In der Nacht auf Freitag steht der alljährliche NBA-Draft auf dem Programm. Mit dabei ist dann auch Franz Wagner, der jüngere Bruder von NBA-Profi Moritz Wagner. Der 19-Jährige gilt als Kandidat für die Top 10.
Wagner: „Dann ist die Kindheit vorbei“
Vor der Talenteziehung hat SPORT1 mit dem Berliner über seine Hoffnungen, seinen Bruder Moritz und seine Nervosität vor dem großen Moment gesprochen.
SPORT1: Herr Wagner, wie ist Ihre Gefühlslage vor dem anstehenden Draft?
Franz Wagner: Ich habe die Tage ganz normal geschlafen. Als ich heute aufgewacht bin hat es sich etwas anders angefühlt. Etwas nervöser, weil mit jeder Stunde die Spannung größer wird. Es ist bei mir wie bei großen Spielen: Ich bin erstmal ein wenig ruhiger. Ich bin mehr in mich gekehrt und rede nicht viel mit anderen Leuten. So wird es bestimmt auch sein, wenn ich dann am Tisch sitze und der Erste aufgerufen wird. Das wird sehr spannend sein.
SPORT1: Gibt es jemanden der Ihnen den Rücken freihält und Sie beruhigt?
Wagner: Ehrlich gesagt ist es ein bisschen andersherum. Es ist ganz gut, dass meine Eltern hier sind und wir die Zeit zusammen verbringen können. Sie sind natürlich auch aufgeregt, da helfen wir uns gegenseitig. Ich glaube, meine Mama ist am meisten aufgeregt. Das hilft ein bisschen, dass wir alle zusammen sind und versuchen die Zeit zu genießen.
SPORT1: Womit rechnen Sie bei der Ziehung, was geht Ihnen da durch den Kopf?
Wagner: Ich glaube es wäre falsch, sich auf eine Nummer oder ein Team festzulegen. Es passieren noch so viele Sachen in der Nacht. Es bring ja nichts, man weiß überhaupt nichts, und dann passiert es am Ende nicht so wie gedacht und man ist enttäuscht. Deswegen probiere ich einfach in den Tag normal reinzugehen und alles zu genießen. Denn so eine Zeit kommt nicht nochmal. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der NBA)
SPORT1: Als beste Deutsche wurden bislang Schrempf (8.) und Nowitzki (9.) gezogen. Was würde es Ihnen bedeuten, in diesen Regionen, vielleicht sogar früher gewählt zu werden?
Wagner: Man kennt ja die Spieler nicht wegen der Nummer, mit der sie gezogen wurden. Das ist bei keinem Spieler so. Es ist glaube ich mehr eine coole Sache für die Medien und die Fans. Natürlich bekommt man mehr Aufmerksamkeit, je höher man gezogen wird. Aber am Ende ist es wichtig, dass man beim richtigen Team, in einer Situation, wo man sich gut entwickeln kann, landet. Das ist mir viel wichtiger.
SPORT1: Experten ordnen Sie als Top-15-Pick ein. Hätten Sie mit einer so hohen Einschätzung gerechnet?
Wagner: Ich habe viele Qualitäten, die in der NBA gefragt sind und bei vielen Teams gebraucht werden. Als großer Flügel hat man einfach generell große Chancen gedraftet zu werden. Ich glaube, es gibt auch einfach nicht so viele Spieler wie mich, die so viele verschiedene Sachen gut können und sich gleichzeitig noch viel verbessern können. Da habe ich eine gute Mischung. Ich bin auch noch sehr jung und besitze viel Verbesserungspotenzial. Diese Mischung sorgt dafür, dass man in jedem Draft hoch gezogen werden kann und hoffentlich passiert es morgen. (DATEN: Alle Tabellen der NBA)
SPORT1: Sie gelten als Allrounder. Was würden Sie sagen sind Ihre drei großen Faktoren?
