Einst waren sie das Synonym einer perfekt funktionierenden Partnerschaft - inzwischen hat sich die Geschichte von Michael Jordan und Scottie Pippen etwas anders entwickelt.
Nächstes Kapitel einer Zerrüttung
Von 1991 bis 1998 dominierten die beiden mit den Chicago Bulls die NBA und gewannen insgesamt sechs Meisterschaften. Inzwischen ist das Verhältnis der beiden Legenden vergiftet, nicht zuletzt wegen der populären Doku „The Last Dance“, die 2020 einen Blick hinter die Kulissen der sechsten, von inneren Konflikten geprägten Meistersaison 1998 lieferte.
Pippen hegte damals wie heute Groll darüber, dass ihm nicht die gebotene Wertschätzung gezollt worden sei. Der heute 58-Jährige - der sich seinerzeit mit dem Bulls-Management auch ums Geld stritt - schimpfte in seiner Autobiografie „Unguarded“: „Sie haben Michael Jordan verherrlicht, während sie mich und meine stolzen Teamkollegen nicht annähernd genug gelobt haben.“
Nun will Pippen einmal mehr ein Gegengewicht zu Jordans Seite der Geschichte präsentieren.
Scottie Pippen tourt mit seiner Seite der Geschichte
Seit Freitag befindet sich Pippen auf einer Event-Tournee durch Australien, auf der „No Bull Tour“ sitzt er mit zwei damaligen Bulls-Kollegen aus der Bühne und verspricht authentischere Einblicke in die legendäre Bulls-Ära.
Der programmatische Titel „No Bull“ spielt nicht nur auf den Franchise-Namen an, es ist eine jugendfreie Kurzform von „No bullshit“, womit offensichtlich auch auf den Punkt gebracht ist, dass Pippen „The Last Dance“ für das Gegenteil hält.
Auch Horace Grant und Luc Longley mischen mit
Mit Pippen auf Tour sind zwei Weggefährten, die ebenfalls nicht gut auf Jordan und die Doku zu sprechen sind: Horace Grant, den Jordan in der Serie bezichtigte, Quelle für ein kritisches Enthüllungsbuch über „His Airness“ gewesen zu sein - und der australische Center Luc Longley, der für „The Last Dance“ kaum vorkam und nicht interviewt wurde, angeblich aus Kostengründen und wegen der damaligen Corona-Reisebeschränkungen.
2,18-Meter-Mann Longley - inzwischen mit völlig verändertem Look als langhaariger Hipster-Papa unterwegs - hat Pippen und Grant nun in seine Heimat geholt, die Aussicht, dass auch über Jordan und „The Last Dance“ gelästert wird, gehört zur Verkaufsstrategie.
„Viele Leute würden uns gern fragen, was wir von der irreführenden Doku halten. Sichert euch stattdessen Tickets und ihr werdet viel darüber hören“, promotete Grant seinen Auftritt bei X. In einem weiteren Vorab-Schnipsel prahlte Grant - bei den letzten drei Titeln nicht mehr dabei - in Richtung seines damaligen Erben Dennis Rodman: „Der X-Faktor bei den ersten drei Titeln gegen den X-Faktor bei den zweiten? Ich hätte Rodman in den Hintern getreten!“
Pippen nur verbittert? Es gibt auch Kritik
Auf das, was Pippen, Grant und Longley zu erzählen haben, sind allerdings nicht alle gespannt. „Ich habe keine Lust, euch motherf**kers zuzuhören, was dieser oder jener Typ euch getan oder zu euch gesagt habt, es hat dazu geführt, dass ihr einen Ring habt“, ätzte der frühere NBA-Profi Gilbert Arenas in Richtung des Legenden-Trios.
Auch der bekannte Moderator Stephen A. Smith von ESPN - dem Urheber von „The Last Dance“ - reagierte verständnislos auf Pippen, den er als unnötig verbittert empfindet: Jordan habe seine Wertschätzung für Pippen oft genug betont, Pippen kapriziere sich zu sehr aufs Negative, „das ist ein großer Fehler“. (The Last Dance: So verschleuderten die Bulls das Erbe der Ära Jordan)
Viele Fans von Pippen und Co. dürften trotzdem oder auch gerade wegen des zerrütteten Verhältnisses zu Jordan neugierig darauf sein, was der einst kongeniale Teamkollege noch zu erzählen hat ...