Knapp eine Woche schwebte der Antisemitismus-Skandal um Kyrie Irving über den Brooklyn Nets, ehe das Team den Superstar für mindestens fünf Spiele sperrte. (NEWS: Irving reagiert nach Nets-Suspendierung)
Irvings Weg ins Abseits
Es war das vorläufige Ende einer turbulenten Woche - nicht nur für die Nets, sondern auch für das gesamte Basketball-Business in den USA. Selbst der Weltkonzern Nike hat sich schon von seinem Werbestar abgewandt und bringt den neu entworfenen Schuh, der im November präsentiert werden sollte, nicht auf den Markt.
Irvings tagelange Weigerung, sich für seinen Post mit einem Link zu dem 2018 erschienenen Film „Hebrews to Negroes: Wake Up Black America“ zu entschuldigen, zwang selbst NBA-Commissioner Adam Silver zu einem Statement: „Ich bin enttäuscht, dass er keine uneingeschränkte Entschuldigung angeboten hat.“ (NEWS: Alle aktuellen Infos zur NBA)
Am gleichen Tag hatte der Nets-Superstar seinen Standpunkt vor Medienvertretern noch einmal bekräftigt. Er verweigere sowohl eine Entschuldigung für den Post als auch eine Verurteilung des Films.
Im Vorfeld hatte er sich noch bereiterklärt , 500.000 Dollar an die Anti-Defamation League (eine Organisation, die gegen Diskriminierung und Diffamierung von Juden eintritt, Anm. d. Red.) zu spenden.
Entschuldigung allein reicht den Nets nicht
Mit seiner Verweigerungshaltung brachte Irving das Fass jedoch endgültig zum Überlaufen. Die ADL verweigerte in der Folge die Annahme der Spende, und Nets-Owner Joseph Tsai entschied sich für die Suspendierung. Nur wenige Stunden nach dieser Entwicklung kam es bei Irving zu einer Kehrtwende und er entschuldigte sich für sein Verhalten und bat um Verzeihung.
So leicht wollen es ihm die Nets aber nicht machen. Zwar sei die Entschuldigung ein Weg in die richtige Richtung, sagte Brooklyn-GM Sean Mark, aber: „Es ist sicherlich nicht genug.“
Vielmehr wolle man nun Taten sehen, die den Sinneswandel des 30-Jährigen belegen. Daher fordert das Team von Irving einige Maßnahmen, die er ergreifen muss, bevor er zur Mannschaft zurückkehren kann. „Er muss sich natürlich beraten lassen und sich mit einigen jüdischen Vertretern in unserer Gemeinde treffen. Er wird sich mit ihnen zusammensetzen müssen, er wird sich danach mit der Organisation zusammensetzen müssen. Wir werden abwägen und sehen, ob dies dann die richtige Gelegenheit ist, ihn zurückzuholen.“
Zusätzlich muss Irving ein Sensibilisierungstraining absolvieren und sich mit Joe Tsai treffen. Bei diesem Treffen muss er den Nets-Owner davon überzeugen ,dass er seinen Fehler eingesehen hat.
Zudem entgehen dem Nets-Guard 1,2 Millionen Dollar aufgrund der fünf Spiele Sperre. Ob es mehr werden, hängt von seinem Verhalten in den kommenden Tagen ab. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der NBA)
Kyrie Irving: Die Skandalliste ist lang
Es ist aber längst nicht der erste Skandal um den siebenmaligen All-Stars. Schon sein Wechsel nach Brooklyn war von Misstönen begleitet. Noch 2018 hatte er den Fans der Boston Celtics versprochen, im TD Garden bleiben zu wollen. Nach einer enttäuschenden Saison verabschiedete er sich als Free Agent Richtung Barclays Center.
