Sie nannten ihn „The Big Dipper“, den großen Schöpflöffel.
Mit ihm starb ein Teil der NBA
Ein Spitzname, der auf den ersten Blick eigenwillig anmutet, aber man muss wissen: „The Big Dipper“, das ist in den USA der Name des Sternbilds, das hierzulande „Großer Wagen“ heißt. Und so passt sie dann in mehrerlei Hinsicht, die Bezeichnung für ein ebenso riesiges wie unvergängliches Sport-Phänomen.
100 Punkte in einem NBA-Spiel, 55 Rebounds in einem weiteren, die meisten Rebounds überhaupt (23.924), höchster Punkteschnitt in einer Saison, meiste Double-Doubles: Die Liste der Rekorde und einzigartigen Leistungen von Wilt Chamberlain ist einzigartig.
Und dann ist „Wilt the Stilt“ (die Stelze) auch noch durch ein recht schrilles Leben außerhalb des Courts in Erinnerung geblieben. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur NBA)
Wilt Chamberlain: Viele Rekorde heute utopisch
Der als Handwerkersohn in Philadelphia geborene 2,16-Meter-Mann war eine Ausnahmeerscheinung, schon als er 1959 die NBA enterte - nach einer erfolgreichen College-Karriere bei den Kansas Jayhawks und einem Intermezzo bei den berühmten Harlem Globetrotters.
1973 endete bei den Los Angeles Lakers eine mit zwei Meister- und vier MVP-Titeln gekrönte Karriere voller Rekorde.
Manch eine Bestmarke wird für die Ewigkeit sein, weil das moderne Spiel Einzelleistungen wie sein „100 Point Game“ mit Philadelphia gegen die New York Knicks am 2. März 1962, nicht mehr erlaubt. Manch eine Bestmarke ist mittlerweile gebrochen, als ewiger Topscorer löste Chamberlain 1984 sein Lakers-Erbe Kareem Abdul-Jabbar ab. Mittlerweile ist auch dieser Rekord - von LeBron James - gebrochen worden.
Zu Abdul-Jabbar hatte Chamberlain ein auffällig gestörtes Verhältnis, nach seiner Karriere fiel er immer wieder mit seltsam überkritischen und teils gehässigen Kommentaren gegen den ihn anfangs bewundernden Abdul-Jabbar auf.
Der Streit hatte auch eine politische Ebene: Anders als der bis heute als progressive Stimme bekannte Abdul-Jabbar war Chamberlain konservativ, stand den Republikanern und Ex-Präsident Richard Nixon nahe.
Mit Arnold Schwarzenegger in „Conan, der Zerstörer“
Nach seiner Karriere - geprägt auch durch seine mal freund-, mal feindschaftliche Rivalität mit Boston-Celtics-Legende Bill Russell - wurde Chamberlain zum erfolgreichen Geschäftsmann und Sportmäzen.
Wegen seiner besonderen Leidenschaft für den Volleyball gründete er in der Sportart sogar einen Verband und spielte darin noch für mehrere Teams.
Auch in Hollywood verewigte sich der „Big Dipper“ (dessen Name eigentlich darauf beruhte, dass er wegen seiner Körpergröße gebückt durch viele Türen „tauchen“ musste): 1984 spielte Chamberlain den Bombataa in „Conan, der Zerstörer“, an der Seite von Arnold Schwarzenegger, Grace Jones und Wrestling-Star André the Giant.
Chamberlain lebte ein pralles Leben - was er sich leisten konnte: mit einem Jahresgehalt von damals unerhörten 30.000 Dollar sogleich der Top-Verdiener der NBA.
Die 1,5 Millionen, die er später bei den Los Angeles Lakers verdiente, waren für die Verhältnisse der Zeit Schwindel erregend. Sie ermöglichten ihm den Besitz diverser Luxusautos und den Bau eines riesigen Anwesens im Nobelviertel Bel Air (getauft auf den Namen “Ursa Major“, ein weiteres Sternbild-Wortspiel).
Wilt Chamberlain rühmte sich für sein Sex-Leben
Chamberlains Biograf Robert Allen Cherry verglich das Haus mit Hugh Hefners Playboy-Mansion, nicht nur aus architektonischen Gründen: Chamberlain, lebenslang Single, war auch für sein ausschweifendes Sexleben berüchtigt.
Seine Behauptung, mit mehr als 20.000 Frauen geschlafen zu haben, ist in mindestens ebenso guter Erinnerung wie seine NBA-Rekorde. Auch der Spruch „Andere sammeln Briefmarken, Wilt sammelt Frauen“ seines Anwalts Seymour „Sy“ Goldberg wurde berühmt.
Kurz vor seinem Tod hatte Chamberlain selbst schon kritisch auf den Hype um sein oft romantisiertes Frauenheld-Image geblickt („Für alle, die denken, dass es ganz cool ist, tausende Frauen zu haben: Ich habe in meinem Leben gelernt, dass es viel zufriedener macht, eine Frau tausendmal zu haben“).
In Zeiten von #MeToo hat sich der Blick weiter gewandelt, auch durch eine konkrete Anschuldigung der Schauspielerin Cassandra Peterson.
Peterson, in den USA berühmt geworden durch ihr Alter Ego „Elvira, Mistress of the Dark“, erhob in ihrer 2021 veröffentlichten Biografie die Anschuldigung, dass der mit ihr befreundete Chamberlain sie in den Siebzigern bei einer Party zum Oralverkehr gezwungen hätte - und dass sie erst durch #MeToo einen klaren Blick auf den angeblichen Vorfall bekommen hätte.
Chamberlain starb am 12. Oktober 1999 im Alter von 63 Jahren: Herzprobleme, die wohl auch durch seine Körpergröße und der damit einhergehenden Belastung seiner Organe bedingt waren, verschlimmerten sich infolge einer Zahn-OP, von deren Folgen er sich nicht mehr erholte.