In Steve Kerr brodelte es. Das war für alle Journalisten und Zuschauer der Pressekonferenz nach dem 109:119 der Golden State Warriors bei den Dallas Mavericks zu sehen.
Steve Kerrs tragische Vorgeschichte
Mit Tränen in den Augen hatte der Warriors-Coach in einer dreiminütigen Wut-Rede gegen die schlaffen Waffengesetzte in den USA gepoltert und mit seinem flammenden Plädoyer (“Ich habe genug!“) internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Das Massaker an der Robb Elementary School im texanischen Uvalde, bei dem ein 18 Jahre alter Amokschütze mindestens 19 Grundschülerinnen und -schüler sowie zwei Lehrer erschoss, ging Kerr persönlich nahe. Nicht nur, weil er selbst dreifacher Vater ist. Seine Familie hat am eigenen Leib erleben müssen, was passiert, wenn Waffen in die falschen Hände geraten. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der NBA)
Steve Kerrs Vater Malcolm wurde von Terroristen ermordet
Am 18. Januar 1984, als Steve Kerr 18 Jahre alt war, wurde sein Vater Malcolm Kerr mit zwei Kopfschüssen ermordet - ein international bekannter und hoch anerkannter Politikwissenschaftler, der in Beirut lehrte und dort Präsident einer amerikanischen Privatuniversität war. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur NBA)
Kerrs Vater wurde wegen seines Berufs zur Zielscheibe einer islamistischen Terrormiliz, die im Kontext des libanesischen Bürgerkriegs jegliche amerikanische Präsenz im Land bekämpfte.
Die Kerrs sind seit Generationen mit dem Mittleren Osten verbunden: Steves Großvater Stanley setzte sich nach dem 1. Weltkrieg als Teil einer Hilfsorganisation für die Überlebenden des Völkermords an den Armeniern ein und ließ sich in Beirut nieder.
Für Steves Vater wurde die Region zum beruflichen und privaten Lebensmittelpunkt, auch Steve wurde in Beirut geboren und verbrachte viele Jahre seiner Kindheit und Jugend dort - bis sein Leben durch den Mord an seinem Vater aus den Fugen geriet.
Emotionale Worte in „The Last Dance“
„Mitten in der Nacht erhielt ich einen Anruf von einem Freund der Familie. Das Telefon klingelte um 3 Uhr morgens. Also wusste ich, dass etwas nicht stimmte, und er sagte nur: ‚Steve, ich habe schreckliche Nachrichten.‘ So war es“, berichtete der frühere Teamkollege Michael Jordan er in der Dokumentation „The Last Dance“ über die Chicago Bulls bei Netflix.
Kerr führte in der Dokumentation aus, dass der Tod des Vaters ihn zu der überragenden Karriere als Spieler mit fünf Titeln bei den Bulls antrieb. „Basketball war das Einzige, was ich tun konnte, um mich abzulenken“, sagte Steve Kerr bei Netflix. „Also ging ich am nächsten Tag zum Training. Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte.“
Kerrs Geschichte ähnelt in dieser Hinsicht der von Larry Bird, dessen Vater auch jung starb.
„Mein Vater hatte einen großen Einfluss auf mich“
Öffentlich und auch privat sprach Kerr im Lauf seines Lebens nur sehr selten über den Tod seines Vaters, selbst vor Leidensgenosse Jordan - dessen Vater 1993 bei einem Raubüberfall erschossen wurde - verschloss er sich.
Den Einfluss seines Vaters nahm Kerr aber immer mit, auch in seine zweite Karriere als Trainer, in der er die Warriors schon zu drei Meistertiteln geführt hat.
„Er war ein Beobachter“, erinnerte sich Kerr 2016 in der New York Times an Papa Malcolm. „Und er ließ mich lernen und Erfahrungen sammeln. Ich versuche, unseren Jungs viel Raum zu geben und zum richtigen Zeitpunkt zu sprechen. Wenn ich zurückblicke, denke ich, dass mein Vater einen großen Einfluss auf mich hatte, auf mein Coaching.“
Auch Kerrs persönlicher und politischer Blick auf die Welt ist von der Familiengeschichte geprägt, seit Jahr und Tag erhebt Kerr immer wieder seine Stimme gegen die laxen Waffengesetze in den USA und die dahinter stehende Lobby in der Republikanischen Partei.
Der dadurch leichter gemachte Amoklauf konnte Steve Kerr nicht kalt lassen. Und er hat es die Welt eindrücklich spüren lassen.