Und dieser Wechsel sollte Spuren hinterlassen. In den Playoffs 2021 traf er mit den Nets auf sein Ex-Team aus Boston - und sorgte für einen Eklat. Nachdem er mit dem Fuß provokant auf das Celtics-Logo auf dem Court gestampft hatte, flog sogar eine Wasserflasche auf den Ex-Celtic. Im Jahr darauf - erneut in den Playoffs - zeigte er den Celtics-Fans den Stinkefinger. (NEWS: Irving sorgt für Eklat - und erklärt sich)
Aber auch die Nets-Fans mussten schon so einiges durchmachen. Im ersten Jahr sollte Irving, da der ebenfalls nach Brooklyn gewechselte Kevin Durant wegen eines Achillessehnenriss nicht spielen konnte, das Team alleine tragen. Das gelang ihm jedoch nur bedingt. Statt jedoch den Fehler bei sich zu suchen, forderte er öffentlich Verstärkungen: „Es ist doch offensichtlich, jeder sieht es. Es ist sonnenklar, was wir brauchen, um den nächsten Schritt zu machen.“
Steve Nash bekommt Breitseite zum Amtsantritt
Auch NBA-Legende Steve Nash, der im Jahr 2020 als neuer Nets-Coach ernannt wurde, bekam gleich zu Beginn sein Fett weg. „Ich sehe nicht, dass wir einen echten Head Coach haben“, sagte Irving im The ETCs Podcast with Kevin Durant. „KD (Kevin Durant, Anm. d. Red.) oder ich könnten das auch machen.“ Nach dem Playoff-Aus 2021 gegen die Celtics legte er nochmal nach: „KD und ich managen die Franchise zusammen mit Joe Tsai und Sean Marks (...) Wir müssen einige Moves machen.“
Fast schon ironisch, dass Nash ausgerechnet im Zuge von Irvings Antisemitismus-Skandal bei den Nets entlassen wurde.
Der Tiefpunkt - bis zu den aktuellen Geschehnissen - ereignete sich jedoch während der Corona-Pandemie. Von Beginn an durfte der Nummer-1-Pick von 2011 weder an Spielen noch am Training seines Teams teilnehmen. Grund dafür: Irving verweigerte die Corona-Impfung. Erst Anfang Januar 2022 kam er bei Auswärtsspielen zum Einsatz, da er außerhalb von New York auch ohne Impfung spielen durfte.
Als er auch in New York wieder auflaufen konnte, sah er sich als Freiheitskämpfer: „Niemand kann mich versklaven, niemand kann mir sagen, was ich mit meinem Leben anfangen soll“, sagte der Point Guard, es gehe darum „Entscheidungen über sein Leben zu treffen, ohne dass einem jemand sagt, was zum Teufel zu tun ist.“ (BERICHT: Irving: Freiheitskämpfer in Shorts)
Brooklyn und Irving: Ende mit Schrecken?
Gekommen als Superstar, der mit Kevin Durant und dem mittlerweile schon wieder getradeten James Harden den Titel nach Brooklyn holen sollte, ist Irving mittlerweile mehr Last als Hilfe für die Franchise. In bislang 111 Spielen in der Regular Season stehen im Schnitt 27,15 Punkte zu Buche. Allerdings führte er die Nets lediglich 2021 in die Conference Semi Finals, die 3:4 gegen die Celtics verlorengingen. In den anderen beiden Spielzeiten setzte es bereits in Runde eins jeweils einen Sweep für den Titelaspiranten. (BERICHT: Wie ein Superteam im Chaos versank)
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Für Brooklyn könnte daher dieser Sommer ein Ende mit Schrecken bedeuten. Irving, der im Sommer seine Spieler-Option zog und damit vorerst in Brooklyn blieb, ist nach dieser Spielzeit als Free Agent auf dem Markt. Die Nets wollten den Guard bereits in diesem Sommer loswerden, fanden aber keinen passenden Abnehmer. Dieses Problem haben sie 2023 nicht.
Da Irvings Popularität nach dem neuesten Skandal jedoch ins Bodenlose gefallen sein dürfte, stehen die Chancen auf einen vorzeitigen Abschied bei Null. Bis in den Sommer müssen sich beide Seiten also noch zusammenraufen.