„Er bekommt definitiv nicht genug Anerkennung als Rookie“ - wenn das der eigene Coach nach einem Spiel sagt, dann hat man etwas Besonderes geleistet. Der Deutsche Tristan da Silva führte kurz zuvor die Orlando Magic zum Auswärtssieg bei den Toronto Raptors und legte dabei Karrierebestwerte auf. Seit einigen Wochen spielt sich der Rookie immer mehr ins Scheinwerferlicht der NBA und deutet an, was für ein großes Potenzial in ihm steckt.
Der nächste deutsche NBA-Star?
Im amerikanischen Sport wird häufig von der „Next men up Mentality“ gesprochen. Damit ist gemeint, dass der nächste Spieler in einem Team in die Bresche springt, wenn ein anderer ausfällt. Die Magic haben seit einigen Wochen große personelle Sorgen, denn ihre beiden Superstars Paolo Banchero und Franz Wagner fallen aufgrund der gleichen Verletzung aus. Beide laborieren an einem Riss der seitlichen Bauchmuskulatur und fehlen Orlando auf unbestimmte Zeit.
NBA: Deutscher Rookie erhält großes Lob
Zunächst hatte sich Banchero Anfang November verletzt, dann erwischte es am 8. Dezember auch Wagner. Dadurch rückte in den letzten Wochen da Silva immer mehr in den Mittelpunkt. Der Deutsche bekleidet wie die beiden Top-Stars des Teams die Flügelposition.
Trainer Jamahl Mosley wurde so fast schon dazu gezwungen den Rookie ins kalte Wasser zu werfen. Die Einsatzzeit des Deutschen stieg deutlich. Er steht seither im Schnitt knapp 33 Minuten auf dem Parkett und legt pro Spiel 12.6 Punkte, 4.3 Rebounds und 2.2 Assists auf.
Gerade in den vergangenen Wochen zahlte der Forward das in ihn gesetzte Vertrauen immer mehr zurück. Er führte seine Mannschaft mehrmals zum Sieg und war bester Werfer. Höhepunkt war das Auswärtsspiel bei den Raptors, als er 25 Zähler, vier Rebounds, zwei Assists und zwei Steals erreichte.
Daraufhin bekam da Silva Lob von allen Seiten. Sein Coach betonte nicht nur, dass er als Rookie zu wenig Anerkennung bekäme, sondern lobte auch seine Spielweise: „Er versucht defensiv und offensiv richtig zu spielen und Wege zu finden, die dem Team weiterhelfen.“
„Er spielt wie ein Veteran“
Mosely fügte hinzu: „Er ist in der Lage dazu, dass wir ihm den Ball geben und schwierige Entscheidungen treffen lassen. Er ist bereit, alle Herausforderungen anzunehmen.“
Betrachtet man die Statistiken fällt auf, dass sich da Silvas Werte speziell seit dem Ausfall von Franz Wagner deutlich verbessert haben. Er hat häufiger den Ball in der Hand, nimmt mehr Würfe, spielt mehr Assists. Obwohl er mehr Würfe nimmt, verbesserte sich zudem sogar seine Wurfquote.
Speziell daran ist abzulesen, dass der Rookie die steigende Verantwortung auf dem Spielfeld gut nutzt und sogar noch effektiver wird. „Er wird sich weiter verbessern und wachsen, während dieses Team seinen Weg weitergeht“, ist sich Orlandos Coach sicher.
Auch da Silvas Mitspieler Cory Joseph lobte den Deutschen nach seinem bisherigen besten Karrierespiel in den höchsten Tönen: „Ich bin natürlich beeindruckt, dass er die Gelassenheit in so jungen Jahren hat.“
Er fügte hinzu: „Er spielt wie ein Veteran mit all der Erfahrung dieser Welt, aber das ist sein erstes Jahr.“
Da Silva will sich mental nicht beeinflussen lassen
Und da Silva selbst? Der hielt sich lieber bedeckt: „Ich habe das Gefühl, dass man als Rookie natürlich Höhen und Tiefen haben und es Spiele geben wird, in denen man nicht so gut spielen wird. Aber dann gibt es auch Leistungen wie heute Abend, an denen man sich sehr gut fühlt.“
Er probiere einfach, fokussiert zu bleiben: „Ich versuche, ausgeglichen zu bleiben und mich nicht von einem Spiel mental beeinflussen zu lassen.“
Tristan ist übrigens nicht das einzige Familien-Mitglied mit Basketball-Genen. Auch sein Bruder Oscar ist Profi. Er hat es zwar nicht in die NBA geschafft, spielt aber in der Heimatstadt München für den FC Bayern in der EuroLeague. Der 26-Jährige verriet im Interview mit Ran, dass er sehr begeistert von den Leistungen seines Bruders sei: „Ich glaube, er spielt auf einer Position, die sehr wichtig ist in der NBA. Er bringt viele gute Eigenschaften mit und ist da Nutznießer.“
Er stellte zudem klar, dass sein Bruder gerade mit Druck gut umgehen könne, eine Qualität, die es im Hai-Fischbecken NBA brauche. „Das zeugt von Charakter, Können und Selbstbewusstsein, diese Momente zu nutzen“, meinte Oscar.
Wird da Silva in den Playoffs zum Faktor?
Was bereits in den ersten Wochen seiner noch jungen NBA-Karriere auffällt: Da Silva hat noch körperliche Nachteile. Ihm fehlt es ein wenig an Masse. Bemerkbar macht sich dies vor allem in der Defensive.
Sein Bruder sieht darin aber kein Problem. „Was er körperlich nicht hat, macht er mit Köpfchen wett und er hat ja einen guten Körper. Er ist 2,05 Meter groß, hat Spannweite, Länge und ist beweglich. Man muss nicht aussehen wie LeBron James, um ein guter Verteidiger zu sein.“
Die Magic belegen in der Eastern Conference mit einer Bilanz von 22 Siegen und 16 Niederlagen den vierten Platz. Dieser würde am Ende der regulären Saison bedeuten, dass Orlando in den Playoffs mindestens in der 1. Runde Heimrecht hätte. Bis dahin ist es allerdings noch ein langer Weg.
Zwar steht noch nicht fest, wann Banchero und Wagner wieder auf das Parkett zurückkehren können, aber spätestens bis zu den Playoffs, die im April starten, sollten sie wieder fit sein.
Tristan da Silva wird dann wohl wieder in das zweite Glied rutschen und etwas weniger im Scheinwerferlicht stehen. Für sein Team kann er in den engen Playoffs dann als wichtiger Rollenspieler von der Bank trotzdem zum X-Faktor werden. Dass er das Zeug dazu hat, stellt er aktuell eindrucksvoll unter Beweis.