Was könnten LeBron James, Zion Williamson, Victor Wembanyama und Cooper Flagg gemeinsam haben? Richtig, alle vier Spieler wurden oder sollen im NBA-Draft an Nummer eins ausgewählt werden. Während die drei erstgenannten zu den absoluten Top-Stars der Liga zählen beziehungsweise als Versprechen für die Zukunft gesehen werden, hat Flagg gerade einmal drei Spiele am College absolviert.
Für ihn verlieren Teams freiwillig
Der Hype um den Guard ist dennoch schon jetzt groß. Eines hat der 17-Jährige mit den genannten Superstars schon jetzt gemeinsam: Die Teams in der NBA wollen ihn so sehr haben, dass einige sogar möglichst schlecht sein wollen, um größere Chancen auf Flagg zu haben.
„Tank for Wemby“ (zu Deutsch: Verliert extra, um Wemby zu bekommen), „Tank for Zion“ oder „Tank for LeBron“ bestimmte in den NBA-Saisons vor dem Draft der genannten Spieler oft die Schlagzeilen in den Medien. Und selbst die eigenen Fans forderten ihre Franchise oft dazu auf, doch bitte möglichst schlecht zu sein.
Nets erhöhen Chance auf Flagg
Für Flagg dürfte es bald ähnliche Forderungen geben. Viele NBA-Franchises würden sich die Finger reiben, das Top-Talent zu bekommen. Nicht umsonst horteten zahlreiche Klubs gleich mehrere Erstrunden-Picks für den kommenden Draft, um die Chance auf den 17-Jährigen zu steigern.
Die Brooklyn Nets, das Team von Dennis Schröder, holte sich im Sommer sogar extra den eigenen Erstrunden-Pick, den sie vor Jahren abgegeben hatten, zurück, nur für den Fall, dass das Team in dieser Saison schlecht sein könnte.
NBA: Flagg beeindruckt gegen Team USA
Doch warum ist der Hype um Flagg so groß? Gerade ein Testspiel aus dem vergangenen Sommer gibt Antworten darauf, warum eigentlich jedes NBA-Team den 2,06-m-großen Guard, der auch als Forward auflaufen kann, in seiner Mannschaft haben will.
Konkret geht es um ein Testspiel zwischen dem Nationalteam der USA und dem sogenannten USA-Select-Team, einer Mannschaft, die meist aus ausgewählten NBA-Spielern zusammengestellt wird, um für die Nationalmannschaft kurz vor den Olympischen Spielen als Härtetest zu dienen.
Zu diesem Team gehörte im Sommer eben aber auch Flagg, der als 17-Jähriger nun also auf das Team rund um Superstars wie LeBron James, Steph Curry oder Anthony Edwards traf. Ein großer Qualitätsunterschied war im Duell im Juli in Las Vegas kaum zu erkennen. Ganz im Gegenteil. Wie ESPN skizzierte, überragte Flagg gegen die Stars und spielte diese phasenweise sogar her. In der entscheidenden Phase des knappen Testspiels übernahm der Guard für sein Team in einem engen Match dann sogar komplett die Initiative und lieferte eine echte Show.
Flagg überzeugt in Crunch-Time
Zunächst traf er einen Dreier aus der Ecke über den heraneilenden Star-Verteidiger Anthony Davis, der danach den Kopf hängen ließ. Später ließ er mit Jrue Holiday dann den nächsten Elite-Verteidiger alt aussehen und traf aus der Drehung einen schweren Wurf über den Spieler der Boston Celtics.
Damit aber nicht genug: In der Schlussphase drehte Flagg dann nochmal so richtig auf. Zunächst versenkte er nach einem schönen Crossover erneut über Davis einen Dreier, ehe er im folgenden Angriff nach einem Turnover von Team-USA mit einem schönen Pass seinen freien Mitspieler fand. Dieser traf den offenen Dreier zwar nicht, doch der 17-Jährige antizipierte den Fehlwurf im richtigen Moment, sprintete zum Korb und verwandelte trotz des Fouls von Bam Adebayo den Putback zur 69:68-Führung. Nachdem er auch den anschließenden Freiwurf traf, verbuchte er sechs Punkte in nur 20 Sekunden.
Durant: „Ist ein unglaublicher Spieler“
Spätestens jetzt hielt es im US-Trainingscenter niemanden mehr auf den Sitzen. ESPN beschrieb das Geschehen nach den Aktionen: „In der Halle schauten sich alle Medienvertreter, NBA-Offiziellen und Offiziellen des US-Teams nur verdutzt an. Jeder hat seinen Nachbarn angeschaut, um zu checken, dass das, was gerade passiert, keine Fata Morgana ist.“
Team-USA gewann das Spiel letztendlich trotzdem noch knapp mit einem Punkt, doch nach dem Spiel drehte sich fast alles nur um Flagg. Der 17-Jährige erzielte starke 17 Punkte bei einer Wurfquote von sechs von zehn aus dem Feld (zwei von drei von der Dreipunkte-Linie) und holte zudem zwei Rebounds, zwei Assists, zwei Steals und hatte nur einen Turnover.
