Es waren noch 5:25 Minuten im dritten Viertel auf der Uhr, als Jaylen Brown einen Dreier zum 94:49 für die Boston Celtics bei den Phoenix Suns versenkte. Eine Machtdemonstration bei der bis dahin bestplatzierten Mannschaft aus der Western Conference, die bei vielen NBA-Fans Eindruck hinterließ.
Das Team, das es zu schlagen gilt
Am Ende siegten die Celtics zwar „nur“ mit 125:98, setzten ihre bislang unglaubliche Saison allerdings souverän fort. Das Team aus dem US-Bundesstaat Massachusetts steht nach 26 absolvierten Partien mit einer Bilanz von 21-5 da und führt die Liga Conference-übergreifend vor den Milwaukee Bucks (18-6) an. (DATEN: Alle Tabellen der NBA)
Nach rund einem Drittel der regulären Saison (82 Spiele pro Team, bevor die Playoffs starten) steht bereits fest: Mit diesen Boston Celtics ist zu rechnen. Der letztjährige Finals-Teilnehmer, der nach sechs Spielen mit 2:4 gegen Stephen Curry und die Golden State Warriors unterlag, legt in dieser Saison beeindruckende Zahlen auf und gilt als großer Mitfavorit auf den NBA-Titel.
Celtics stellen beste Offensive der Historie
Angeführt von Superstar Jayson Tatum, der bislang im Schnitt 30,8 Punkte pro Spiel auflegt und als MVP-Topkandidat gehandelt wird, verfügt Boston über die beste Offensive der Liga (119,9 Punkte pro 100 Ballbesitze) und aktuell gar über die beste der NBA-Geschichte (dahinter folgen die 2020/21 Brooklyn Nets mit 118,3 Punkten).
Das Erfolgsgeheimnis liegt hierbei vor allem in der Dreierquote. Die Traditionsfranchise führt mit 40,2% erfolgreicher Dreier die Liga an und verfügt mit Malcolm Brogdon (49,4%, Topwert der Liga), Al Horford, Sam Hauser und Grant Williams über vier der Top-10-Shooter der NBA.
Defensiv liegen die Celtics zwar noch weit entfernt von ihrem Liga-besten Rating der Vorsaison (aktuell nur Platz neun mit 110,8 Punkten), sie vermissen mit Robert Williams III allerdings noch ihren eigentlichen Defensiv-Anker. Der „Time Lord“ laborierte lange Zeit an einer immer wieder aufbrechenden Knieverletzung, könnte aber noch vor Weihnachten auf das Parkett zurückkehren.
Umso erstaunlicher ist es, dass die Celtics-Maschinerie auch trotz des Ausfalls ihres zweitbesten Verteidigers problemlos weiterläuft.
Offseason-Krach lässt Boston kalt
Die Kelten kamen in der vergangenen Saison nach einem ernüchternden Start und einer Bilanz von 25-25 noch ins Rollen, legten einen beeindruckenden 26-6-Run zum Ende der Regular Season hin und räumten auf ihrem Weg in die Finals ein Schwergewicht nach dem anderen (Brooklyn, Milwaukee und Miami) aus dem Weg. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der NBA)
Auch wenn sie sich letztendlich den Golden State Warriors geschlagen geben mussten, konnte man das große Potenzial der Franchise bereits erahnen. In der Offseason galten die Celtics lange Zeit als großer Gewinner, hielten ihren Mannschaftskern um die Topstars Jayson Tatum und Jaylen Brown beisammen und verstärkten sich mit Malcolm Brogdon auf der dringend aufzubessernden Position des Point Guards.
Der 29-Jährige kam im Sommer per Trade für unter anderem Daniel Theis nach Massachusetts und soll vor allem Marcus Smart im Playmaking unterstützen.
Ein Skandal um Head Coach Ime Udoka, der für mindestens ein Jahr suspendiert wurde, brachte allerdings Unruhe in das Team. Doch auch unter Interimscoach Joe Mazzulla entwickelte Boston einen gesunden Teamgeist, der den Rekordchampion bislang an die Spitze der NBA geführt hat.
Die „Jays“ so gut wie noch nie
Großen Anteil am Erfolg der Celtics haben vor allem aber zwei Spieler: Jayson Tatum und Jaylen Brown. Die beiden jeweils an Position drei gepickten Flügelspieler (Brown 2016, Tatum 2017) stellen eines der Top-Duos der aktuellen NBA und liegen jeweils auf Kurs eines neuen Career-High (Tatum 30,5 Punkte, Brown 26,7).
Besonders Tatum hat in dieser Saison einen weiteren Schritt nach vorne gemacht. Neben verbessertem Playmaking schafft es der dreimalige All-Star auch vermehrt an die Freiwurflinie zu kommen, um sich einfache Punkte zu holen (86% von der Freiwurflinie, Career-High). Parallel hält der 24-Jährige die Turnover-Rate auf dem niedrigsten Niveau seiner Karriere, was ihn noch wertvoller als ohnehin schon macht.
Auch Brown hat sein Spiel auf ein neues Niveau gehoben. Der 26-Jährige verbesserte seine Werte in Rebounding und Assists, und schaffte einen gewaltigen Sprung an der Freiwurflinie (von 75% auf 83,8%). Legt das Duo weiterhin solche Zahlen auf, steht einer weiteren All-Star-Teilnahme nichts im Wege.
Tiefere Rotation sorgt für mehr Möglichkeiten
Ebenfalls Gold wert für das Spiel der Boston Celtics: die tiefere Rotation.
Gegen Ende des vergangenen Jahres beließ es Boston meist bei einer Acht-Mann-Rotation. Ein möglicher Grund dafür, warum den Kobolden letztendlich die Puste ausging. Doch in dieser Saison sieht das etwas anders aus. Der Kader ist tiefer besetzt und ermöglicht den Stars mehr Auszeiten. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur NBA)
Vor allem Sam Hauser nimmt in dieser Spielzeit eine entscheidende Bankrolle ein. Der 25-Jährige gilt als verlässlicher Dreierschütze und ermöglicht Boston dringend benötigtes Spacing. Solche Rollenspieler sind in der NBA hochgehandelt - zumal Hauser nur 1,6 Millionen Dollar pro Jahr einstreicht.
Auch der Trade für Derrick White, der im Februar von den San Antonio Spurs nach Boston wechselte, hat sich mittlerweile mehr als ausgezahlt. Auch er trifft mit über 40% verlässlich von draußen und besticht mit schneller Entscheidungsfindung.
Genauso wie alle anderen Celtics-Stars sorgt White für schnelles Ball-Movement, um den offenen Schützen zu finden. White ist wie auch der Großteil der Mannschaft ein solider Verteidiger, der seine Gegenspieler vor sich halten kann.
Sogar die Verpflichtung des ehemaligen Superstars Blake Griffin, der vor der Saison für ein Minimum zur Verstärkung auf den großen Positionen unter Vertrag genommen wurde, zahlt sich mittlerweile aus. Der Nr.1-Pick des Jahres 2009 nutzt seine geringe Spielzeit und ermöglicht es den Celtics, den etatmäßigen Big-Man-Veteran Al Horford im eng getakteten Spielplan des Öfteren zu schonen.
Auch ohne den noch fehlenden Defensiv-Anker Robert Williams III dominieren die Boston Celtics die NBA und sind voll auf Kurs der Top-Platzierung im Osten. Es wird spannend zu sehen sein, wie sich das Spiel der Kobolde mit seiner Rückkehr verändern wird. Nach über 14 Jahren ohne Titel ist das Ziel klar aufgezeigt: Zurück auf den Thron des Basketballs.