten.
Zur Zielscheibe des rassistischen Amerikas hat Kaepernick sich trotzdem gemacht. Überzeugungstäter Kaepernick nimmt es in Kauf. Es scheint ihm zu gehen wie einst Martin Luther, nur eben umgekehrt: Er steht dort nicht, er kann nicht anders.