Scotty Pippen Jr. stand dort, wo sein Vater einst Legendenstatus erlangte - im United Center, der Heimat der Chicago Bulls. Doch dieses Mal gehört der Applaus ihm allein.
Ein historisches Vater-Sohn-Duo
Mit 30 Punkten - sein bisheriger Karrierehöchstwert - und 10 Assists führte der 24-Jährige seine Memphis Grizzlies zu einem Sieg über die Bulls (142:131) und ließ seinen Traum real werden.
„Es ist ein Traum, der wahr wird. Es ist verrückt, auszusprechen, dass ich in der Halle, in der mein Vater gespielt hat, 30 und 10 aufgelegt habe. Es bedeutet mir und meiner Familie alles“, erklärte er nach dem Spiel bei ESPN.
Besonders emotional wurde es, als er von einem Gespräch mit seinem Vater (Scottie mit ie statt y) vor dem Spiel erzählte: „Er hat mir gesagt, ich solle einfach rausgehen und abliefern. Das habe ich versucht.“
Pippen Jr. übergangen und bei Lakers nur Ersatz
Die Performance des jungen Guards war makellos. Er traf 13 von 16 Würfen aus dem Feld, versenkte drei von sechs Dreiern und zeigte einmal mehr, dass er nicht nur durch seinen berühmten Namen auffällt - ganz im Gegenteil: Scotty Pippen Jr. ist aktuell dabei, sich seinen eigenen Namen in der NBA zu machen.
Denn trotz des berühmten Vaters war sein Weg in die beste Liga der Welt kein Selbstläufer. Im Draft 2022 übergangen und später bei den Los Angeles Lakers nur sporadisch eingesetzt, musste er sich seine Chance erst erkämpfen.
Der Durchbruch gelang ihm erst 2024, als die Grizzlies ihm einen Two-Way-Contract anboten. Für das Team war die Saison damals bereits gelaufen - doch für Pippen Jr. begann sie erst richtig.
Durchbruch beim Memphis Grizzlies
Mit guten Leistungen spielte er sich in der Rotation fest, startete sogar regelmäßig. Der Lohn? In der Summer League durfte er sich erneut beweisen.
Der 1,85 Meter große US-Amerikaner zeigte dort, dass er bereit ist, eine wichtige Rolle bei den Grizzlies zu übernehmen, was er nun auch in der Regular Season beweist.
Mit durchschnittlich 12,1 Punkten, 5,8 Assists, 3,9 Rebounds und 1,1 Steals pro Spiel hatte sich Pippen Jr. nach der Verletzung von Ja Morant zu einem verlässlichen Playmaker entwickelt. Seine starken Wurfquoten (48,5 % aus dem Feld und 40,0 % von der Dreierlinie) unterstreichen seine Effizienz.
Eine Leistung für die NBA-Geschichtsbücher
Sein erstes Ausrufezeichen setzte er direkt im Spiel gegen die Washington Wizards Anfang November. Beim 128:104-Sieg ohne Morant erzielte Pippen Jr. das erste Triple Double seiner Karriere: Mit elf Punkten, zehn Assists und zehn Rebounds.
Das war nicht nur ein persönlicher Höhepunkt, sondern auch einer für die Geschichtsbücher. Nach Hall of Fame-Forward Dolph Schayes und Sohn Danny sowie Winston und Darius Garland sind sie erst das dritte Vater-Sohn-Duo, dem dies gelang.
„Ein verrücktes Gefühl“
„Ich bin stolz, diesen Moment mit meinem Sohn teilen zu dürfen“, ließ Scottie Pippen nach dem Kunststück seines Sohns verlauten.
„Verrückt“, nannte Pippen Jr. das Ganze selbst. „Ich weiß nicht, ob ich überhaupt Worte finde, um das Gefühl zu beschreiben. Geschichte zu schreiben, ist immer großartig.“ Er fasste zusammen: „Ein verrücktes Gefühl.“
Aber was ist es, was ihn so stark macht? In der Einfachheit liegt vermutlich sein größtes Talent. Er spielt mit Ruhe und Geduld. Er dominiert nicht, aber kontrolliert. Ebenfalls typisch für den jungen Guard: Tempowechsel. Alles in allem ein perfekter Backup für Superstar Morant, der sich jüngst gegen die Trail Blazers (123:98) mit 22 Punkten und 11 Assists zurückmeldete.
Papa Pippen eine Ikone der Chicago Bulls
Positiv dürfte es die Familie selbst auch bewerten, dass der Name Pippen wieder mehr positive Schlagzeilen schreibt, da dies zuletzt nicht immer der Fall war. Dabei ist sein Vater Scottie Pippen siebenmaliger All-Star und eine absolute Ikone der Chicago Bulls. Seine Nummer 33 hängt noch heute im United Center.
Als kongenialer Partner von Michael Jordan war Pippen schließlich Teil eines der erfolgreichsten Duos in der NBA-Geschichte. Gemeinsam holten sie sechs Meisterschaften und prägten eine Ära. Doch heute ist ihr Verhältnis mehr schlecht als recht - und Pippen irritiert mit der einen oder anderen Aussage.
Die Spannungen gipfelten durch die populäre Netflix-Dokumentation „The Last Dance“ von 2020. Darin, so Pippen, sei er zu sehr in den Schatten von Jordan gerückt worden.
Jordan? „Er war ein schrecklicher Spieler“
In seiner Autobiografie „Unguarded“, die sich teils wie eine Abrechnung liest, schimpfte er: „Sie haben Michael Jordan verherrlicht, während sie mich und meine stolzen Teamkollegen nicht annähernd genug gelobt haben.“
Im Podcast „Gimme the Hot Sauce“ mit Stacey King äußerte sich Pippen dann erneut abfällig über seinen Ex-Mitspieler: „Ich habe Michael Jordan spielen gesehen, bevor ich zu den Bulls kam. Er war ein schrecklicher Spieler.“
Erst als er und weitere Spieler kamen, wären die Bulls um Jordan gut geworden: „Plötzlich waren wir ein Team und wurden erfolgreich. Die Leute haben vergessen, wer er wirklich war. Er war ein Spieler, der nicht wirklich zu den Besten gehörte.“
Eine Ansicht über den besten Basketballspieler der Geschichte, die nicht viele Experten teilen und welche die Verbitterung Pippens zeigt.
Pippen Jr. fokussiert sich auf das Wesentliche
Pippen Jr. fokussiert sich aktuell lieber auf den Sport statt auf die Schlammschlachten seines Vaters - und das funktioniert erstaunlich gut.
So haben die Grizzlies mit ihm tatsächlich den Schlüsselspieler gefunden, der ihnen in schwierigen Phasen Stabilität gibt und damit auch für die Playoffs eine echte Hilfe sein könnte. Auch wenn er durch Morants Rückkehr nun erstmal wieder ins zweite Glied rückt.