Wagner: Auf der einen Seite meine Defense, die Team-Defense und das 1 gegen 1 in der Defense. Ich kann das Spiel auf der defensiven Seite in vielen verschieden Varianten und Situation beeinflussen. Gleichzeitig bin ich auch ein sehr guter Offensivspieler und kann viele Sachen offensiv machen. Ich kann werfen, kann weg vom Ball spielen, aber auch mit dem Ball in der Hand kann ich spielen. Und für meine Größe kann ich sehr gut dribbeln und Entscheidungen fällen. Auch Passen und Werfen aus dem Dribbling. Diese Kombination ist sehr wichtig und dann spielt auch mein Mindset eine Rolle. Ich denke, dass ich für mein Alter ein bisschen weiter bin als andere. Ich bringe das nötige Selbstbewusstsein, aber auch ein bisschen Demut mit, dass man sich immer verbessern kann. Dass man jeden Tag gleich angehen sollte, egal wie der letzte war und man immer probiert das Beste rauszuholen.
SPORT1: Die Defense war die erste Sache, die Sie angesprochen haben. Da haben Sie mal gesagt, dass Sie dort auch ihren Bruder Moritz in die Tasche stecken. Wie ist das zwischen ihnen, angenommen sie würden Aufeinandertreffen: Wo wären da die Unterschiede oder war das nur ein lockerer Spruch?
Wagner: Es ist immer schwierig, Basketball in verschiedene Fähigkeiten bzw. Sektoren einzuteilen, weil jedes Spiel anders ist und von der Competition abhängt. Aber ich glaube schon, dass ich defensiv im College besser gespielt habe als Moritz und ein paar Sachen mache, die er nicht gemacht hat. Ich will jetzt nicht sagen, dass er sich da überhaupt nicht verbessern kann, aber ich glaube das würde auch er unterschreiben. Was mich nicht besser, aber anders macht als Moritz, ist, dass ich einfach draußen spiele und er viel mehr Inside. Nicht nur am College auch in der NBA. Da gibt es Unterschiede von unserem Spielstil und unseren Stärken. Er ist viel besser im 1 gegen 1 in der Offensive, wo ich mich noch verbessern kann. Da gibt es genug Unterschiede.
SPORT1: Im direkten Duell zwischen Ihnen würde es ganz schön krachen, sie würden sich nichts schenken, oder?
Wagner: Ja natürlich, er spielt ja in der NBA, weil er sehr gut ist. Ich bin nicht bis zu diesem Punkt gekommen, weil ich Angst habe gegen gewisse Leute zu spielen und gegen meinen großen Bruder schon gar nicht. In einem 1 gegen 1 muss man immer auf sich selbst setzen, weil man selbstbewusst ist.
SPORT1: Ihr Bruder Moritz wurde 2018 an 25. Stelle gepickt. Wie wichtig wäre es für Sie, früher als ihr Bruder ausgewählt zu werden?
Wagner: Nein, das wäre überhaupt nicht wichtig. Ich werde lieber an letzter Stelle gedraftet und dafür bei dem richtigen Team als so weit vorne in einer schlechten Situation. Es gibt genug NBA-Spieler, wo man sieht, dass die sehr hoch gedraftet werden, aber dann ihr Können nicht zeigen können.
SPORT1: Haben Sie ein oder mehrere Wunschteams?
Wagner: Es kann sich noch so viel ändern, da macht es keinen Sinn sich auf irgendwas festzulegen.
SPORT1: Könnten Sie sich vorstellen, mit Ihrem Bruder in einem Team zu spielen?
Wagner: Das fände ich um ehrlich zu sein richtig geil. Vor allem im ersten Jahr. Eine Sache, auf die ich mich nicht richtig vorbereiten kann, ist einfach, erstmals erwachsen zu sein. Am College ist man zwar auch alleine, aber man ist oft mit den Jungs zusammen, der Tag ist viel strukturierter. In der NBA ist die Kindheit vorbei. Da jemanden zu haben, mit den man aufgewachsen ist und der alles schon kennt, wäre richtig hilfreich. Daneben wäre es natürlich auf dem Court richtig geil zusammenzuspielen und für die Familie auch sehr cool.
SPORT1: Welche Ziele setzen Sie sich für die kommenden Jahre bzw. Ihre etwaige Debütsaison in der NBA?
