Sie haben sich bisher in 18 Playoff-Partien gegenübergestanden: Stephen Curry, der beste Dreierschütze der NBA-Geschichte, und Chris Paul, der „Point God“.
Der Warriors-Plan: Irrsinn oder genial?
Im Zuge eines Mega-Trades zwischen den Golden State Warriors und den Washington Wizards wurde das US-amerikanische Guard-Duo nun vereint - dazu kommt mit Klay Thompson Currys langjähriger Splash-Brother. Dafür mussten die Warriors Jordan Poole aufgeben, dazu einen Erstrundenpick und weitere Assets.
Eine komplexe Matrix aus finanziellen Strukturen, einem intakten teaminternen Mannschaftsgefüge und dem Hall-of-Fame-Coach Steve Kerr machen den Trade verständlich.
Und doch impliziert dieser ein hohes Risiko für den ehemaligen NBA-Champion aus dem Sunshine State.
Warriors geben Poole und einen Erstrundenpick ab
Das offensichtlichste Argument gegen den Trade gleich vorneweg: Das Alter. Chris Paul schleicht mit seinen mittlerweile 38 Jahren über den NBA-Court, Jordan Poole ist erst 24 Jahre alt – und noch deutlich agiler.
Als CP3 2005 mit dem vierten Draft-Pick der New Orleans Pelicans gezogen wurde, war Poole gerade sechs Jahre alt geworden. Einen Meister-Ring mehr als Paul hat er dennoch.
Dieser liefert jedoch seit 1.214 NBA-Spielen konstante Zahlen ab (17,9 Punkte; 9,5 Assists; 4,5 Rebounds) – Poole enttäuschte gerade in der vergangenen Saison, spielte inkonstant und war im Playoff-Run der Warriors teils gar kein Teil der Rotation mehr.
Also stellen sie nun die Erfolgsambitionen der Gegenwart über die langfristigen Zukunftspläne. Mit einem ringhungrigen Paul im Herbst seiner Karriere soll das Fenster, in dem die Dubs um ihre Superstars Stephen Curry (35 Jahre) und Klay Thompson (33 Jahre) noch reelle Championship-Ambitionen haben, bis zum Äußersten ausgenutzt werden.
Die Zukunftspläne müssen warten. Auch die Finanzen verdeutlichen diesen Ansatz. Mit der Abgabe von Jordan Poole, Ryan Rollins, Patrick Baldwin Jr., einem geschützten Top-20-Erstrundenpick im Draft 2030, und einem 2027er Zweitrundenpick schenken die Warriors ordentlich Zukunftskapital ab.
Curry und Thompson mit hohen Gehältern
Auch ist der Kontrakt mit Paul in der ersten Saison (30,8 Mio. Dollar) gar noch mehr wert, als er dies mit Poole gewesen wäre (28 Mio. Dollar). Doch die Flexibilität, so absurd es klingen mag, erhöht sich damit. Paul verdient im zweiten Jahr rund 30 Millionen Dollar bei den Warriors, wohlgemerkt nicht garantiert.
Im Vergleich zum Mega-Vertrag von Poole (123 Millionen Dollar über vier Jahre) haben die Warriors die Option, den Guard vor der kommenden Saison loszuwerden.
Bei den Mega-Gehältern von Curry (51,9 Mio. Dollar) und Thompson (43,2 Mio. Dollar) in der Saison 2023/24 schaffen sich die Warriors so die Möglichkeit, in Zukunft unter der zweiten Luxus-Steuerschranke zu bleiben und somit schwerwiegende Strafen des neuen Tarifvertrages CBA zu umgehen.
Auch schafft die Abgabe von Rollins und Baldwin Jr. Platz, um „Ring Chaser“-Veteranen zu einem Minimum-Deal unter Vertrag zu nehmen.