Superstar LeBron James gab dem Jungstar nach dem Spiel einen anerkennenden Klaps auf den Po. Sein Teamkollege Kevin Durant, der das Testspiel verletzt nur von der Seite angeschaut hatte, geriet nach dem Spiel in Schwärmen: „Er ist ein unglaublicher Spieler. Er ist gerade einmal 17 Jahre alt, kommt hier locker hin und spielt fast schon wie ein Veteran. Er zeigt keine großen Emotionen. Er geht einfach raus und erledigt seinen Job. Das ist ein sehr gutes Zeichen.“
Begeisterung machte sich auch bei den Offiziellen des US-Basketballes breit. „Er deckt schon jetzt so viele Bereiche des Spiels ab. Das ist fast schon gruselig“, freute sich US-Basketball-Teamdirektor Sean Ford bei ESPN.
Scout sicher: „Wäre auch 2024 an eins gedraftet wurden“
Auch wegen solcher außergewöhnlichen Leistungen scheint es fast sicher, dass Flagg im kommenden Jahr an Nummer Eins gedraftet wird. Ein ungenannter Scout eines Teams der Western Conference ging bei ESPN sogar noch ein Schritt weiter: „Er wäre auch 2024 schon an Nummer-eins gedraftet wurden.“
Sollte er 2025 tatsächlich an erster Stelle ausgewählt werden, könnte er eine durchaus kuriose Serie durchbrechen. Denn seitdem Kent Benson 1977 der Nummer-eins Draft-Pick war, wurde in der NBA kein weißer Amerikaner mehr an erster Stelle gepickt. Zudem wäre Flagg, der aus dem kleinen Bundesstaat Maine kommt, erst der zweite Spieler überhaupt, der in Maine geboren und aufgewachsen ist und in die NBA gedraftet wurde.
So verwunderlich es vielleicht zunächst klingt, gerade seine Herkunft aus einem kleinen Bundesstaat und auch seine Hautfarbe sorgten lange dafür, dass Flagg kritisch gesehen wurde. Kann der Junge aus der Kleinstadt auf der großen Bühne bestehen, fragten sich viele Kritiker.
Doch Flagg lieferte, egal auf welcher Bühne. Als Drittklässler dominierte er gegen Sechstklässler, als Sechstklässler überzeugte er dann schon gegen ehemalige College-Spieler, als Achtklässler konnte er sich dann schon ohne Probleme mit College-Spielern messen. Bevor er überhaupt auf die Highschool ging, bekam er dann schon erste College-Anfragen. In den vergangenen zehn Jahren nahm der 17-Jährige alle ihm in den Weg gestellten Hürden mit Bravour und überzeugte mit seinem Spiel letztendlich jeden Skeptiker. „Die Zweifel sind nur so groß, weil er einfach so unglaublich gut ist“, erklärte ein NBA-Offizieller gegenüber ESPN.
Flagg dominiert auch am College, zeigt aber erste Schwächen
Diese Qualitäten brachten Flagg nun schon mit 17-Jahren an die Basketball-Elite-Uni Duke. Für die Blue Devils spielten in der Vergangenheit zahlreiche NBA-Stars wie Jayson Tatum, Kyrie Irving und Zion Williamson.
Auch an der Duke soll Flagg dominieren. Und die ersten drei Spiele zeigen, dass er auch auf College-Niveau ein echter Unterschiedsspieler ist. In seinen ersten vier Spielen erzielte er 16,3 Punkte, 9,5 Rebounds und 4 Assists im Schnitt, traf dabei 44,2 Prozent seiner Würfe.
Doch noch läuft nicht alles voll nach Plan. Beim Spiel seines Teams gegen die Elite-Uni aus Kentucky erzielte Flagg zwar überragende 26 Punkte, entschied das Spiel für sein Team in der entscheidenden Phase durch zwei Turnovers aber zu Ungunsten seines Teams. Beim Stand von 72:72 verlor er 20 Sekunden vor dem Ende den Ball und auch im darauffolgenden Ballbesitz bei 72:74-Rückstand unterlief ihm ein weiterer Turnover.
Auch wenn er das Spiel für sein Team verlor, zeigt diese Situation aber auch, welches überragendes Talent Flagg ist. Coach Jon Scheyer entschied sich in der Schlussphase des prestigeträchtigen Spiels bewusst dafür, einem 17-Jährigen die Verantwortung zu übertragen.
Ein Umstand, der auch Flagg freute: „Es hat leider nicht funktioniert. Ich bin aber trotzdem froh, dass er das Vertrauen in mich hatte, mir am Ende des Spiels den Ball in die Hand zu geben. Es hat zwar nicht geklappt, aber ich werde auch in den nächsten Spielen die Verantwortung in die Hand nehmen, egal was passiert.“
Zieht Flagg bald in die NBA weiter?
In Zukunft wird Flagg also noch häufig Verantwortung auf dem Court tragen und dann wohl oft das Spiel wieder positiv beeinflussen. Denn eins hat die bisherige Karriere des wohl nächsten NBA-Supertalents gezeigt: Er findet Lösungen zu dominieren, egal ob gegen Kinder in der Schule, gegen Heranwachsende am College oder gegen NBA-Superstars in Las Vegas.
„Wir haben immer nach der Philosophie gelebt, dass man weiterziehen muss, wenn man der beste Spieler in seiner Trainingshalle ist. Dann muss man in eine neue Halle gehen und sich dort beweisen“, erklärte Kelly Flagg, die Mutter von Cooper, im Gespräch mit ESPN.
Bald ist es für Cooper Flagg wohl wieder Zeit weiterzuziehen, die NBA-Teams machen sich für die Ankunft auf jeden Fall schon bereit.