Caitlin Clark hatte gerade das letzte College-Spiel ihrer Karriere verloren. Doch von Enttäuschung oder gar Verbitterung war bei der 22-Jährigen wenig zu spüren. Stattdessen schaute sie voller Zuversicht voraus.
Die Frau, die eine Nation spaltet
„Wenn ich an die Zukunft des Frauen-Basketballs denke, wird er natürlich weiterwachsen, sei es auf WNBA-Ebene oder auf College-Ebene. Jeder sieht es. Jeder weiß es“, sagte Clark nach der 75:87-Niederlage ihrer Iowa Hawkeyes im Finale der College-Meisterschaft gegen South Carolina.
Dieser Optimismus kommt nicht von ungefähr, er ist sogar berechtigt, und er hat vor allem mit ihr selbst zu tun.
Clark lockt über 20 Millionen TV-Zuschauer an
Denn es ist hauptsächlich Clark zu verdanken, dass der Frauen-Basketball derzeit in den USA einen Boom erlebt, wie es ihn nur selten zuvor gegeben hat.
Das Finale des NCAA Tournaments, besser bekannt als March Madness, lockte in den Vereinigten Staaten im Schnitt 18,7 Millionen Zuschauer vor die Bildschirme. In der Spitze sahen sogar 24 Millionen zu.
Es ist damit das meistgesehene Basketball-Spiel in den USA seit 2019. Nicht einmal die NBA, die große Glamour-Liga der männlichen Superstars, kam in den vergangenen fünf Jahren an diese Werte heran.
Nur wenige Sport-Übertragungen sind populärer
Nur American Football, die Fußball-WM und Olympia zogen laut NBC in diesem Zeitraum ein größeres Publikum an, wenn es um Sport-Übertragungen ging.
Ein Spiel aus dem College-Basketball der Frauen hatte demnach seit 1992 keine höheren Einschaltquoten mehr als das der Hawkeyes gegen die Gamecocks.
Dass diese Popularität weniger mit den bis zum Ende der Saison ungeschlagenen gebliebenen Siegerinnen zu tun hat als mit der phänomenal aufspielenden Clark, war natürlich auch South Carolinas Trainerin Dawn Staley bewusst.
„Ich möchte mich persönlich bei Caitlin Clark bedanken, dass sie unseren Sport auf ein neues Niveau gehoben hat“, sagte Staley.
LeBron James attackiert Clark-Hater
Als einer ihrer prominentesten Fans outete sich noch während des Endspiels LeBron James. „Wenn man beim Spiel von Caitlin Clark nicht ausflippt, kann man nur ein absoluter Hater sein. Haltet euch fern von solchen Leuten, bitte!“, forderte der Megastar der Los Angeles Lakers seine Follower auf X auf.
Clark hatte zu diesem Zeitpunkt schon 18 Punkte im ersten Viertel erzielt, am Ende des Spiels standen 30 Zähler auf ihrem Konto.
Überhaupt, die Statistiken. Die 1,83 Meter große Aufbauspielerin hat in der NCAA 3.951 Punkte erzielt - mehr als jede andere Frau, die jemals College-Basketball gespielt hat. Dazu kommen 1.144 Assists. Außerdem brach die Studentin in dieser Saison den Rekord für getroffene Dreipunktwürfe im Finalturnier.
Für ihre Verdienste wurde sie am Mittwoch von tausenden Fans in der Carver-Hawkeye Arena gefeiert. Ihr Trikot mit der Nummer 22 werden die Hawkeyes nicht mehr vergeben.
WNBA-Legende warnt: „Jetzt kommt die Realität“
Dennoch schlagen ihr nicht nur ungeteilte Sympathien entgegen. Als prominenteste Kritikerin tut sich in Diana Taurasi ausgerechnet die Spielerin hervor, der Clark gerade den Dreipunkterekord abgeknöpft hatte.
„Jetzt kommt die Realität“, sagte die spielende WNBA-Legende von Phoenix Mercury bei ESPN: „Man sieht es in der NBA, und man wird es auch hier sehen. Gegen 18-Jährige sieht es aus, als habe man übermenschliche Fähigkeiten. Aber jetzt trifft sie auf erwachsene Frauen, die schon lange Profi-Basketball spielen.“
Für die zweimalige WNBA-Meisterin Breanna Stewart hat Clarks Karriere trotz ihrer erfolgreichen Rekordjagd einen entscheidenden Makel. Um als größte College-Spielerin der Geschichte zu gelten, hätte sie einen Titel gewinnen müssen, sagte der Star von New York Liberty.
Clark wird als sicherer Nummer-1-Pick gehandelt
Auch wenn Clark die College-Meisterschaft nie gewonnen hat, wird sie als sicherer Nummer-1-Pick beim Draft am kommenden Montag gehandelt. Dass sie von Indiana Fever an dieser Position genommen wird, gilt ebenso als ausgemacht.
In weiser Voraussicht warben die Mercury aus Phoenix bereits für das Spiel gegen Indiana, bei dem am 30. Juni die dann 42-jährige Taurasi auf Wunderkind Clark treffen wird. Die günstigsten Tickets für das Duell der Generationen sind nicht unter 109 Dollar zu haben.
Auch die Las Vegas Aces wollen vom Clark-Hype profitieren und ziehen ihretwegen extra für das Spiel gegen Indiana in die T-Mobile Arena um. Die Halle, in der auch das NHL-Team der Vegas Golden Knights spielt, fasst 20.000 Zuschauer – und damit 8000 mehr als die eigentliche Heimstätte der Aces.
Der Clark-Boom hat aber nicht nur den Sport in den USA erreicht. Auch die politischen Parteien haben im Jahr der Präsidentschaftswahlen das Potenzial des Phänomens Clark längst für sich entdeckt.
Demokraten und Republikaner werben um und mit Clark
Dass Iowa im Mittleren Westen zu den Swing States gehört, in denen weder die Republikaner noch die Demokraten über eine sichere Mehrheit verfügen, macht das Werben um und mit Clark noch brisanter.
Die republikanische Senatorin Joni Ernst und ihr Parteikollege Chuck Grassley lobten schon im März öffentlich und ausführlich Clarks Leistungen und betonten, wie stolz ganz Iowa auf sie sei.
Das Wahlkampfteam des demokratischen Amtsinhabers Joe Biden schaltete während des gesamten Finalturniers Werbeclips in den sieben wichtigsten Staaten für die Demokraten. Am Finalsonntag wurde der Spot „For you“ gezeigt, der erst kurz nach Bidens Rede zur Lage der Nation Anfang März erstmals gesendet wurde und in dem Biden seinen Konkurrenten Donald Trump direkt angreift.
Viele der etwa 20 Millionen Zuschauer des Endspiels dürften die Werbung gesehen haben – vor allem dank Caitlin Clark.