Ein Problem aber bleibt: die hohe Verletzungsanfälligkeit. Bei Paul würde man wohl kaum ein Körperteil finden, das noch nicht lädiert war. Poole spielte zum Vergleich alle 82 Regular Season Spiele für die Warriors in der vergangenen Saison.
Doch dieser Trade hat insbesondere für Paul einen Vorteil: Mit seiner Rolle als Guard Nummer drei hinter den Splash Brothers kann er sich künftig seine Minuten einteilen und über weite Strecken der Saison frisch bleiben.
Hinzu kommt das exzellente Management des Warriors Staffs, die es zur Perfektion beherrschen, Altstars wie Draymond Green und den verletzungsgeplagten Thompson in den wichtigen Momenten fit zu haben. Auch die Warriors können davon enorm profitieren.
CP3 als fehlendes Puzzlestück der Warriors?
CP3 ist unumstritten einer der besten Point Guards der aktuellen Generation, seine Fähigkeit, Mitspieler in Szene zu setzen, derzeit in der NBA unübertroffen.
So kann er speziell in der Zeit, wenn Curry seine Pause bekommt, die Offense leiten. Der „Point God“ liebt es, die Zügel in der Hand zu halten, das Spiel zu kontrollieren.
Damit gibt Paul den Warriors, die bislang ihr Spiel auf die Scharfschützen Curry und Thompson zugeschnitten haben, eine neue Note.
Poole hat nicht die Fähigkeit, seine Mitspieler so konstant wie Paul in Szene zu setzen. Auch die Differenzen mit Altstar Draymond Green schienen nie gänzlich ausgeräumt.
Green schlug dem 24-Jährigen in einem Trainingscamp vor der Saison ins Gesicht, wurde suspendiert, und kam doch zurück. „Ohne Draymond sind wir kein Titelanwärter“, sagte Coach Kerr damals. Nur um nach der Saison nun folgen zu lassen: „Immer wenn das Vertrauen verloren geht, macht es den Prozess so viel schwerer - und es gab Vertrauensverlust.“
Es handelte sich wohl um die Poole-Green-Posse, der Jüngere entfolgte dem Forward bereits auf sämtlichen Social-Media-Plattformen. Ein Indiz für mangelnden Teamcharakter? Immerhin, so viel ist bekannt, verstehen sich Curry und Paul auch abseits des Feldes.
Wollte Steve Kerr einen traditionellen Point Guard?
Paul hatte auch eigene Interessen an diesem Trade, abseits der privaten Verbindungen. Mit 38 Jahren an einem Rebuild einer Franchise, wie es die Wizards vollführen, teilzunehmen, würde seinen Traum einer baldigen Championship gefährden.
Das ist bei den Warriors anders. Insidern zufolge glaubte Kerr immer, das beste Team zu haben, sobald ein traditioneller Point Guard in seinen Reihen spielte, nicht zuletzt auch wegen Shaun Livingston.
Traditioneller als Paul wird es auf der 1 nicht mehr, er liefert zuverlässig und kann die Shooter heiß laufen lassen mit seinen Assists. Auch der Ex-Warrior Richard Jefferson, der mittlerweile als ESPN-Analyst in Erscheinung tritt, sieht diesen Vorteil.
Jefferson sagte: „Chris Paul ist seit 200 Jahren in der Liga, und seit 200 Jahren gibt es Probleme in der Postseason. Ich denke, dass er jetzt zum ersten Mal auf einem Niveau ist, auf dem er reiner Spielmanager ist. Man wird von ihm nicht verlangen, dass er die besten ein oder zwei Spieler auf der anderen Seite verteidigt.“
So könnte der Deal tatsächlich allen Seiten helfen. Den Wizards, um einen Kommandeur (Jordan Poole) als Anleiter im Rebuild-Modus zu haben. Den Warriors, um Curry die Möglichkeit zu eröffnen, sich kurzerhand noch einen fünften Ring an den Finger zu stecken.
Und Chris Paul, der nach 18 Jahren in der Liga endlich NBA-Champion werden kann.