Wagner: Das ist viel zu früh zu sagen. Ich weiß gar nicht mit wem ich zusammenspiele, was für ein Team ich habe und welche Chancen ich kriegen werde. Ich hoffe einfach, dass ich in eine Situation komme, wo ich mich gut fühle, jeden Tag gerne ins Training komme und mich gut entwickeln kann. Der Rest liegt an mir, dass ich Arbeit reinstecke und besser werde. Ich würde natürlich sehr gerne viel spielen, das macht mir am meisten Spaß. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur NBA)
SPORT1: Als Dirk Nowitzki gedraftet wurde, waren sie noch nicht auf der Welt. Welchen Einfluss hatte er auf Ihre Entscheidung, Profi-Basketballer werden zu wollen?
Wagner: Dirk hat auch eine Rolle gespielt. Aber ich habe eigentlich angefangen zu spielen, weil mein großer Bruder gespielt hat. Das war immer die Sache, dass ich das machen wollte, was Moritz gemacht hat. Als ich angefangen habe, hat es mich sofort gepackt. Ich habe schon am Anfang viel NBA-Highlights geguckt und die ALBA Teams in Berlin verfolgt. Aber der Traum von der NBA war immer verbunden mit Dirk Nowitzki. Der hat es irgendwie möglich gemacht. Für junge deutsche Basketballer, dass es möglich ist in die NBA zukommen, dort zu spielen und auch einer der Besten zu sein. Moritz hatte ein großes Poster von Dirk im Zimmer, ich hatte immer ein paar verschiedene. Ein paar von Kobe Bryant, LeBron James und Michael Jordan. Ich habe eigentlich jeden großen Spieler abgefeiert und mir auch Zeitschriften gekauft. Das war auf jeden Fall von Anfang an ein großes Thema.
SPORT1: Gibt es irgendwelche besonderen Rituale, die Sie machen oder haben Sie spezielle Ticks?
Wagner: Das Krasseste am Draft ist, dass es nur einmal im Leben passiert. Ich probiere einfach, weil der Tag crazy und hektisch wird, so in den Tag zu starten, wie ich es immer mache. Ich werde früh aufstehen, Zähneputzen und mich mit der Familie treffen. Vielleicht frühstücken wir etwas zusammen und das Bett wird gemacht, bevor ich aus dem Zimmer gehe. Ich glaube morgen brauche ich keinen Wecker, aber habe sowieso schon Medientermine am Morgen und könnte nicht ausschlafen. Es ist viel zu tun vor dem Draft, was man von außen gar nicht so mitkriegt.
SPORT1: Wen werden sie Sie nach dem Draft als Erstes anrufen?
Wagner: Den Moritz auf jeden Fall. Vielleicht kann man ihn auch via Facetime auf den Tisch stellen, damit er dabei ist. Danach muss man ja in zahlreiche Interviews, aber ich habe ein paar Freunde eingeladen, ein paar alte Trainer, dann können wir ein bisschen Spaß haben. Wir gehen alle zusammen essen, mit der Agentur und meiner Familie. In einem Restaurant haben wir alles schon organisiert. Das wird dann auch recht spät, der Draft dauert sehr lange und danach die Interviews… Aber am wichtigsten ist, dass wir alle zusammen sind.
SPORT1: Sie sind erst 19 Jahre alt und haben es selbst gesagt, dass Sie sich etwas reifer als andere fühlen. So ein Draft verändert das ganze Leben. Meinen Sie, dass Sie sich auch relativ schnell verändern werden?
Wagner: Ich hoffe, dass sich mein Charakter nicht viel verändert. Ich glaube, das ist ein wenig das größte Problem an dem Business, dass das ganz schnell passieren kann. Ich werde Spaß haben, aber hoffentlich vergesse ich nie, was mich an den Punkt gebracht hat. Ich hoffe, ich verändere mich nicht so schnell. Natürlich werden sich um mich herum die Sachen schnell verändern. Viel mehr Aufmerksamkeit kommt auf mich zu. Aber mein Leben an sich, wie ich in den Tag starte, wie ich mit meinen Freunden oder anderen Personen rede, das verändert sich hoffentlich nicht.